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in Frankreich verspricht keinerlei Erfolg. Was
etwa dort sich schließlich nachweisen lassen könnte,
wie z. B. ein Gérard Don im Museum von Mont
pellier, ist durch so viele Hände auf dem Wege
des Kunsthandels gegangen, daß der rechtmäßige
Besitz in diesen Fällen nicht zu bestreiten sein
wird. Was den in Brüssel verlorenen Tintoretto
anlangt, so ist er aller Wahrscheinlichkeit nach doch
identisch mit dem Bild, das von dort 1817 zurück
geholt wurde; es ist das Bildnis eines alten
Mannes, das in der Galerie jetzt als „Bassano"
ausgestellt ist. Als unrechtmäßiges Eigentum einer
französischen Sammlung wäre eigentlich nur der
oben erwähnte Rubens in Caen und der Rave-
steyn in Toulouse anzusprechen, falls dieser dort
noch vorhanden sein sollte.
Es muß daher zeitig davor gewarnt werden,
sich bezüglich der Erfolge, die der Krieg für die
Kasseler Sammlung bedeuten könnte, übertriebenen
Hoffnungen hinzugeben. Die Verluste der Jahre
1806 und 1807 waren tatsächlich — immer mit
der einen Ausnahme der Ermitage-Bilder — nicht
so bedeutend, wie oft und übertreibend behauptet
worden ist.
(HLtten wir eine Ahnung davon gehabt,- daß, wie der Herr Verfasser im Eingang mitteilt, dies« Frage seit AnSbruch de- Krieges
schon viele Kaflelaner beschäftigt, so würden wir unsern Artikel als überflüsfig unterlassen haben. Wir fühlten uns lediglich deshalb zu
unserer Veröffentlichung veranlaßt, weil während der verflossenen sechs KriegSwochen in keiner einzigen der hefstfchen Zeitungen, die doch
sonst tausenderlei Anregungen brachten, aus diesen Gegenstand hingewiesen wurde. Unser Aussatz, der sich lediglich auf die bisherigen Ar
beit«» von Stengel, Dunckrr usw. stützte, hat nun zunächst den erfreulichen Erfolg gehabt, daß von berufenster Sette, von Herrn Galerie»
direktor Dr. Gronau, in dankenswerter Weife die Verluste der Valerie genauer festgestellt .wurden, Verluste, deren Ersatz wahrlich drS
Schweißes der Edlen wert ist. Wenn wir auch im Schluß unseres Aufsatzes zum Ausdruck brachten, daß die Aussichten einer Zurück
gewinnung nur gering fein mögen, so müssen wir nach wie vor daran festhalten, daß von den einschlägigen Instanzen alles, aber auch alles
darangesetzt werden müßte, diesen Versuch zu ermöglichen, und wir geben unS der begründete« Zuversicht hin, daß man rS daran nicht fehlen
lassen wird. Die Redaktion.)
4»-«.
Im Siegessange der «Wacht am Rhein".
Von Heinrich Röser.
Es war am 6. August gegen Morgen. Ein
schweres Gewitter hatte sich über der Stadt Schmal
kalden zusammengezogen. Hell zuckten die Blitze,
dumpf krachte der Donner, und der Regen rann;
in Strömen hernieder. Dann wurde es still; die
Naturgewalten hatten sich gelegt. Ruhig, im däm
mernden Morgen, lag die alte Lutherstadt.
Ich war längst wach und angekleidet und blickte
vom Fenster des Vaterhauses über die rötlichen
Dächer gen Osten zu den Asbacher Bergen, um
noch einmal die Heimat zu grüßen, die ich als
Kriegsfreiwilliger zu verlassen mich anschickte. Und
während ich so hinausschaute und die würzige
Morgenluft atmete, da erhob es sich plötzlich von
ferne wie ein zweites Gewitter. Durch die engen
Gassen der Stadt brauste, immer näher und näher,
der „Ruf wie Donnerhall, wie Schwertgeklirr und
Wogenprall". . Ins Feld ziehende Schmalkalder
Reservisten waren es, die dies Kampf- und Sieges
lied ihres Landsmannes in dm jungen Tag sangen,
dessen Sonne nach durchstürmter Nacht doppelt
schön zu leuchten begann. In langen Reihen zogen
sie an Karl Wilhelms Denkmal vorbei, wo die
Stadtkirche und das historische Rathaus stehen, hin
zum Bahnhof, und stolz und mächtig erscholl aus
liederfrohen Kehlen der Treuschwur der Scheidenden:
„So lang ein Tröpfchen Blut noch glüht,
Noch eine Faust den Degen zieht
Und noch ein Arm die Buchse spannt,
Betritt kein Welscher deinen Strand." —
Seitdem singt, von jenen denkwürdigen ersten
Tagen des August ab, das ganze Deutschland dies
erschütternde Lied, das ganze Deutschland, das
man „von der Memel bis zum Bodensee wie eine
Pulvermine aufbrennen und von Gewehren starren"
sieht, das wie ein märchenhafter Recke nach drei
Seiten gegen Haß, Hinterlist und Gemeinheit wütend
schlägt. Als ein durch Bluttaufe geweihter Schlacht
gesang braust „Die Wacht am Rhein" wieder durch
feindliches Land — Schwert und Schild den Un
sern, Höllengesang den Besiegten. Das Ganze ein
kuror tsutonicus! —
Schon vor dem Kriege von 1870/71 wurde das
Lied gedichtet. Der Schwabe Max Schnecken
burger, am 17. Februar 1819 zu Thalheim in
Württemberg geboren und am 3. Mai 1849 zu
Burgdorf bei Bern gestorben, verfaßte es, wie der
Theologieprofessor Hundeshagen zu Bonn 1870
nachgewiesen hat, als einundzwanzigjähriger Jüng
ling im November 1840 als flammenden Protest
gegen welsches Rheingelüst. Kurz darauf, Anfang
Dezember desselben Jahres, vertonte es I. Men
del, Organist und Gesanglehrer in Bern, für
vierstimmigen Männerchor. Mendel war es auch,
der den Kehrreim des Liedes,
„Lieb Vaterland, magst ruhig sein.
Fest steht und treu die Wacht am Rhein",
geschaffen hat. Indes sind diese beiden Zeilen
nicht von Mendel, sondern Schneckenburger hat sie
bereits in seiner „Rheinwacht", dem Tage-