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geringwertigsten Stücke, Bilder ohne nennenswerte
Bedeutung.
Aber es sind nun durchaus nicht alle die an
dern Bilder über Malmaison in die Ermitage gs-.
kommen. Nach den zuverlässigsten Angaben, die
hierin alle übereinstimmen, betrug die Zahl der
Bilder, die der russische Kaiser von den Erben
Josephinens erwarb, 38*); tatsächlich lassen sich
auf Grund des großen amtlichen Katalogs der
Ermitage 37 Nummern als aus Malmaison her
stammend nachweisen: nur eine Nummer habe ich
nicht auffinden können. Bon diesen 37 Bildern
haben aber 16 der Kasseler Sammlung niemals
angehört, wie sich aus unseren alten Inventaren
mit Bestimmtheit nachweisen läßt. Es sind dies
folgende in dem genannten Artikel aufgeführten
Bilder: R. del Colle (eine Kopie nach Raphael),
Luini, Tizian-Kopie, Tintoretto, Reni, Cagnacci,
Cigoli, einer der beiden Carlo Dolci, einer der
beiden Schidone, Lombard, Rubens, Ter Borch,
ein van der Werff, ein Potter (der Wolfshund),
ein Berchem, à van der Heyde.
Die verbleibenden Bilder, 21 an der Zahl, ent
stammen der Kasseler Galerie; hierunter eine Reihe
vom allerhöchsten, künstlerischen Rang. Speziell
die sogenannten vier Tageszeiten von Claude
Lorrain (der jetzt in der Galerie ganz fehlt), der
Meierhof von Potter, die Amsterdamer Ansicht
van der Heydens, das Frühstück von Metsu, der
Schützenaufzug und die Wachtstube von Teniers,
die heilige Familie von A. del Sarto, endlich
die „große Kreuzabnahme" Rembrandts würden
dazu beitragen, den Ruhm der Kasseler Galerie
als einer der qualitativ erlesensten Sammlungen
der Welt noch heller strahlen zu lassen.
Was ist nun aus den übrigen Bildern, die in
den durch Lagrange aufgegriffenen Kisten verpackt
gewesen waren, geworden? Hierauf kann ich eine
nur unvollkommene Antwort geben.
Es ist sicher, daß von den 45 Bildern dieser
Reihe, die in Verlust geraten sind, 16 in der
Ermitage sich befinden (die übrigen fünf kamen
auf einem anderen Wege aus Kassel nach Mäl-
maison); 17 Bilder lassen sich in den verschiedensten
öffentlichen und privaten Sammlungen des Jn-
und Auslandes nachweisen, in die sie oft aus
dritter und vierter Hand auf dem Wege des Kunst-
handels gelangt sind. So z. B. befinden sich nicht
weniger als vier dieser „Lagrange-Bilder" im
Privatbesitz des Königs von England, in der über
aus gewählten Galerie in Buckingham-Palace;
*) Als Kaufsumme gibt der amtliche große Katalog
der Ermitage 940 000 Francs an. Ob in diesem Preis
die 3 Statuen von Canova einbegriffen sind oder nicht,
geht aus der dortigen Angabe nicht hervor.
unter diesen dasjenige Werk, das außer den auf
geführten Bildern der Ermitage für unsere Samm
lung den schmerzlichsten Verlust bedeutet: „Christus
erscheint der Magdalena als Gärtner" von Rem
brandt, eines der tiefst empfundenen Werke des
Meisters. Gegenüber diesem einen Bild wiegen
die andern nicht allzu schwer; es sind zumeist
Werke jener überzierlichen und geleckten Richtung
der Malerei, die zwar bei fürstlichen Sammlern
des 1B. Jahrhunderts sehr beliebt war, heute aber
kaum dem gleichen Gefallen begegnen würde. Zu
dieser Gruppe rechne ich auch zu einem gewissen
Grade die Caritas von Leonardo da Vinci, die
zwar seinerzeit sehr hoch eingeschätzt wurde, heute
aber auf dem Kunstmarkt kaum einen besonderen
Preis erzielen würde. Dieses bedeutende, aber
nicht sehr erfreuliche Bild, das von allen Fach
leuten als eine Arbeit des Leonardo-Nachahmers
Giampetrino erkannt ist, befindet sich jetzt im Besitz
des Fürsten zu Wied auf Schloß Neuwied, wohin
es aus dem Besitz König Wilhelms von Holland
durch Erbschaft gelangt ist. — Es verbleibt dem
nach von den „Lagrange-Bildern" ein Rest von
12 Nummern, über deren Verbleib es mir bisher
nicht gelungen ist, irgend welche Nachrichten zu
erlangen.
Nun ist freilich die Verlustliste der Galerie damit
noch bei weitem nicht erschöpft. In dem Vorwort
zu dem großen Galerieinventar, das er 1816 an
legte, hat Robert auch alles, was sonst währen
der französischen Herrschaft abhanden gekommen
ist, mit gewohnter Sorgfalt zusammengestellt. Hier
beziffert er die Zahl der durch Jérôme entwendeten
Bilder auf nicht weniger als 280 Nummern; unter
der Regierung von Lagrange seien weitere 48
Bilder abhanden gekommen und durch Denon ohne
Empfangsbestätigung „mitgenommen und rein ge-
stolen" noch 20. Aus der Zahl dieser Bilder
lassen sich nun fünf in der Ermitage nachweisen*);
einzelne andere sind hier und da im Kunsthandel
aufgetaucht.
Doch darf man, was auf diese Weise unserer
Sammlung verloren gegangen ist, ebenfalls nicht
überschätzen. Es kommt nach einer neueren An
schauung, die sich immer stärker Bahn bricht, ja
nicht in erster Linie auf die Zahl der Kunstwerke
an, die eine öffentliche Sammlung vorführt, als
auf deren Qualität; und da, darf man sagen, hat
die Sammlung (mit Ausnahme der Malmaison-
Bilder der Ermitage) eine verhältnismäßig geringe
Einbuße erfahren.
Ein Nachsuchen nach ehemaligen Kasseler Bildern
*) Das ergibt mit obigen 16 die Zahl von 21
Bildern, die sich bestimmt aus unserem Besitz dort vor-