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ein verfassungsmäßiges, dem gemeinen Besten ent
sprechendes Regiment, aber nicht in der Befriedi
gung der Habsucht, des Ehrgeizes, der Herrschsucht
und anderer Leidenschaften, wozu Dich die Schlange
reizt."
Kassel, im Oktober 1850.
H e nkel, Obergerichtsanwalt.
Dies Schriftstück ward der direkte Anlaß zu dem
oben geschilderten und so kläglich geendeten Vor
gehen gegen ,,d e n Henkel", aber es soll auch gleich
hier noch bei dieser Gelegenheit der Offene Brief
der Hornisse mitgeteilt werden, der ungleich gröber
Da draußen ist weißer Winter,
Doch drinnen ist's wohlig und warm,
Da hält die glückseligste Mutter
Das winzigste Knäblein im Arm,
Da duften die Frühlingsblumen:
Siehe, der Lenz ist dal
Und hundert Engelein singen:
Oomino gloria!
Kassel.
Als Kind hatte ich ein unerklärliches Mitleid
mit allen Fliegen, die in Mutters großen Milch-
topf gefallen waren.
Mit dem Guirlstiel fischte ich sie vorsichtig heraus
und sah, wie sie sich in Todesangst daran
klammerten und nach der Oberfläche strebteri.
Eine ebenso unerklärliche Grausamkeit zwang mich,
sie noch ein-, zweimal in die fette Milch unter
zutauchen, ehe ich sie endgültig als von mir
gerettete Wesen auf den Küchentisch setzte.
Etwas wie Schöpferstolz war dann in mir.
Ängstlich beobachtete ich die Tierchen.
Würden sie sich erholen?
Sie lagen oft noch ein Weilchen wie betäubt,
dann richteten sie sich mühsam auf, probierten,
sich fortzubewegen und streiften schließlich mit den
Hinterbeinchen die Milch von den Flügeln. Das
sah so zierlich aus und erfüllte mich mit großer
Freude, denn nun, das wußte ich, würden sie
gleich zaghaft mit den hauchdünnen Flügelchen
schlagen und davon fliegen.
„Dummes Dingen — ", sagte Müllers Anna, die
bei uns diente, „dummes Dingen, nachher ärgerst
De Dich, wann se Dich piesacken."
Ja, das konnte ich ihr nie begreiflich machen,
daß das ganz etwas anderes sei. 9m offnen
war, - insofern aber ehrlicher, als er auf die von
Henkel vorgestellte Fiktion, als sei Haynau das un
schuldige, unwissende Werkzeug eines Mephisto-Has
senpflug, zum größten Teil verzichtete, weitsichtiger
aber, als er auch die sich aus dem Zustande
ergebenden Konsequenzen erkannte und namhaft
ntachte, namentlich gegen Ende, wo er darauf hin
weist, daß dieser Kampf zwischen Krone und Be
völkerung nur dein lauernden Nachbar —
andere Stellen bezeichnen schon deutlich und nament-
P r e u ß e u: — den Weg ebne.
(Schluß folgt.)
Seit einst das größte Wunder
Zu Bethlehem gescheh'n,
Hat nie die Erde wieder
Größeres je geseh'n,
Was immer der klugen Menschen
Echöpferwille ersinnt,
Sie können das Wunder nicht fassen
Der Mutter mit ihrem Kind. —
Karl Freiherr v. Berlepsch.
Kampf ein Tier töten, das mich angriff, das war
doch berechtigt.
So richtete mein Kinderherz sich die Dinge des
Lebens zurecht, wurde Retter oder Richter, nach
seinem eignen, jungen Gefühl.
Müllers Anna ahnte gar nicht' wie viel Be
ziehungen zwischen ihr und den Fliegen in Mutters
Milchtopf bestanden.
Meine gute Mutter hatte ein großes Schwester-
herz für alle, die mit der Schwere des Lebens
rangen, und aus einem großen Milchtopf, der sie
fast ersäuft hätte, rettete sie Anna Müller miffamt
ihrer Mutter und den fünf Schwestern.
Vater Müller war Küfer in der kleinen Brauerei
des Städtchens gewesen. Diese Brauerei warf
gerade genug ab, den Besitzer schlecht und recht
zu ernähren; was da an Lohn gezahlt wurde,
stand in gar keinem Verhältnis zu der in regel
mäßigen Intervallen anwachsenden Kinderfchar bei
Müllers. Als Herrn und Frau Müller das sechste
Kind, das Lenchen, geboren wurde, war die
Rot schier grenzenlos. Da tat Herr Müller das
Bequemste, was er tun konnte, er kam mtt einer
Lungenentzündung heim, legte sich ins dickgebaufchte
Ehebett, starb und überließ die Sorge für fein
Begräbnis und die sechs Kinder seiner Frau. Die
Winlerglück.
Müllers.
Skizze vo« Else Groß.