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Schutz unseren Bäumen.
Ein Beitrag zum Kapitel „Heimatschutz" von Wilhelm Pieper
Das deutsche Gemüt. Wie ein goldenes warmes
Sonnenflimmern seh ich's durch die Lande ziehen.
Und das Erdenfleckchen ist gesegnet, das sein
Himmelslicht im Vorüberhuschen flüchtig küßt.
Gedichte und Lieder sprießen blutfarbigen Blumen
gleich und alle Schönheit wird groß und alles
Gute. Wie ein Rätsel steht es vor der Forschung.
Geht man indes seinem Ursprung nach, dann wird
offenbar, daß dieses Edelweiß nur im Rahmen der
heimischen Flur, des heimischen Stadtbildes ge
deihen konnte. In den spitzen Giebel- und Turm
nischen der deutschen Stadt, in der dämmervollen
Stille uralter Gotteshäuser, in den efeuüberwucher
ten Sagenschätzen altersgrauer Burgen klammern
seine Wurzeln. Sein Duft atmet in den knor
rigen Linden am Brunnen, in den sturmzerzausten
Buchen und Ulmen der Kreuze am Wege und es
webt und glitzert in den sprühenden Wasserstäub
chen des rauschenden Mühlbachs. Und dann schreitet
es, selbst ein Märchen, auf goldenen Schuhen
durch märchendunkle und märchenstille deutsche
Wälder, durch versonnen träumendes Heideland.
Und dann rauschen die Wipfel das ewig alte
und ewig neue Lied von deutscher Waldesherrlich
keit, und die Blumen leuchten heller und duften
schöner, und ein Singen und Klingen zieht mit
ihm.
So ist das deutsche Stadtbild, die deutsche Land
schaft eine Trägerin des deutschen Gemütes. In
unserer Jetztzeit der nüchternen Erwägungen, die
rücksichtslos über ideelle Werte hinwegschreitet, muß
diese Tatsache unserm Volk immer nachdrücklicher,
immer eindringlicher in Erinnerung zurückgerufen
werden. Eine Volksparole muß das „Schutz der
Heimat" werden, jeder Einzelne soll ein Apostel
der Heimatschutzmission sein. Darum haben die
Heimatschutzfreunde ihre Wünsche zu einem duf
tigen Blumenstrauß vereint und stellen ihn als
Morgengabe auf den Tisch eines jeden deutschen
Hauses. Lichtblau, wie ein Himmelsauge, steht
bescheiden versteckt unter jener Blumenfülle ein
zartes Vergißmeinnicht. „Vergesset die Bäume
unserer Heimat nicht" bittet es. Ich sehe Euch
ungläubig lächeln' „Wozu denn Baumschutz, wo
doch Nachwuchs in Fülle vorhanden ist." Begleitet
mich ein Weilchen durchs sonnige Land und Ihr
werdet Euch von der Berechtigung des Rufes nach
Baumschutz überzeugt haben. Seht die Felder dort.
Wo blieben die Ahornbäume, die Eschen und Buchen,
die als Landmarken den Rain begrenzen müßten'
Sie gaben Euch Hoffnung und Kraft, wenn der
Frühlingssturm über die Felder brauste, sie
gaben Euch Schatten im Sommer, brachten Leben
und Poesie in das Landschaftsbild, und ihr Rauschen
kündete in des Spätsommers schwerem Fruchtsegen
die Allmacht des Schöpfers. Und kam dann der
Herbst, dann zog es wie ein Jauchzen und Leuchten
durch die Flur, und wie auf vollen starken Armen
trugen Äste und Zweige seiner Farbenglut satte
Schönheit. Die Ahornbäume, die Eschen und
Buchen sind verschwunden, und öde und tot ist
jetzt die Landschaft. Schaut hier die Wegekreuzung'
Wo blieben die prächtigen Ulmen? Und dort das
Bächlein im Wiesengrund, was geschah mit den
Pappeln, die das Ufer säumten? Ich höre es noch
im Geiste, ihr immerwährendes Raunen und Flü
stern, das Hohelied der Gottesnatur. — Nun ist
es verstummt. Krämergeist und engherzige Ge
winnsucht rissen mit roher Hand nieder, was herr
lich und edel in Eurer Flur war, und mit den
niederbrechenden Stämmen ging ein gut Teil
Heimatliebe. Da drüben, links ab von der Land
straße liegt behäbig und breit ein geräumiger
Bauernhof. Die wetten Dächer und langen Stall
gebäude künden von Wohlhabenheit, aber ver
gebens sucht das Auge nach den trutzigen Wächtern
an des Hofes Saum. Was deutsche Großväter
und ihre Vorfahren weit zurück, getreu einer
schönen deutschen Sitte, schufen, den grünen Kranz
von Eichen und Linden rings um das Gehöft, das
haben ihre Enkel mit Axt und Säge vernichtet.
Das Wiegenlied der Generationen, das der nächtliche.
Wind in ihren gewaltigen Kronen saug, ist verklun
gen. Die wetterharten grünen Riesen breiten nicht
mehr ihre schützenden Arme über die tiefen Dächer,
und über die Giebel hinweg schaut mit starrem
Auge die Ode. Raub am Heimatgut, schweren
Frevel an deutscher Art beging die Hand, die die
Axt an die Wurzel der Stämme legte. Die Nach
kommenschaft wird ihr dafür keinen Dank wissen.
Aber diese darf nicht die Hände in den Schoß legen
und beklagen, was Unverstand und Einfalt zer
störte. Forstet die Haine wieder auf, pflanzt wieder
Buchen, Eichen und Ulmen rings um das Haus,
stellt eine Linde vor die Türe, denn dieser Ehren
platz gebührt ihr. Sie ist der Hort des deutschen
Gemüts, der Schutzgeist germanischer Art. Du
Königin Linde, du Märchenbaum in deutscher Flur'
Deutsche Dichtung und deutsches Lied haben dir
wundersame Blütenkränze gewoben. Mit Blüten
kränzen behängen ist dein Stamm, mit duftenden
Blüten übersät sind deine Zweige, Blüten, die
nimmer welken. Und wer dein Bild mitnimmt in
die Fremde hinaus, um den ist es geschehen. Die
Sehnsucht zieht mit ihm, das Heimweh nach deutscher
Erde. Keine Freude fesselt ihn und kein Glück.
Bei Tag rufst du ihn und bei Nacht, bis er zurück
gekehrt ist zu dir.
„Schutz den Bäumen'" Man sollte das schon
der Jugend zu bedenken geben. Jeder Baum ist
ein Lebewesen der Natur. Wird seine Rinde zer
schnitten, ist seineLebenskraft geschwächt, sein Wachs
tum unterbunden. Er verblutet. Wie die Tiere,
so haben auch die Bäume ein Anrecht auf Schutz.
Dann aber vor allen Dingen ist ein schön gewach
sener Baum ein Kunstwerk. Vernichtet man ein