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und eine Wiese auf einer früheren, jetzt bewaldeten
Hute heißt noch die Tränkst ein wiese.
Auf diese Weise lassen sich eine Reihe von Flur
namen ohne Schwierigkeit erklären, vor allen Hunds-
burg (z. B. bei Kerstenhausen 2 ") und Hundeburg
(im Burgwald bei Oberrosphe), Huneburg (bei
Wasungen), Hunburg (bei Dreihausen) und die
bereits erwähnten Hüneburgen und hünischen
Bürgen (Vilmar, Idiotikon 178), im Hundestall
(zwischen Oberrieden und Orpherode), Hundstall * 80 ),
Hühnerstall 80 ), Hühnergestell 80 ), Stallberg
(häufig in Hessen, am bekanntesten der mit einer
Ringwallburg versehene Stallberg im Kreise Hün-
feld), Stahlberg (bei Heckershausen), Stellberg
(z. B. südlich von Kleinsassen, bei Homberg, in der
Söhre, zwischen Wollrode und Wattenbach im Kreis
Melsungen und sonst noch, auch ein Dorf Stellberg
mit einem Stellbergbach zwischen Dalherda und
Thalau), Stollberg (z. B. am Knüll und im
Harz), der Binderstall mit Stellgraben (Forst
Eiterhagen), im Kunstall 81 ) 1564, der Ochsen
stall auf einem Hundsriick (bei Steinbach-Hallen-
berg zwischen Seligental und Kleinschmalkalden),
Stellerskuppe (bei Hersfeld), zahlreiche Gemar
kungsnamen wie hinter dem Stall (Gemarkung
Oueck, Grafschaft Schlitz), Stallweg (Gräflich
Götzischer Wald), Königsstuhl usw.
Die aus Stein bestehenden Umwallungen haben
in der Regel als Grundwort -bürg (z. B. Vieh
burg 82 * ), Schäferburg, Kühburg 88 ), Hunburg),
-stein (z. B. Hünstein, Hünenstein, Wendel
stein 84 * ), -statt (z. B. Hundsstatt), -stall, -gestell,
-gesesse, -gesäss (z. B. Hunnengessesse 86 ),
Hüttengesäss 86 ), -haus 87 ) (z. B. Yiehaus auf
dem Meißner), -hos (z. B. Viehhof), die sogenannten
Landwehren, die aus Pfählen und Buschwerk er
richtet waren, haben meist als Grundwort -hagen,
* 9 ) Mit den Flurnamen Hundshaoh, Kuhberg und
Roßgrund in unmittelbarer Nähe. Auch „Hünengräber"
finden sich dort. Zeitsch. f. heff. Gesch. 8, 98.
80 ) Stall, Stelle, Bezeichnung für ein Gehege, Lager
für Weidevieh (Buck, a. a. O. 268).
") Buck a. a. O. S. 148.
**) z. B. zwischen Wartburg und Hohe Sonne, dicht dabei
eine „Sängerwiese", umgedeutet aus .Sennewiese"
Vgl. dazu Heff. Bl. f. Volkskunde II, 225.
") Buck a. a. O. S. 148: einst ummauertes Kuhlager.
**) Umgedeutet aus Wende-Wennestein (vgl. Wende-
Wehneberg) zu ahd. winne „Weideplatz" gehörig, ebenso
wie Wendelgart. Vgl. dial. Wengeberg u. Wengernalp.
") Kehrein a. a. O. S. 218 u. 141. AuS ahd.
gesaeze „Sitz, Niederlassung".
**) Das Bestimmungswort hier umgedeutet aus älterem
hüte „Weideplatz" wie in Hüttenbach. Hüttenwiese, Hütten
berg. Hüttengraben, Hüttenkopf .Hüttenmühle, Hüttenroda.
Hüttenpfuhl usw.
*’) Dagegen ist Hundshausen (bei Jesberg) aus Hunoldes-
husen entstanden.
-hahn (z. B. Hundshagen, Hunehagen 88 ), Hunc-
hagen 88 ), -hecke (z. B. Hundshecke bei Goß
felden), -gart(en) (z. B. aufm Hungert mit
H ungertsborn bei Michelbach), -pfalz. meist ent
stellt zu -balz (z. B. Hühnerbalz, Hahnebalz,
Hirschbalz) usw. Wie Kluge, Etymol. Wörter
buch (Straßburg 1883) S. 251 bemerkt, weist
ahd. pfalanza nicht, wie die herrschende Annahme
ist, auf lateinisch palatium, sondern auf mlat.
palantium, ,murus‘ fastigium,palitium ,contextus
ac series palorum' hin. Wir haben somit „Pfahl
burg. Pfahlbezirk" als Grundbedeutung des Wortes
Pfalz anzunehmen. Vgl. hierzu die nassauische.n
Flurbezeichnungen 8 ") Hühnerpfalz, in der Pfalz,
Pfälzerstück, Pfalzhalde, ferner Pfalzgraf 40 ) aus
älter.em Pfahl(s)grave, ein sich auch in Hessen
wiederholt findender Flurname, der in der Schwalm
gegend zum Familiennamen geworden ist.
In den obigen Ausführungen glaube ich zur
Genüge den Beweis geführt zu haben, daß bei dem
Namen Hundsrück die germanische Weidegemein
schaft und Weidekultur eine große Nolle spielt, daß
der Name schlechthin nicht erklärt werden kann,
wenn wir die Rechtsverhältnisse und Einrichtungen
ehemaliger Weidewirtschaft außer Spiel lassen.
Doch wird man hier wie auch sonst bei Flurnamen
erst dann zwischen Hypothese und sicherem Ergebnis
unterscheiden können, wenn eine bis ins einzelne
gehende und auf sorgfältigster Grundlage ruhende
Flurnamensammlung abgeschlossen aus allen Teilen
unseres deutschen Vaterlandes vorliegt. Daß bei
Heranziehung von mehr Material, als mir bis
jetzt zu Gebote stand, meine Darlegungen noch
überzeugender wirken werden, ist sicher möglich.
Soviel steht schon jetzt fest, daß wir es hier mit
einem Namen zu tun haben, der nach Jllgners
eignen Worten „mit der Lebensweise unserer
Vorfahren vor einem Jahrtausend zusammenhängt".
Die Flurnamenforschung wäre zweifellos schon viel
weiter gekommen, wenn die Gelehrten die Bedeutung
und den Umfang germanischer Weidekultur als eine
der wichtigsten Kulturperioden unserer Germanm
vor der festen Besiedelung und zur Zeit der be
ginnenden Anfiedlung mehr erkannt und gewürdigt
hätten.")
Nach Abschluß meiner Abhandlung finde ich
meine obigen Darlegungen durch den bekannten
Volkswirtschaftler August Meitzen bestätigt, der
") Wyß, Urkundenbuch III, a. 1305.
") Kehrein a. a. O. S. 516.
") Buck a. a. O. S. 202.
41 ) Auch Herr Regierungsrat Jllgner hat mir das brief
lich auf Grund feiner umfassenden örtlichen Beobachtungen
zugestehen müffen.