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Besoldung freiwillig Verzicht leistete. Oder hatte
er trotz des Schweigens unserer Rechnungen reichlich
zu tun? Darauf ließe der Umstand schließen, daß
ihn: noch ein Gehilfe beigeordnet war, der (seines
Zeichens ein biederer Schmiedemeister) sich als
àire-Adjunkt, einmal sogar ganz korrekt französisch
als Maire-Ackjoint bezeichnet. Neben dem Naire
und seinem Adjoint stand dann noch der Munizipal
rat, ein Kollegium, das die Interessen der Communs
zu wahren hatte. Zum Glück haben wir noch zwei
Denkmäler seiner Tätigkeit unter den Belegen von
1309. Das eine ist ein Schriftstück mit der Auf
schrift „Monita zur Ottrauer Gemeinds-Rechnung
vom Jahr 1809" und das andere ist ein Erhebe
register über die Physikats-Groschen von 1808—09.
Der Munizipalrat hatte demnach u. a. die Gemeinde-
Rechnung, ehe sie an den Unterpräsekten nach Hers-
seld abging, einer Vorrevision zu unterziehen und
die Erhebung des Physikatsgroschens in die Wege
zu leiten. Unbemittelte durfte er von dieser Abgabe
befreien. Daher lesen wir am Schlüsse des genann
ten Erhebe-Registers die Bemerkung. „Von vor
stehend Verzeichneten vebenten will der Munizi-
zipal-Rath frey laßen", worauf dann neun Namen
folgen. Wieviel Mitglieder das Kollegium zählte,
läßt sich nicht genau angeben. Das Erhebe-Register
haben 5 Munizipal-Räte unterzeichnet, unter den
Monita sind 6 Namen zu lesen, weitere hat eine
neidische Maus gefressen.
Das waren die Männer, die die Oommnne Ott-
rau regierten. Und wie stand es um die Geld
mittel der Oommune? Sie flössen in der „Munizi
palkasse" zusammen und kamen zum größten Teil
aus denselben Quellen wie in hessischer Zeit. U. a.
also auch aus dem Verkauf abgängiger Inventar-
stücke. So vereinnahmte man 1809 für das ver
kaufte Trillhaus 21 Alb. 4 Hlr., für den Schand-
psahl 1 Alb. und für das Eisen davon 3 Alb.
Dieser Verkauf hatte gewiß mehr als finanzielle
Bedeutung. Er bedeutete zugleich den Bruch mit
einem Justizverfahren, das die aufgeNärten Männer
dk!s Königreichs Westfalen wohl zu mittelalterlich
dünkte. Was es mit dem Schandpfahl auf sich
hatte, ist allgemein bekannt. Mit dem Tritt- oder
Trillerhause hatte es eine ähnliche Bewandtnis.
Wie Vilmars Idiotikon vermeldet, war es ein
drehbares Gitterbehältnis, in das Frevler einge
sperrt und mit dem sie herumgedreht (getrillert)
wurden. Nach dem Reglement vom 27 September
1740 (Landes-Ordnnngen IV, 715) war das Trill
haus die in Althessen für die Waldfrevler fest
gesetzte Strafe. Dies Stück Mittelalter wurde also
1809 als Brennholz verkauft. Aber im Gedächtnis
des Volkes lebte es noch lange Zeit weiter. Denn
wie mir ein alter Mann erzählt hat, bekam er in
den 40 er Jahren des vorigen Jahrhunderts aus
seiner Mutter Mund noch oft die Drohung zu
hören Wenn du nicht gehorchst, kommst du ins
Trillhaus!
Neben den altbewährten Einnahmequellen wie
Verkäufen und Verpachtungen, Umlagen und An
leihen erschlossen sich der Munizipalkasse auch einige
neue. Da begegnen wir z. B. einer Vergnügungs
steuer. 1809 sind eingenommen 13 Alb. 4 Hlr
Stimmgeld von der Kirchmes anzuspielen, 1 Tlr.
24 Alb. von der Kirchmes selbsten, 2 Alb. 8 Hlr.
von einem Bettelmusikant. Ähnliche Beträge sind
im folgenden Jahre gebucht, 1812 aber nur 2 Alb.
8 Hlr. Stimmgeld und 5 Alb. von der Fastnacht.
Die Ottrauer Bauern empfanden offenbar die Not
jener Zeit nicht so schwer, daß ihnen darüber die
Fastnachts- und Kirmeslust vergangen wäre! So
geldklamm auch die Zeit war und soviel Kontri
butionen und Gemeindeumlagen es auch kostete,
für die Kirmes ließen sie dennoch gern den letzten
Groschen springen. Mit weniger angenehmen Ge
fühlen mögen die Polizei-Strafgelder bezahlt sein,
die wir aus den Rechnungen als eine Hauptein
nahmequelle der Munizipalkasse kennen lernen.
Sie ertrugen 1809: 67 francs 23 Centimes, 1810;
60 francs 50 Centimes, 1811 29 Tlr. 13 Alb.
8 Hlr. und 1812 50 francs oder „in Hessen-Münze"
13 Tlr. 8 Hlr. Nach den zugehörigen Belegen
handelte es sich meist um Bußen für Feldfrevel
und Beleidigungen. Eine Art Strafgeld möchte
man auch vermuten, wenn man unter der Ein
nahme „Insgemein" 1809 den Eintrag liest „Das
Einkommen der Sperlingsköpfen 1 Tlr. 16 Alb.
4 Hlr." Im Jahre daraus heißt es nämlich an
derselben Stelle „Für nicht gelieferte Spatzen
köpfe 1 Tlr 26 Alb. 7 Hlr.", wozu der Unter
präfekt moniert „Über die Sperlingsköpfe hätte
ein Verzeichnis beigefügt werden müssen." Hatte
etwa Jßrüme in seiner landesväterlichen Weis
heit und Fürsorge einen Feldzug gegen die Spatzen
ausgeschrieben, und mußte etwa jeder, der nicht
die festgesetzte Anzahl Sperlingsköpfe vorlegen
konnte, eine gewisse Geldabgabe an die Munizipal
kasse leisten? Endlich sei noch der Einnahme ge
dacht, die die Munizipalkasse aus den Zinsab
schnitten der im Jahre 1807 gezwungenermaßen
gekauften landständischen Obligationen hatte. In
den ersten Jahren ging wirklich der volle Betrag
der Zinsen ein. Im Jahre 1812 aber sanken diese
Obligationen auf ein Drittel ihres Stammwertes.
Wie nämlich die Rechnung dieses Jahres trüb
selig bemerkt, sind die Kapitalien vom zweiten
halben Jahr 1812 an auf ein Drittel reduziert.
Die Kommune war also um zwei Drittel des
Kapitals und der Zinsen betrogen.