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er, allein oder neben anderen, im Besitze eines
Burgfitzes oder freien Hofes war. Mit dxr Zu
nahme der fürstlichen Macht hatte er dann, gleich
den anderen Landsassen, eine starke Einschränkung
seiner Rechte erfahren, indem gewisse Rechte dem
Fürsten allein vorbehalten wurden. Bei Weiter
entwickelung des Gedankens der Landeshoheit des
Fürsten und seiner über dem einfachen Eigentums
recht stehenden höheren Gewalt wurde das Jagd
recht nämlich bald nicht mehr als ein altes er
erbtes Recht angesehen, sondern als eine fürstliche
Vergünstigung, die der Landesherr mit seiner gesetz
gebenden Gewalt regeln oder beschränken kann.
Landau bringt zahlreiche Beispiele von solchem
Vorgehen der Landgrafen gegen den Adel, dem in
seinen eigenen Wäldern, meist mit Erfolg, das
Recht der hohen Jagd bestritten wurde; auch das
Verbot, außerhalb der landgräflichen Jagden Salz
laken aufzustellen, Wildhecken zu pflanzen, sowie
der Erlaß von Schonvorschriften u. a. fallen mit
darunter. Diese Entwickelung kam schon unter
Philipp dem Großmütigen zum Abschluß. Etwas
mehr Schwierigkeiten als der landsässige Adel
machten die Deutschordensherren, die sich in Ver
teidigung ihrer Rechte auf Privilegien des hl.
römischen Reiches berufen konnten. Doch waren
Ende des 16. Jahrhunderts fast alle derartigen
Fragen zu Ungunsten des Deutschordens gelöst,
wenn er auch immer wieder Versuche machte, eine
bessere Stellung als die übrigen adligen Landsassen
zurückzugewinnen.
Maßgebend für das Jagdrecht des Deutschordens
in Marburg war nun besonders der oben erwähnte
Karlstädter Vertrag von 1584 und der Kasseler
Vergleich von 1682, die die vorhandenen Streit
punkte zwischen Ballei und Fürst regeln sollten,
aber selbst teilweise so unklar gefaßt waren, daß
sie erst recht Anlaß zu weiterem Streit boten.
Der Artikel 16 des Karlstädter Vertrages hatte
als Hauptbestimmung, d§ß der Orden sowohl in
den Koppeljagden, d. h. den Jagden, in denen
neben ihm noch andere Adlige oder der Landes
fürst selbst das Jagdrecht hatten, als auch in seinen
eigenen Wäldern auf das Recht des hohen Weid
werks. d. h. auf Hirsch, Wildschwein und Reh,
verzichtete. Dafür verpflichtet sich der Landgraf,
jährlich zwei Hirsche und zwei Sauen in das
Deutsche Haus nach Marburg zu liefern und den
Landkomtur in allen seinen hergebrachten Jagd
rechten, soweit sie das „kleine Weidwerk", also
Hasen, Füchse, Hühner u. a. betreffen, zu schützen.
Ein Zusatz, daß etwa ohne Absicht mit in dem
Garn gefangene Rehe dem Landkomtur verbleiben
dürften, wurde wegen der schwierigen Kontrolle
Anlaß zu häufigem Streit. 1454 hatte der Orden
übrigens schon, wie Siegel in seinem Salbuch von
Lichtenau mitteilt, auch dort das Recht der hohen
Jagd an den Landgrafen abgetreten.
So war die Krone der Jagd, die Jagd auf
den edlen Hirsch und den wehrhaften Keiler, dem
Orden schon früh genommen und er durfte nur
noch das „kleine Weidwerk" ausüben mit Hetzen
und Fangen, aber nicht mit Schießen. Trotzdem
um 1600 die Armbrust fast völlig abgekommen
und auch auf der Jagd durch die Feuerwaffe er
setzt war (in unseren Quellen kommt sie gar nicht
mehr vor), war letztere nur den fürstlichen Jägern
frei; ein Gesetz schloß alle Landsassen von deren
Gebrauch aus; auch das wurde, da häufig Über
tretungen vorkamen, der Anlaß zu viel Hader und
Streit. Der sollte nun durch.den Kasseler Ver
gleich von 1682 geschlichtet werden, in dem die
Erlaubnis zum Schießen des Wildes, zu dessen
Jagd der Orden berechtigt war, gegeben wurde.
Wieder nicht völlig klar, denn die Deutschherrn
versuchten nun aus der Berechtigung, zufällig ins
Garn geratene Rehe zu behalten, das Recht ab
zuleiten, solche auch zu schießen. Dies wurde jedoch
von Hessen energisch bestritten und der Streit end
lich auf dem Appellationsgericht zu Marburg gegen
den Orden' entschieden. So sehen wir aus diesem
Überblick, wie oft Anlaß zu Irrtümern und Streit
gegeben war, besonders da die landgräflichen Be
amten oft in übertriebenem Pflichteifer oder aus
Schikane reine Lappalien anzeigten. Tatsächlich
wurden eine große Zahl von Prozessen anhängig
gemacht und teilweise auch bis ans Reichsgericht
getrieben, wo sie, bei deffen bekannter langsamen
Arbeit, oft lange dauerten.
An einzelnen Beschränkungen ihres Jagdrechtes
sei noch erwähnt, daß die Deutschen Herren ihre
Windhunde nur auf Hasen, nicht an Rehen hetzen
laffen dürften (was so ein dummer Hund natürlich
nicht immer kapieren wollte), daß die Stellstäbe
zu den Garnen nicht zu hoch, also den Rehen
und Hirschkälbern nicht gefährlich sein sollten, daß
in den an landgräfliche Hochwaldreviere anstoßenden
Feldjagden, also z. B. am Lahnberg, nur mit
höchstens zwei Bauernkötern oder andern unschäd
lichen Hunden gehetzt werden dürfte usw. Eine
Bemerkung in unsern Akten läßt noch auf ein
ferneres Vorrecht des Landgrafen, das der Vorjagd
an den gemeinsamen Jagden, schließen; als der
Landkomtur Phil. Leop. v. Neuhof auf der Jagd
den landgräflichen Windhetzer gleichfalls mit seinem
Lappzeug draußen findet, setzt er sofort seinen Lappen
ein und beschwert sich nur, daß er ihm nicht nach
alter Observanz mitgeteilt habe, daß er jagen wolle,
er wäre sonst daheim geblieben. Erst Ende dieser
Periode 1695 erwarb noch ein Landkomtur, Graf