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trag tnit Österreich abgeschlossen, den sogenannten
Barriöre-Traktat, worin sie den Grenzschutz der
österreichischen Niederlande gegen Frankreich, der
ja mittelbar auch der Schutz ihrer eigenen Grenzen
war, übernahmen. Österreich räumte ihnen zu
diesem Zwecke das Besatzungsrecht in den Festungen
Namur, Tourzray, Menin, Furnes, Warneton,
Mons, Ppern, Nieuport und Fort Knocke ein,
während Roermonde und Dendermonde von Trup
pen beider Staaten gemeinsam besetzt wurden. Zur
Erhaltung aller dieser Festungen zahlte Österreich
an die Vereinigten Niederlande jährlich 500 000
Taler. Der ja allerdings etwas eigentümliche Ver
trag führte bald zu Streitigkeiten zwischen beiden
Vertragschließenden, denen Kaiser Joseph II. da
durch ein Ende bereitete, daß er 1781 den Vertrag
einseitig aushob. 1785 verzichteten die Niederlande
dann förmlich auf die ihnen aus dem Vertrage zu
stehenden Rechte. Joseph II. ließ nun mit der
Schleifung der Barriörefestungen beginnen, soweit
das noch nötig war. Bei Nieuport war das nicht
der Fall. Seine Festungswerke befanden sich in
folge langjähriger Vernachlässigung bereits in einem
solch.!! Zustande, daß man sich die Arbeit der
Niederlegung sparen und den völligen Verfall der
Werke der Zeit überlassen konnte.
Man hätte nun annehmen sollen, daß im Jahre
1793, als man, wie erwähnt, Nieuport zum Stütz
punkte des rechten Flügels der Aufstellung der
Verbündeten wählte, dort wenigstens etwas für die
Herstellung eines verteidigungsfähigen Zustandes
geschehen wäre. Das wurde aber unterlassen. Und
doch wäre es dringend nötig gewesen. Die Stadt,
die jetzt etwas über 3000 Einwohner zählt und
damals wohl nicht sehr viel kleiner gewesen ist,
besaß keine eigentliche Umwallung. Es war viel
mehr durch Aufschütten von Erde hinter einer
alten, halb zerfallenen Stadtmauer eine Art von
Wall hergestellt, dessen Brüstung nur 5 Fuß hoch
war, so daß stellenweise hinter derselben ein Graben
gezogen werden mußte, um den Verteidigern Dek-
kung zu verschaffen. Einzelne vorspringende Ron
delle, Reste abgebrochener Türme, faßten höchstens
5 bis 6 Verteidiger, waren dagegen zur Auf
stellung von Geschützen ganz ungeeignet. Ein vor
der Mauer herlaufender nasser Graben war völlig
verschlämmt und konnte an vielen Stellen durch
watet werden. An den zur Deckung der Tore vor
diesen gelegenen Festungswerken waren die Brust
wehren überhaupt abgetragen, auch die Zugbrücken
beseitigt und an ihrer Stelle Dämme durch die
Gräben geführt. Pallisaden waren nicht vorhanden.
Das Hauptwerk, das Fort Wirwuth, nordwestlich
der Stadt an der Äser gelegen, war ebenfalls ganz
verfallen. Zwischen ihm und der Stadtumwallung
lag an der Einmündung des Ostarmes des Furnes-
kanals in die Mer eine Schanze, in der sich eine
Schleuse befand, mit der das Gelände zwischen
dieser Schanze und dem Fort Wirwuth unter
Wasser gesetzt werden konnte, so daß dann zwischen
beiden nur ein 20 Fuß breiter Damm die Ver
bindung bildete.
Unter diesen Umständen bestand der Hauptschutz
des Platzes in den sie umgebenden Kanälen. Der
Furneskanal stößt, von Südwesten kommend, an
der Südostecke auf die Stadt und teilt sich dort in
zwei Arme. Der eine davon umfließt die Stadt
im Süden und Westen und fällt an der Schleusen
schanze in die Mer. Der andere Arm fließt an
der Ostseite der Stadt entlang und mündet an
deren Nordostecke in die Äser, die, von Osten
kommend, an der Nordseite der Stadt herfließt
und unterhalb des Forts Wirwuth in die Nord
see mundet. Diese Wasserläufe waren damals sämt
lich 20 bis 30 Fuß breit und über 6 Fuß tief.
Durch die Schleuse an der Schleusenschanze und
durch eine weitere Schleuse an dem Dpertor (Nord
ostecke der Stadt) konnte das Gelände westlich, süd
lich und östlich der Stadt überschwemmt werden.
Allein die Schleusen befanden sich in einem so
kläglichen Zustande des Verfalls, daß man wohl
kaum hoffen durfte, sie benutzen zu können. Mate
rial zu ihrer Ausbesserung, Faschinen, Sandsäckc
u. dgl. waren nicht vorhanden.
Zum Kommandanten dieses kaum noch eine
Festung zu nennenden Platzes ernannte Ende Sep
tember 1793 der Herzog von Aork den hessischen
Obersten Karl v. Wurmb. Dieser, der kurz vorher,
nämlich am 9. September 1793, Oberst im Regiment
Kospoth geworden war, fand als Besatzung nur
das 53. englische Infanterieregiment in Stärke
von 400 Mann in Nieuport vor. Daß die Besatzung
bald darauf verstärkt wurde, verdankte er einem
Mißerfolg der Verbündeten. Am 22. Oktober 1793
hatten nämlich die Franzosen Furnes angegriffen
und die Truppen der Verbündeten daraus ver
trieben. Von diesen »vendeten sich die 2 Bataillone
des Regiments v. Kospoth 3 ) und 2 Schwadronen
Prinz Friedrich-Dragoner 4 ) unter dem Obersten
v. Stein nach Meuport und blieben dort als
Besatzung. Die Bataillone des Regiments v. Kos
poth waren zusammen etwa 700 Mann, die Dra
goner 200 Mann stark. Die Besatzung bestand nun
mehr also aus 1300 Mann. Ganz unzureichend
war auch die artilleristische Ausrüstung des Platzes,
die nur aus 2 Neunpfündern, 5 Sechspfündern und
3 ) Jetzt im 2. kurhessischen Infanterie-Regiment Nr. 82.
4 ) Jetzt im Husaren-Regiment König Humbert von
Italien (1. kurhessischen) Nr. 13.