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in die Lust sprengen, wie Landgraf Georg II. von Darm
stadt in einem Briefe vom 14. Dezember 1647 klagt,
das sechste, das ihm von Kasselischen fast innerhalb
Jahresfrist zerstört worden war. 1650 wurde unterhalb
des alten Schlosses ein neues Amtshaus gebaut. Jedoch
hat man es zerfallen lassen, und 1770 die Baumaterialien
nach Gladenbach gebracht, nachdem zuvor einzelne Teile
auf Abbruch verkauft worden waren. Am 1. Juli 1771
erhielten Leute der Umgegend die Erlaubnis, im ver
schütteten Keller des Schlosses nach Schätzen zu graben.
Über den Erfolg ist nichts bekannt. Die Trümmerreste
wurden nach Landesart als wohlfeiler Steinbruch be
nutzt, so daß nur noch wenig davon übrig geblieben ist.
Das Gericht Blankenstein zerfiel in Untergericht und
Obergericht. Für beide Gerichte war die Gerichtsstätte
in Gladenbach. Ungeboten Ding wurde gehalten auf
Dreikönigstag, Jnvokavit, Trinitatis, Jacobi, Matthäi,
sonstige Gerichtstage nach Bedürfnis. Blankenstein war
auch höhere Instanz für Nachbargerichte. — Ein Gang
auf den Burghügel und Besichtigung der geringen Reste
der Burganlage schloß sich an; prachtvoll war bei dem
wundervoll klaren Wetter der Blick auf die umgebenden
Berge. Die Rückfahrt, die schon um! 6 Uhr angetreten
wurde, bot noch Gelegenheit zu einem Gang in das
Dorf Niederwalgern, wo besonders die Anlage des
ehemals befestigten Friedhofs und die (leider durch
moderne Restauration beeinträchtigte) Kirche mit dem
stattlichen und interessanten Turm besichtigt wurden.
Marburger Hochschulnachrichten. Dem
Geh. Rat Professor Dr. K o r s ch e l t, der bereits zum
drittenmale ehrenvolle Rufe an andere Universitäten
ablehnte, wurde von der gesamten Studentenschaft ein
imposanter Fackelzug dargebracht. Der hervorragende
Zoologe wirkt bereits über zwei Jahrzehnte an der
Marburger Hochschule und hat sich namentlich während
seines Rektoratsjahres durch sein Eintreten für die
akademischen Rechte der Marburger Studentenschaft
deren Sympathieen erworben. — Der im 62. Lebens
jahre stehende Ordinarius der alten Geschichte Professor
Dr. Elimar Klebs, wird krankheitshalber in diesem
Semester von seinem Lehramt zurücktreten. — Der feit-*
herige Bibliothekar Dr. Berger an der Breslauer
Universitätsbibliothek wurde in gleicher Eigenschaft nach
Marburg versetzt. — Der seitherige Obergehilfe des
Botanischen Gartens in Güttingen August Stein
berger wurde zum Garteninspektor des Botanischen
Gartens der Universität Marburg ernannt. — Die medi
zinische Fakultät erneuerte dem Geheimen Sanitätsrat
Dr. Ab 6 e in Marburg anläßlich seines 50 jährigen
Doktorjubiläums das Diplom.
Dingelstedts 100. Geburtstag gab der ge
samten deutschen Presse Anlaß zu einer Würdigung des
Dichters. In Wien fand eine Gedächtnisfeier im
Burgtheater und eine solche am Grabe statt. An einer
Zentenarfeier in Rinteln, wo Dingelstedt seine
Jugendjahre verlebte, nahm die gesamte Bürgerschaft
teil. Hier, wo auch ein Dingelstedt-Museum die Erinne
rung an den Dichter festhält, feierte man ihn in erster
Linie als den Landsmann, den Dichter der Heimat, von
der er einst schrieb: „Ich weiß nicht, welche alte
kindische Sehnsucht mich immer nach diesem Fleckchen
Erde zieht, wo meine Erinnerungen begraben liegen"
Auf dem Marktplatz zu Rinteln hatte sich an langen
weißgedeckten Tafeln alt und jung zu einem Heimatfest
vereinigt. Musik, Aufführungen, Vorträge und Volks
tänze wechselten einander ab. Beim Festakt vor dem
Museum entwarf Kandidat Heumann ein Lebensbild des
Dichters und vor dem Rathause wurde nach einer An
sprache des Bürgermeisters Dr Wachsmuth der Grund
stein zu einem Dingelstedt-Brunnen gelegt, — Gleich
falls unter regster Anteilnahme der Bevölkerung legte
man auf dem Questenberg bei Münden, der einen
weiten Blick in die Flußtäler der Fulda, Werra und
Weser gestattet, den Grundstein zu einem Weserlied-
Denkmal. Nach dem Vortrag von Solo- und Chorgesängen
hielt Geh. Studienrat Dr. Buchholz als Vorsitzender des
Denkmalausschusses die Weiherede, der zehn weitere
Weihesprüche folgten. Das vollendete Denkmal, eine
offene Halle, die auf drei Tafeln den Text des Weser
liedes und auf zwei Feldern die von Eberlein geschaffe
nen Medaillons Dingelstedts und Pressels aufweisen wird,
soll im September enthüllt werden. — In Weimar
hat man eine Straße beim Theater nach Dingelstedt
benannt. — Ein Vergleich des Weserliedes in der
Dingelstedtschen Fassung von 1845, die erheblich von
derjenigen von 1877 abweicht, mit der Bearbeitung
Pressels zeiyt übrigens, daß Presse! textlich nur ge
ringe Abweichungen vorgenommen hat. Er hat aus
den 5 Dingelstedtschen Strophen drei gemacht, indem er
Strophe 1 und 2 und ebenso Strophe 4 und 5 zu je
einer neuen Strophe vereinigte und der dritten Strophe
bei Dingelstedt dessen zweite noch einmal anfügte. —
Bezüglich des von uns im vorigen Heft veröffentlichten
Porträts sei noch bemerkt, daß es als das beste Bild
aus der Jugend des Dichters gilt, wie uns dessen
Tochter Baronesse Susanne Dingelstedt mitteilte.
Todesfälle. Immer kleiner wird die Schar jener
alten Kurhessen, die noch unter dem alten Löwenbanner
in den Waffen gestanden haben. — Wieder hat der Tod
in kurzer Zeit zwei klaffende Lücken in ihre Reihen
gerissen. Am 10. Juni starb zu Wilhelmshöhe im
84. Lebensjahre Oberstleutnant v. Hundelshausen,
der Schwiegersohn des in Altkassel sehr bekannten letzten
Kommandeurs des kurhessischen Schützenbataillons August
von Oeynhausen (f 1874), und zehn Tage später in
Wildungen Oberst Breithaupt, 72 Jahre alt, beide
aus altbekannten hessischen Familien stammend. — Der
am 20. Juni in Bad Wildungen verstorbene Oberst a. D.
Siegmund Breithaupt war in Kirchhain am
9. März 1843 als Sohn' des Baurats Christian Gotthelf
Friedrich Breithaupt und der Elisabeth, geb. Maus ge
boren. Nachdem er seine erste Ausbildung im elterlichen
Hause genossen hatte, besuchte er die Gymnasien in Fulda,
Marburg und Kassel und trat am 1. Juli 1859 in das
Kadettenkorps in Kassel ein. Am 2 . Juni 1862 als
Portepeefähnrich in das Artillerie-Regiment in Kassel ein
rangiert, wurde er am 2 . Oktober d. I. zum Sekonde-
leutnant befördert. Als solcher machte er den Feldzug
gegen Preußen bei der reitenden Batterie mit, bzw.
gehörte mit dem Regiment zur Besatzung der Landes
festung Mainz, hier bei den schwierigen Mobilmachungs
und Armierungsarbeiten besonders hervortretend. Am
30. Oktober 1866 wurde er von Preußen übernommen
und als wirklicher Artillerie-Offizier in das Fuß-
artillerie-Regiment Nr. 4 versetzt. Als Premierleutnant
kam er dann am 21. April 1868 in das Feldartillerie-
Regiment Nr. 4 und machte in diesem, anfänglich
bei der schweren Reserve-Batterie, vom 21. August
1870 ab bei der 2. leichten Reserve-Batterie den Feld
zug gegen Frankreich mit. Beim Korps Werder nahm
er teil an den Belagerungen von Schlettstadt, Neu-
Breisach und Belfort, außer verschiedenen kleineren Ge
fechten an dem Gefecht von Billersexel und an der drei
tägigen Schlacht an der Lisaine. Mit dem Eisernen Kreuz
2 . Klaffe geschmückt kehrte er heim. Am 15. August 1872