Full text: Hessenland (28.1914)

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die Altstadt zur Unterneustadt sowie weiter über die 
Leipzigerstraße geht. Der Fuhrverkehr ist auf der Markt 
gasse nur aufwärts zugelassen. Abwärts ist die Markt 
gasse gesperrt und die Wagen sind gezwungen, anstatt 
die Marktgasse auf eine Länge von 150 Meter zu be 
nutzen, den Graben und die Brüderstraße in einer Länge 
von 500 Meter zu durchfahren. Das bedeutet also für 
den überaus starken Wagenverkehr in jedem Falle eine 
Wegeverlüngerung von 1/3 Kilometer. Ebenso ist die 
Straßenbahn von dem Verkehr durch die untere Markt 
gasse ausgeschlossen und zu einem Umweg genötigt, 
der jedem ihrer Fahrgäste einen Zeitverlust von etwa 
vier Minuten verursacht. Indem man also die untere 
Marktgasse in den Stand setzt, den ihr zukommenden 
Verkehr aufzunehmen, wird man die gesamte Unterneu 
stadt, Bettenhausen und den Forst den übrigen Stadt 
teilen erheblich näher bringen und einen großen volks 
wirtschaftlichen Gewinn an Zeit erzielen. Man wird 
deshalb sagen dürfen, daß auch derjenige, der nicht 
allzuleicht geneigt ist, die Verkehrsrücksichten zu über 
schätzen, in diesem Falle anerkennen muß, daß hier 
ein wirkliches Verkehrsbedürfnis vorhanden ist. Es 
kommt hinzu, daß für die Bewohner der Altstadt die 
ihnen seit längerer Zeit in Aussicht gestellte Verbreite 
rung ihres Hauptstraßenzuges von wesentlicher Be 
deutung ist und daß diese Verbreiterung geeignet ist, 
das geschäftliche Leben in der Altstadt zu heben. 
Als die billigste Art der Durchführung des Planes 
hat sich eine Verbreiterung der Nordseite der Marktgasse 
ergeben. Die Verbreiterung der Südseite vorzunehmen, 
erwies sich als nicht unerheblich teurer. Die Ver 
breiterung ist an den schmälsten Stellen auf 11 Meter- 
vorgesehen. Das ist eine Breite, bei der sich nach den 
an anderen Stellen gemachten Erfahrungen auch der 
stärkste Verkehr bewältigen läßt. Die Breite der beiden 
oberen Drittel der Marktgasse schwankt im allgemeinen 
zwischen 81/2 und 12 Meter. Auf dieser Breite läßt 
sich der über die Straße gehende Verkehr fortleiten. 
Eine allmähliche Verbreiterung wird hier infolge der 
Festsetzung der Fluchtlinie durch ein Zurücktreten der 
Neubauten zu erzielen sein. — Die Steigung steht 
einer Freigabe des Verkehrs nicht entgegen. Sie be 
trägt an der steilsten Stelle der unteren Marktgasse 
1 : 16,4. Das ist nicht mehr als am mittleren Teile 
der Marktgasse, der sogar nur 15,8 hat, und weniger 
als am untersten Teil der Kölnischen Straße zwischen 
Spohrstraße und Königsplatz, der 1 : 16 hat. Eine Frei 
gabe der Straße für jeglichen Wagenverkehr nach ihrer 
Verbreiterung erscheint deshalb unbedenklich. Ebenso 
hat sich auch die Straßenbahnverwaltung bereit erklärt, 
die Straßenbahn auf ihre Kosten durch die verbreiterte 
Straße zu legen. — Die Verträge mit den Grundstücks 
besitzern sind so abgeschlossen worden, daß sie die Bau 
plätze alsbald zurückkaufen und verpflichtet sind, sie 
innerhalb zweier Jahre zu bebauen. Dadurch wird 
erzielt, daß die Stadt nicht genötigt ist, Bauplätze aus 
zubieten und daß die Straße in einem Zuge neu er 
richtet wird. — Die Eigentümer haben sich näheren Vor 
schriften darüber unterwerfen müssen, wie sie die Bauten 
in einer dem Stadtbild angemessenen Weise zu er 
richten haben und sind in dieser Hinsicht allen An 
weisungen des Stadtbauamtes unterworfen, so daß zu 
erwarten ist, daß hier ein Beispiel geschaffen wird, in 
welcher Weise solche Umbauten zweckmäßig hergestellt 
werden. Eine Ausnahme macht nur das Grimm- 
tz a u s. Mit Rücksicht auf die historische Bedeutung des 
Grimmhauses und seine hervorragende Stellung im 
Straßenbilde — insbesondere von der oberen Markt 
gasse her — würde der Abbruch dieses Hauses bedauer 
lich erscheinen und übrigens auch zweifellos auf Schwie 
rigkeiten bei der Heimatschutzbehörde stoßen. Das Grimm 
haus wird in seinem Erdgeschoß auf eine Tiefe von 
4,3 Meter auf Stützen gestellt, die derart angeordnet 
sind, daß sie 11/2 Meter von der Hausflncht zum Zwecke 
der Fahrdammverbreiterung zurückstehen und infolge 
dessen ein 21/2 Meter breiter Fußgängcrweg durch das 
Haus hindurchläuft. Es wird also eine sogenannte 
Laube hergestellt. Ein Verkehrshindernis wird das 
Grimmhaus auf diese Weise nicht bilden. 
Zur Ausführung dieser Pläne sind außer dem 
Grimmhause sechs Grundstücke anzukaufen. Der Kauf 
preis für diese sieben Grundstücke beträgt insgesamt 
423 000 Mark. Die Straßenbaukosten sind mit 18 OOO 
Mark veranschlagt, die Stempelsteuer und Nebenkosten 
mit 40000 Mark, so daß insgesamt 481 000 Mark er 
forderlich sind. Als Gegenwert steht dem das Grimmhaus 
gegenüber, das der Grundstücksverwaltung zu dem Ein 
kaufspreise von 90 000 Mark übertragen wird. Es 
bleiben also 391 000 Mark aufzubringen. Diesen Betrag 
bewilligten die Stadtverordneten unter der Bedingung, 
daß 1. die vom Magistrat vorgesehene neue Fluchtlinie 
für den unteren Teil der Marktgasse festgesetzt wird: 
2 . über die von der Straßenbahnverwaltung mündlich 
zugesicherte Verlegung der Straßenbahn durch die untere 
Marktgasse ein Vertrag zustande kommt: 3. die Polizei 
verwaltung den Wagenverkehr durch die untere Markt 
gasse frei gibt; 4. die Baupolizeibehörde die Zustimmung 
zu dem vom Magistrat geplanten Umbau des Grimm 
hauses gibt. Der Magistrat hofft, diese Verhandlungen 
vor dem 1. Juli zum Abschluß zu bringen.
	        

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