Full text: Hessenland (28.1914)

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in Frankreich verspricht keinerlei Erfolg. Was 
etwa dort sich schließlich nachweisen lassen könnte, 
wie z. B. ein Gérard Don im Museum von Mont 
pellier, ist durch so viele Hände auf dem Wege 
des Kunsthandels gegangen, daß der rechtmäßige 
Besitz in diesen Fällen nicht zu bestreiten sein 
wird. Was den in Brüssel verlorenen Tintoretto 
anlangt, so ist er aller Wahrscheinlichkeit nach doch 
identisch mit dem Bild, das von dort 1817 zurück 
geholt wurde; es ist das Bildnis eines alten 
Mannes, das in der Galerie jetzt als „Bassano" 
ausgestellt ist. Als unrechtmäßiges Eigentum einer 
französischen Sammlung wäre eigentlich nur der 
oben erwähnte Rubens in Caen und der Rave- 
steyn in Toulouse anzusprechen, falls dieser dort 
noch vorhanden sein sollte. 
Es muß daher zeitig davor gewarnt werden, 
sich bezüglich der Erfolge, die der Krieg für die 
Kasseler Sammlung bedeuten könnte, übertriebenen 
Hoffnungen hinzugeben. Die Verluste der Jahre 
1806 und 1807 waren tatsächlich — immer mit 
der einen Ausnahme der Ermitage-Bilder — nicht 
so bedeutend, wie oft und übertreibend behauptet 
worden ist. 
(HLtten wir eine Ahnung davon gehabt,- daß, wie der Herr Verfasser im Eingang mitteilt, dies« Frage seit AnSbruch de- Krieges 
schon viele Kaflelaner beschäftigt, so würden wir unsern Artikel als überflüsfig unterlassen haben. Wir fühlten uns lediglich deshalb zu 
unserer Veröffentlichung veranlaßt, weil während der verflossenen sechs KriegSwochen in keiner einzigen der hefstfchen Zeitungen, die doch 
sonst tausenderlei Anregungen brachten, aus diesen Gegenstand hingewiesen wurde. Unser Aussatz, der sich lediglich auf die bisherigen Ar 
beit«» von Stengel, Dunckrr usw. stützte, hat nun zunächst den erfreulichen Erfolg gehabt, daß von berufenster Sette, von Herrn Galerie» 
direktor Dr. Gronau, in dankenswerter Weife die Verluste der Valerie genauer festgestellt .wurden, Verluste, deren Ersatz wahrlich drS 
Schweißes der Edlen wert ist. Wenn wir auch im Schluß unseres Aufsatzes zum Ausdruck brachten, daß die Aussichten einer Zurück 
gewinnung nur gering fein mögen, so müssen wir nach wie vor daran festhalten, daß von den einschlägigen Instanzen alles, aber auch alles 
darangesetzt werden müßte, diesen Versuch zu ermöglichen, und wir geben unS der begründete« Zuversicht hin, daß man rS daran nicht fehlen 
lassen wird. Die Redaktion.) 
4»-«. 
Im Siegessange der «Wacht am Rhein". 
Von Heinrich Röser. 
Es war am 6. August gegen Morgen. Ein 
schweres Gewitter hatte sich über der Stadt Schmal 
kalden zusammengezogen. Hell zuckten die Blitze, 
dumpf krachte der Donner, und der Regen rann; 
in Strömen hernieder. Dann wurde es still; die 
Naturgewalten hatten sich gelegt. Ruhig, im däm 
mernden Morgen, lag die alte Lutherstadt. 
Ich war längst wach und angekleidet und blickte 
vom Fenster des Vaterhauses über die rötlichen 
Dächer gen Osten zu den Asbacher Bergen, um 
noch einmal die Heimat zu grüßen, die ich als 
Kriegsfreiwilliger zu verlassen mich anschickte. Und 
während ich so hinausschaute und die würzige 
Morgenluft atmete, da erhob es sich plötzlich von 
ferne wie ein zweites Gewitter. Durch die engen 
Gassen der Stadt brauste, immer näher und näher, 
der „Ruf wie Donnerhall, wie Schwertgeklirr und 
Wogenprall". . Ins Feld ziehende Schmalkalder 
Reservisten waren es, die dies Kampf- und Sieges 
lied ihres Landsmannes in dm jungen Tag sangen, 
dessen Sonne nach durchstürmter Nacht doppelt 
schön zu leuchten begann. In langen Reihen zogen 
sie an Karl Wilhelms Denkmal vorbei, wo die 
Stadtkirche und das historische Rathaus stehen, hin 
zum Bahnhof, und stolz und mächtig erscholl aus 
liederfrohen Kehlen der Treuschwur der Scheidenden: 
„So lang ein Tröpfchen Blut noch glüht, 
Noch eine Faust den Degen zieht 
Und noch ein Arm die Buchse spannt, 
Betritt kein Welscher deinen Strand." — 
Seitdem singt, von jenen denkwürdigen ersten 
Tagen des August ab, das ganze Deutschland dies 
erschütternde Lied, das ganze Deutschland, das 
man „von der Memel bis zum Bodensee wie eine 
Pulvermine aufbrennen und von Gewehren starren" 
sieht, das wie ein märchenhafter Recke nach drei 
Seiten gegen Haß, Hinterlist und Gemeinheit wütend 
schlägt. Als ein durch Bluttaufe geweihter Schlacht 
gesang braust „Die Wacht am Rhein" wieder durch 
feindliches Land — Schwert und Schild den Un 
sern, Höllengesang den Besiegten. Das Ganze ein 
kuror tsutonicus! — 
Schon vor dem Kriege von 1870/71 wurde das 
Lied gedichtet. Der Schwabe Max Schnecken 
burger, am 17. Februar 1819 zu Thalheim in 
Württemberg geboren und am 3. Mai 1849 zu 
Burgdorf bei Bern gestorben, verfaßte es, wie der 
Theologieprofessor Hundeshagen zu Bonn 1870 
nachgewiesen hat, als einundzwanzigjähriger Jüng 
ling im November 1840 als flammenden Protest 
gegen welsches Rheingelüst. Kurz darauf, Anfang 
Dezember desselben Jahres, vertonte es I. Men 
del, Organist und Gesanglehrer in Bern, für 
vierstimmigen Männerchor. Mendel war es auch, 
der den Kehrreim des Liedes, 
„Lieb Vaterland, magst ruhig sein. 
Fest steht und treu die Wacht am Rhein", 
geschaffen hat. Indes sind diese beiden Zeilen 
nicht von Mendel, sondern Schneckenburger hat sie 
bereits in seiner „Rheinwacht", dem Tage-
	        

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