mnL> 341 ««Hb
Verhältnissen gedient haben muß wie der Wald
ort. Daß das Dorf Hngedanken eine jüngere
Siedelung fein muß, geht aus der obigen Be
schreibung sowohl wie auch daraus, daß der Name
urkundlich sehr spärlich und erst sehr spät vor
kommt, zweifellos hervor. Die späten Ansiede
lungen finden sich nämlich durchweg auf Berges-
hängen oder in Nebentälern, die zum Anbau nicht
sonderlich geeignet waren und daher früher in der
Regel eine andere Bestimmung, als Weideplätze
u. ä.. gehabt hatten, die dann aber wegen der
zunehmenden Bevölkerungszahl und der abnehmen
den Weidewirtschaft (an Stelle des sich immer mehr
ausbreitenden Ackerbaues) auch gerodet wurden,
um ärmeren Bauern einen dürftigen Unterhalt
zu gewähren.
Dieser Gegensatz zwischen wohlhabender und
ärmerer Bevölkerung infolge der relativen Frucht
barkeit des Bodens ist noch heute im Kreis Fritzlar
durch die gesegneten Striche der Umgegend von
Besse, Gudensberg und Lohne, der Wabernschen
Ebene und des Löwensteiner Grundes einerseits
und durch die weniger ergiebigen Bodenerträgnisse
der zum Hainaer- und Gilsergebirge ansteigenden
Ortschaften andererseits ziemlich scharf ausgeprägt?)
So liegt die Vermutung nahe, daß der Name
Dngedanken auf eine alte Kultur des Bodens
schließen läßt, die derjenigen des Ackerbaues voran
ging und noch Jahrhunderte lang in den höher
gelegenen Strichen neben dem Ackerbau herging:
die Weidewirtschaft.
Kellner a. a. O. S. 80 bestätigt, daß das Dorf
Ungedanken lauter berghangendes, wenig ergie
biges Ackerland und sehr wenig Wiesen hat; die
Wiesen aber, die unten an der Edder liegen, ruhen
nach seiner Ansicht auf heißem Grund, „es ist
ursprünglich von der Eder bedeckter Waffergrund
mit dem betreffenden Steingeröll, darüber ruht
eine dünne, junge Humusschicht." Ferner betont
er, daß bei dem Orte zwei aus dem Berge kom
mende Bäche zusammenstoßen, so daß sich hier ein
feuchtes Bachdelta mit der Edder gebildet habe.
Er selbst möchte daher Ungedanken aus älterem
Unewanc als „Wasserfeld" (von ahd. uuä, lat.
uuäu Wasser, Flut, vgl. Buck, Obd. Flurnamen
buch S. 285 und wang campus Feld) erklären.
Obwohl diese Erklärung unter den verschiedenen
Deutungsversuchen Kellners den Vorzug verdient,
weil sie sich durch die natürlichen Verhältnisse der
Gegend leicht bestätigen läßt, wirkt sie doch nicht
überzeugend wegen der sprachlichen Schwierigkeiten,
über die Kellner allerdings auch sonst mit einer
beachtenswerten Skrupellosigkeit hinweggleitet.
*) Hehler, Hessische Landeskunde I. 2.S. 174.
Denn die Form wang in dem vermeintlichen
Unewanc findet sich zwar sehr häufig in Württem
bergischen und schwäbisch-bayrischen, nicht aber in
hessischen Ortsnamen, und daß Mönche, die Lob wend
angeblich mit nach Oberaula brachten, wang mit
nach Fritzlar gebracht haben sollen, hat sich für
Lobwend bereits als Märchen erwiesen ®) und ist
für wang sehr unwahrscheinlich. Selbst, wenn
dem so wäre, so ist der Übergang von w zu d, von
Unewanc zu Onedangen, Ungedank(en) ver
mittelst eines „Wohllaut-d" ziemlich unmöglich.
Dagegen führt folgende Erwägung sicherer zum
Ziel. Es gibt ein altes Substantivum düng
(tung, dune, tune), das im Oberdeutschen als
dank, donke, dank, dunke (vgl. Buck, Obd. Flur-
namenbuch S. 48), in andern Gegenden auch als
dank wiederkehrt und nach Buck s. v. a. „flache
Erhöhung,Sandbank", nach Arnold S. 307 „Höhle",
nach Haas") „Hügel, Berg" bedeutet. Vgl.
darüber die bei Haas angeführte Literatur. Haas
glaubt, daß in dem Bergnamen düng ein vor
deutsches oder wenigstens längst verschollenes ger
manisches Wort enthalten sei, das vom Volk mit
dem deutschen Worte düng, tune „unterirdische,
zur Abwehr der Kälte mit Mist (fcunga) bedeckte
Stätte als Winterwohnung" (Wackernagel, Ztschr.
f. deutsches Altertum VII, 128 ff.) vermengt worden
sei. Nach seinen Beobachtungen ist düng in den
sämtlichen von ihm namhaft gemachten Flurnamen
Bezeichnung für einen Berg, und zwar für einen
flachgewölbten Berg. Das würde mit der
von Buck mitgeteilten Bedeutung übereinstimmen.
Haas verzeichnet u. a. folgende Bildungen mit
dnnk, düng, die sich auf hessischem Boden finden:
Dinkelsbübl (tautologische Bildung: dunkilo +
buhil), Dunkelsberg, Dinkelberg, Dünkelrode 11 )
(bei Malkomes, Kr. Hersfeld), Dungküppel (bei
Birx in der Rhön), mit dunk als Grundwort:
Dagemaresdunch und Himmeldwnkberg neben
Himmeldankberg, auch bloß Himmeldank oder
Himmeldank, ein hoher Berg in der Rhön. Hier
her gehören auch die bei Kehrein 12 ) angeführten
nassauischen Flurnamen: die obere und untere
Dunge, Düngboller, Dinkbolder(berg), Dünge
stück, Dinkelstüoker, in der Dunkel, Dunkel
born, Dunkelsbacb, Dünkelrod, Dünkelstein,
Dunkelsoblag, Dunkerswies, Dunkelfeld usw.,
die rheinischen Flurnamen: in der Donk, Hüls-
*) Vgl. meine Ausführungen in der Zeitschrift deS Ver-
eins für Bolkskunde (Berlin) 1914. Heft 3. €>. 289 ff.
'1 Fuldaer Geschichtsblätter 1907, S. 102; 1912, S. 82 ff.
") Das Dorf liegt ähnlich wie Ungedanken zwischen
zwei Bergen eingeklemmt.
’*) Volkssprache und Volkssitte in Naffau 3, E. 370,
374, 384.