Full text: Hessenland (27.1913)

Heffenland 
Hessisches Heimatsdlatt 
Zeitschrift sür hessische Geschichte, Volks- und Heimatkunde, Literatur und Kunst 
Nr. 11. 27. Jahrgang. Erstes Juni-Heft 1913. 
Hersfeld und die Landgraffchafl Hessen im 14. und IS. Jahrhundert. 
Von Dr. H. Butte, Kassel. 
Die Geschichte Hersfelds, wo auf engem Raum 
in Stift und Stadt scharfe Gegensätze aufeinander 
stoßen. bietet an sich schon viel des Interessanten, 
sie läßt eigenartige Persönlichkeiten erwachsen, 
kriegerische Äbte, die ihr Fürstentum, dessen Selb 
ständigkeit unaufhaltsam dem Ende zugeht, bis zum 
letzten verteidigen, und Bürger von diplomatischer 
Begabung wie den Schöffen Brückenmüller im 14.. 
den Schultheißen Gerwig im 15. Jahrhundert. Die 
Geschichte Hersfelds im 14. und 15. Jahrhundert 
spiegelt aber zugleich in einer eigenartigen Weise 
größere Entscheidungen wieder, die draußen im 
Hessenlande ausgetragen wurden, als die Land 
grafen in schweren Kämpfen die politischen Klein 
gewalten und den großen Gegner, das Mainzer 
Erzbistum, niederwarfen und den Grund legten 
zu einem einheitlichen Gebäude des hessischen Landes 
staates. 
Ich will mit einem Bilde beginnen. 
Wir kommen hier aus Kassel und nähern uns 
Hersfeld von Norden her, dem Laufe der Fulda 
entgegen. Wir schreiben den 20 . April 1418, 
morgen ist der Festtag des heiligen Vitalis. Es 
beginnt Frühling zu werden: überall frisches Grün, 
und die starken Wälle der mittelalterlichen Stadt, 
die da vor uns auftaucht, schauen freundlicher aus 
als sonst, ihr wehrhaftes dorniges Gestrüpp prangt 
in dem weißen Blütenschmuck des Weißdorns. Da 
hinter aber steigen schwer und trutzig die starken 
Mauern und Stadttürme Hersfelds auf, dieselben, 
auf die sich schon im 14. Jahrhundert der Schöffe 
Brückenmüller berief, als der Abt Berthold von 
-Völkershausen den Bürgern seinen Zorn androhte: 
„Sie hätten so starke Mauern und tiefe Gräben, 
sie wollten schon wieder zu Gnaden kommen." 
Ganz hinten zeigen sich eben noch die Türme und 
das Dach der prachtvollen Stiftskirche, die noch 
keines französischen Marschalls Hand in Brand gesteckt 
hatte, eins der schönsten Denkmäler des romanischen 
Baustils und ein repräsentatives Zeichen der Macht 
und Größe der gefürsteten Reichsabtei Hersseld 
aus ihrer Glanzzeit, dem Zeitalter des Hohen- 
staufen. Aber weiter vorn, inmitten des städtischen 
Mauerrings, taucht trotzig der schwere vierkantige 
Turm der Stadtkirche auf, damals höher als jetzt 
und mit scharfer Spitze; wie im bewußten Gegen 
satze steht er da zu jenem alten Dome, ein Zeichen 
des selbstbewußten Bürgertums, das nach Unab 
hängigkeit strebt aus der geistlichen und staatlichen 
Herrschaft der Stiftsherren und des Fürstabtes. 
Wir nähern uns der Stadt. Auf den Wiesen 
am Geisbache hin sehen wir weithin die weißen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.