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nehmen muß, daß der Wille Sr. Königlichgn
Hoheit des Kurfürsten darauf beharre, über die
hierin enthaltenen Zugeständnisse nicht hinaus
zugehen, so darf ich mich in Betreff dieser, schon
vielfach erörterten Bestimmungen nunmehr aller
dings genügend unterrichtet glauben. Nur in
Ansehung der von Ew. Hochwohlgeboren noch
besonders erwähnten Vorausbedingung, welche
Se. Königliche Hoheit der Kurfürst hinsichtlich
der von Sr. Hoheit dem Kurprinzen zu er
neuernden Urkunde festgesetzt haben, dürfte mir,
da dieser Gegenstand in den Verhandlungen neu
hinzukommt, und ich weder in meiner emp
fangenen Instruktion, noch in den mir bekannt
gewordenen Schriften hierüber eine genügende
Leitung finde, der dringende Wunsch erlaubt sein,
diejenigen Erläuterungen zu empfangen, welche
mich allein in den Stand setzen können, auch in
diesem Bezüge den Absichten Sr. Königlichen
Hoheit mit aller Sorgfalt und Beeiferung, die
ich meinem Aufträge zu widmen habe, nach dem
Maße der sich darbietenden Möglichkeiten bestens
zu entsprechen. Ebenso dürfte mir sehr wünschens
wert sein, über einige andere Punkte, wegen
deren ich in Bonn leider nur allzu große
Schwierigkeiten zu finden fürchte, mancher An
sichten Sr. Königlichen. Hoheit, wonach mein
Benehmen sich bestimmter anordnen ließe, nicht
unkundig zu bleiben. Demnach bin ich so frei,
Ew. Hochwohlgeboren ergebenst zu ersuchen, mir
in einer mündlichen Besprechung, deren Ort und
Stunde von Ihrer näheren Bestimmung abhängen
wird, die erforderlichen Andeutungen der von
Sr. Königlichen Hoheit gehegten Willensmeinung,
die ich in dieser Sache Ihnen als völlig bekannt
voraussetzen kann, gefälligst zu erteilen. Ich darf
hierbei mit Wahrheit versichern, daß ich nichts
eifriger wünsche, als Se. Königliche Hoheit durch
die Tat überzeugen zu können, wie sehr ich in
dieser Angelegenheit, deren glückliches Ergebnis
freilich von Umständen abhängt, die außerhalb
des mir gestatteten Bereiches liegen, dennoch
jedes Vertrauen zu rechtfertigen hoffe, welches
Höchstihrerseits hiebei in mich gesetzt werden
möchte!
Indem ich Ew. Hochwohlgeboren geneigter
Antwort entgegensehe, habe ich die Ehre mit dem
Ausdruck der ausgezeichnetsten Hochachtung er
gebenst zu verharren
Ew. Hochwohlgeboren
gehorsamster
K. A. Barnhagen von Ense.")
Kassel, den 7. Februar 1827. 18
18 ) Abschrift in Varnhagens Nachlaß, sub voce
Meysenbug.
Inzwischen war jedoch in den Anschauungen des
Kurfürsten eine versöhnliche Wendung eingetreten.
Als Meysenbug am Vormittag des 11. Varnhagen
im „König von Preußen" seine Aufwartung machte,
konnte er ihm die erfreuliche Aussicht eröffnen, daß
Serenissimus nicht abgeneigt sei, seinem Schwager
jenes Schiedsrichteramt einzuräumen, dessen An
erkennung der Kurprinz als oonäitio sine qua non
jedes Ausgleichs bezeichnet hatte. Daß die An
sichten, die Barnhagen am 6. der Gräfin Reichen
bach und ihrem Bruder Hetzer von Rosenfeld gegen
über — jedenfalls ganz im Wittgensteinschen Sinne,
d. h. unter strikter und durchaus korrekter An
erkennung der bexeits am 25. September 1822
vertraglich festgelegten Stellung der Favoritin —
während eines Abendessens beim General von
Haynau entwickelt, mit diesem Zugeständnis zu
sammenhingen, ist kaum zu bezweifeln. Jedenfalls
bildete es eine Handhabe zu weiteren Verhand
lungen und veranlaßte am 12. Meysenbug, Varn
hagen zu ersuchen, seine Abreise noch einige Tage
aussetzen zu wollen, „indem" noch einige An
stände beseitigt und einige Ausfertigungen gemacht
werden sollten, worüber er sich demnächst münd
lich äußern werdet 8 ) Der Kurfürst zeigte sich nun
plötzlich „sehr freundlich"; er äußerte zu dem
Grafen Wilhelm Hessenstein, wenn man Barnhagen
näher kennen lerne, könne man- ihn gut leiden;
Schmincke sagte ihm fast unter Serenissimi Augen
„manches Vertrauliche" und die Gräfin Reichen
bach ließ sich dazu herbei, ihn durch Herrn von
Hänlein zum nächsten Morgen zu sich zu bitten.
Die Unterredung zwischen beiden dauerte drei
Stunden und verlief anscheinend bewegt. Die
Favoritin gab sich „sehr offen und vertraulich",
sie äußerte bitter, daß sie durchaus nicht zu be
neiden sei und die Freuden ihrer Stellung von
Herzen gerne der Kurfürstin überlassen würde. Sie
ging dann auf die Haltung der letzteren und des
Kurprinzen ein, behauptete, „man suche in ihr
immer wieder dm Kurfürsten zu kränken" und ge
stand endlich, daß sie um ihre und ihrer Kinder
Zukunft besorgt sei und eine Sicherstellung durch
eine fremde Macht, am liebsten durch Preußen,
wünsche. Varnhagen erklärte offen, Friedrich Wil
helm III. werde sich nie dazu verstehen; er emp
fehle ihr aber ein Mittel, durch das der Kurfürst
seinen Sohn im Schach halten könne: die Ein
führung einer ständischen Verfassung. Man höre
das Wort ungem und besonders Serenissimus sei
ihm „herzlich gram", weil er darin eine Beschrän
kung seiner eigmen Gewalt erblicke; allein es finde
sich Rat für alles, nach und nach könne man' die
Billett Meysenbugs an Varnhagen, im Original in
dessen Nachlaß.