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Die althessische JamMe Duystng.
(Schluß.)
An der Patriarchen-Gloriette, wohl dem schönsten
Aussichtspunkt der Erde, fand man stets Natur-
freunde, und da diese auch liebenswürdige Menschen
sind, wurde man bald bekannt. So lernten wir
dort die Familie des berühmten Malers Grahl, der
sämtliche Souveräne Europas porträtiert hatte,
kennen, und mein Liebling war deren jüngste zehn
jährige Tochter Ella, die ganz unzertrennlich von
mir wurde. Einst sagte sie in der Wandelbahn,
die Hände faltend: ,Jetzt kommt der liebe Gott?
Ich folgte ihren Blicken und verstand sie. Es war
der Fürstbischof von Olmütz, Graf Szapary, eine
geradezu überweltliche Erscheinung, mit schönem
weißen Haar, ein Greis von 86 Jahren im dunkel-
lila Talar, mit großem silbernen Kreuz auf der
Brust. Die Katholiken küßten ihm die Hand oder
das Gewand, seine wundervollen Augen zeigten sich
wie eine Quelle von Liebe für die ganze Mensch
heit. Als er sich uns näherte, erhoben wir uns,,
ich erwachte aber erst wie aus einem Traum, als'
er mich fragte, ob er sich neben uns setzen dürfe,
der Platz sei ihm so lieb. Da trat er uns auch
menschlich näher, machte uns aus die Schönheiten
gerade dieses Blicks aufmerksam, fragte so väterlich
nach unserer Heimat, ob wir Schwestern seien, daß
wir so ziemlich unsere Lebensbeschreibungen kund
gaben, ohne an die Namen zu denken. Als unsere
Väter, welche im Lesezimmer die neuesten Zeitungen
gelesen, uns abholten, stellten sie sich vor und er
gänzten das Fehlende. Von da an suchten wir stets
nur diesen Platz aus und bewährten einen Sitz für
dm Bischof, der zwar nicht immer, aber doch oft
kam und manches segensreiche fromme Wort in
unsere jungen Seelen legte. Auf ein Telegramm
hin mußte er früher, als er beabsichtigte, nach Olmütz
zurück und lam noch nach dem Diner in großer
Gala in bas Hotel Straubinger, um Abschied von
uns zu nehmen. Alles erhob sich, auch die Pro
testanten. Er machte eine segnende Bewegung für
alle beim Eintreten, dann begrüßte er aber nur
Vater., und mich allein und sagte mir: Mögen nie
die häßlichen Gedanken der Welt dieser reinm Stirn,
die ich innerlich segne, nahen; dann werden wir uns
in den lichten Höhen wiedersehen, die ich bald er
kennen darf/ — Schon im Jahre 1852 las ich den
Tod des herrlichen Mannes in der Zeitung, welche
in langen interessanten Artikeln des segensreichen
Lebens dieses edlen Wohltäters der Menschheit und
feiner vielen Stiftungen gedachte, und betrauerte
ihn tief.
In den letzten Tagen vor unserer Abreise lernten
wir den berühmten preußischen General Wrangel
kennen, ehe wir in seinem mit der Kreideaufschrift
,Retour nach IM versehenen Wagen die Rückreise
antraten. Wrangel war der Gegensatz von Fürst
Windischgrätz in der Erscheinung, sehr beliebt, mit
unter drollig. Er reichte mir im Lesezimmer abends
einen Strauß Alpenrosen mit den 'Worten: ,Liebes
Kind, hier habe ich Ihnen etwas mitgebracht? Mit
freündlichem Dank sagte ich' .Aber Exzellenz, ein
Kind bin ich doch nicht mehr? Da wandte er sich
an unsere Umgebung mit der Bemerkung - .Das ist
gich da will ein Kiek in die Welt den alten Wrangel
Hofmeistern?
Gedenken möchte ich auch noch einer der schlichtesten
Gestalten aus den Reihen der Kurgäste, des Erz
herzogs Johann von Österreich, welcher seine Woh
nung selten verließ, aber wenn er sich zeigte, mit'
Verehrung begrüßt wurde. Während sein 15- bis
16 jähriger Sohn, der Gras Meran, als bildhübscher
Tiroler, mit dem Stutzen auf dem Arm, dem Gems-
bart am Hütchen, auf allen Bergen zu sehen war,
Dl« Recht, letzteren zu tragen, hatte er schon zwei
Jabre zuvor durch die Erlegung einer Gemse er
worben und war sehr stolz darauf. — Dann be
freundete sich der Vater auch noch mit seinem Tisch-
nachbarn, einem interesianten, etwas kolossalen Ruffen,
General von Kussowitsch, welcher anfangs seine
ärMchen Vorschriften gar nicht befolgte, sogar zwei
Bäder der starken Quelle täglich nahm und immer
hülftoser wurde. Da trat Vater ihm gegenüber
srenndfchaftlich, aber sehr energisch aus, bestimmte
seine Lebensweise, bat ihn dringend, wenigstens
versuchsweise auf den Arzt zu hören, -und hatte
bald die Genugtuung, ihn folgen und dadurch seine
G^undheit sich festigen zu sehen. Beim Abschied
darckte der Russe dem Vater herzlich für den großen
Anteil, welchen er sich an seiner Genesung erworben,
und sagte: .Bis dahin war ich ein durch unerbitt
liche Strenge gefürchteter Mann, in der Familie
wie im Beruf; jetzt will ich auch einmal versuchen,
ob; ich durch Milde und Festigkeit etwas erreiche,
un- dabei Ihrer gedenken!'
Vor 60 Jahren war eine Reife durch das Salz.
kaPmergut viel genußreicher als jetzt, wo die Eisen»
bah» an den schönsten Punkten vorüber jagt. In
alHn bedeutenden Orten fanden wir .Retouren',
M»gen mit 4 oder 2 Sitzen, auf deren Rückseite
diH-Koffer fest angeseilt wurden. Bei Regenwetter
werden sie geschloffen, während man bei gutem
Wßtter im offenen Wagen die schönsten Nah- und
Fernblicke genießen und die herrliche Lust einatmen
konnte. So brauchten wir 5 Tage von Gastein
bis zur Eisenbahn in Salzburg, und nahmen die