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Lins (der übrigens seit langem in der rheinischen
Kunststadt selbst wohnt), Julius Jung, Richaxd
Jeschke und Julius Helln er, so individuell ver
schieden auch die einstigen Anregungen verarbeitet
und durch eigenes Naturstudium erweitert sind.
Julius Jung ist mit einer Reihe erfreulicher, wenn
auch technisch nicht immer gleich flotter Leistungen
vertreten. Die Heimat gab ihm eine schöne, ein
fache Winterlandschast, in der schwere dunstige Lust
das Einsetzen des Tauwetters verkündet, ferner eine
in starken Kontrasten von Hell und Dunkel sprechende
Abendstimmung mit den Silhouetten eines großyn
Weidenbaumes und eines darunter sitzenden Schäfers.
Mehrere der Jungschen Motive sind aus Holland
geholt. Das eine — „Holländischer Kanal"
weckt eine starke optische Illusion der typischen end
losen holländischen Ebene, die nur von einzelnen
Windmühlen und Gehöften und hie und da v^n
weidende» Kuhherden unterbrochen wird. Ein anderes
Bild zeigt eine Gruppe von Frauen, die Ausfahrt
von Fischerbarken nach Eintritt der Flut bei dro
hendem Gewölk beobachtend, ein weiteres gibt eiste
Impression des rauch- und dunstersüllten Rotter-
damer Hafens. Richard Jeschke, der manchmal
Härten und Unstimmigkeiten der Farbe nicht ganz
vermeidet („Wald bei Ihringshausen", „An der
Bode bei Thale") bringt eine sehr schöne, frisch
und einheitlich gesehene, von herbstlichem Dufte er
füllte Fernsicht in der Dörnberggegend, I. v. Krey-
felt, Kleinsassen, eine im Tone charakteristische
Vorfrühlingslandschast aus der Rhön. I. H e l l n er
malte eine Partie aus dem Ahnatal mit desn
intressanten Gewirr der Baumstämme, die ein Erd
rutsch aus der ursprünglichen Richtung ihres Wachs
tums gedrängt hat.
Die figürliche Malerei ist spärlich vertreten. Ein
lebensvolles und farbig eigenartiges Damenporträt
von Fritz Rhein hebt sich beträchtlich hervor. Von
Arno Weber, Lehrer an der Kunstgewerbeschule,
verdient ein gut studierter, leider durch seine Um
gebung im Bilde beeinträchtigter Knabenakt genannt
zu werden. In den Jnnenräumen von C. Geist
ist versucht, menschliche Gestalten, einzeln oder ln
Gruppen, komplizierten Lichtwirkungen unterzuordnest.
Die Energie, mit der Geist diesen schwierigen Pro
blemen nachgeht, erfordert Achtung. In einer
größeren, vielfigurigen Komposition „Symphonie"
zeigt sich ernstes Studium, wenn auch das Ziel,
die völlige und ausschließliche Konzentration gus
die einheitliche malerische Wiedergabe der Licht
wirkung noch nicht erreicht ist. Nur von dieser
wollte der Künstler ausgehen, doch kam ihm sein
Wissen von den Formen, wie sie sind, zuweilen
störend in die Quere.
Aus zeichnerischem und graphischem Gebiet bringen
Richard Jeschke, H.Neumann-München,G.Brau-
müller- Wiesbaden (farbige Holzschnitte) mancher
lei Gutes. I e s ch k e s Zeichnungen vom Orangerie
schloß, seine Putten, seine männlichen und weiblichen
Figuren gehören zu den Leistungen, vor denen man
gerne verweilt. Wie liebevoll sind hier die Eigen
heiten des Barockstils empfunden, wie sein und weich
die Formenmodellierung mit dem Stifte nachgebildet'
Zeichnungen, wie diese, haben — des Gegenstandes
wegen — außer dem künstlerischen einen kultur
historischen Wert und sollten aus öffentlichen Mitteln
erworben werden.
Die Plastik vertreten H. W e d d i g-Flensburg,
Professor H. Dürr ich und Fritz Cauer, der nicht
gut beraten war, als er außer dem vortrefflichen
bronzenen Aktfigürchen des „Schaufflers" und dem
farbig behandelten Porträtrelief einer Dame noch
seine anderen Arbeiten, namentlich das Steinrelies
(Mädchenakt), ausstellte. H. Weddig, der schon
früher durch seine Bronze „Knabe mit Schale"
ausfiel, erweist seine Begabung und seine gute Schule
aufs neue durch die streng aus eine bestimmte Haupt
ansicht gearbeitete Figur eines sitzenden Pavians.
Zu dem Vorzüge einer klaren, geschloffenen Sil
houette kommt die packend lebendige Modellierung
der Formen, die ausdrucksvolle Gestaltung des
Funktionellen. Professor H. Dürrich erfreut durch
kleinere plastische Arbeiten, die dem kunstgewerb
lichen Gebiete angehören. Es sind zwei Tierfiguren
(Bär und Hahn) aus ziselierter vergoldeter Bronze,
die originell stilisiert sind und die Aufgabe erfüllen,
als praktischer Gebrauchsgegenstand (Schirmgriffe)
zu dienen und gleichzeitig streng künstlerischer Schmuck
zu sein.
Der Leser wird in dieser knappen Übersicht vieles
nicht finden, was der Katalog verzeichnet. Welche
Absicht aus dieser „Unvollständigkeit" spricht, wird
nicht zweifelhaft sein. Es genügt mir anzudeuten,
wo sich ernsthaftes künstlerisches Streben und tüch
tiges Können regt. Zum Schluffe aber kann ich
der Hängekommission der Ausstellung gegenüber eine
Bemerkung nicht zurückhalten: Das Gesamtbild hätte
niit etwas mehr Geschick anziehender gestaltet werden
können.