Full text: Hessenland (26.1912)

«AtL. 317 
er, allein oder neben anderen, im Besitze eines 
Burgfitzes oder freien Hofes war. Mit dxr Zu 
nahme der fürstlichen Macht hatte er dann, gleich 
den anderen Landsassen, eine starke Einschränkung 
seiner Rechte erfahren, indem gewisse Rechte dem 
Fürsten allein vorbehalten wurden. Bei Weiter 
entwickelung des Gedankens der Landeshoheit des 
Fürsten und seiner über dem einfachen Eigentums 
recht stehenden höheren Gewalt wurde das Jagd 
recht nämlich bald nicht mehr als ein altes er 
erbtes Recht angesehen, sondern als eine fürstliche 
Vergünstigung, die der Landesherr mit seiner gesetz 
gebenden Gewalt regeln oder beschränken kann. 
Landau bringt zahlreiche Beispiele von solchem 
Vorgehen der Landgrafen gegen den Adel, dem in 
seinen eigenen Wäldern, meist mit Erfolg, das 
Recht der hohen Jagd bestritten wurde; auch das 
Verbot, außerhalb der landgräflichen Jagden Salz 
laken aufzustellen, Wildhecken zu pflanzen, sowie 
der Erlaß von Schonvorschriften u. a. fallen mit 
darunter. Diese Entwickelung kam schon unter 
Philipp dem Großmütigen zum Abschluß. Etwas 
mehr Schwierigkeiten als der landsässige Adel 
machten die Deutschordensherren, die sich in Ver 
teidigung ihrer Rechte auf Privilegien des hl. 
römischen Reiches berufen konnten. Doch waren 
Ende des 16. Jahrhunderts fast alle derartigen 
Fragen zu Ungunsten des Deutschordens gelöst, 
wenn er auch immer wieder Versuche machte, eine 
bessere Stellung als die übrigen adligen Landsassen 
zurückzugewinnen. 
Maßgebend für das Jagdrecht des Deutschordens 
in Marburg war nun besonders der oben erwähnte 
Karlstädter Vertrag von 1584 und der Kasseler 
Vergleich von 1682, die die vorhandenen Streit 
punkte zwischen Ballei und Fürst regeln sollten, 
aber selbst teilweise so unklar gefaßt waren, daß 
sie erst recht Anlaß zu weiterem Streit boten. 
Der Artikel 16 des Karlstädter Vertrages hatte 
als Hauptbestimmung, d§ß der Orden sowohl in 
den Koppeljagden, d. h. den Jagden, in denen 
neben ihm noch andere Adlige oder der Landes 
fürst selbst das Jagdrecht hatten, als auch in seinen 
eigenen Wäldern auf das Recht des hohen Weid 
werks. d. h. auf Hirsch, Wildschwein und Reh, 
verzichtete. Dafür verpflichtet sich der Landgraf, 
jährlich zwei Hirsche und zwei Sauen in das 
Deutsche Haus nach Marburg zu liefern und den 
Landkomtur in allen seinen hergebrachten Jagd 
rechten, soweit sie das „kleine Weidwerk", also 
Hasen, Füchse, Hühner u. a. betreffen, zu schützen. 
Ein Zusatz, daß etwa ohne Absicht mit in dem 
Garn gefangene Rehe dem Landkomtur verbleiben 
dürften, wurde wegen der schwierigen Kontrolle 
Anlaß zu häufigem Streit. 1454 hatte der Orden 
übrigens schon, wie Siegel in seinem Salbuch von 
Lichtenau mitteilt, auch dort das Recht der hohen 
Jagd an den Landgrafen abgetreten. 
So war die Krone der Jagd, die Jagd auf 
den edlen Hirsch und den wehrhaften Keiler, dem 
Orden schon früh genommen und er durfte nur 
noch das „kleine Weidwerk" ausüben mit Hetzen 
und Fangen, aber nicht mit Schießen. Trotzdem 
um 1600 die Armbrust fast völlig abgekommen 
und auch auf der Jagd durch die Feuerwaffe er 
setzt war (in unseren Quellen kommt sie gar nicht 
mehr vor), war letztere nur den fürstlichen Jägern 
frei; ein Gesetz schloß alle Landsassen von deren 
Gebrauch aus; auch das wurde, da häufig Über 
tretungen vorkamen, der Anlaß zu viel Hader und 
Streit. Der sollte nun durch.den Kasseler Ver 
gleich von 1682 geschlichtet werden, in dem die 
Erlaubnis zum Schießen des Wildes, zu dessen 
Jagd der Orden berechtigt war, gegeben wurde. 
Wieder nicht völlig klar, denn die Deutschherrn 
versuchten nun aus der Berechtigung, zufällig ins 
Garn geratene Rehe zu behalten, das Recht ab 
zuleiten, solche auch zu schießen. Dies wurde jedoch 
von Hessen energisch bestritten und der Streit end 
lich auf dem Appellationsgericht zu Marburg gegen 
den Orden' entschieden. So sehen wir aus diesem 
Überblick, wie oft Anlaß zu Irrtümern und Streit 
gegeben war, besonders da die landgräflichen Be 
amten oft in übertriebenem Pflichteifer oder aus 
Schikane reine Lappalien anzeigten. Tatsächlich 
wurden eine große Zahl von Prozessen anhängig 
gemacht und teilweise auch bis ans Reichsgericht 
getrieben, wo sie, bei deffen bekannter langsamen 
Arbeit, oft lange dauerten. 
An einzelnen Beschränkungen ihres Jagdrechtes 
sei noch erwähnt, daß die Deutschen Herren ihre 
Windhunde nur auf Hasen, nicht an Rehen hetzen 
laffen dürften (was so ein dummer Hund natürlich 
nicht immer kapieren wollte), daß die Stellstäbe 
zu den Garnen nicht zu hoch, also den Rehen 
und Hirschkälbern nicht gefährlich sein sollten, daß 
in den an landgräfliche Hochwaldreviere anstoßenden 
Feldjagden, also z. B. am Lahnberg, nur mit 
höchstens zwei Bauernkötern oder andern unschäd 
lichen Hunden gehetzt werden dürfte usw. Eine 
Bemerkung in unsern Akten läßt noch auf ein 
ferneres Vorrecht des Landgrafen, das der Vorjagd 
an den gemeinsamen Jagden, schließen; als der 
Landkomtur Phil. Leop. v. Neuhof auf der Jagd 
den landgräflichen Windhetzer gleichfalls mit seinem 
Lappzeug draußen findet, setzt er sofort seinen Lappen 
ein und beschwert sich nur, daß er ihm nicht nach 
alter Observanz mitgeteilt habe, daß er jagen wolle, 
er wäre sonst daheim geblieben. Erst Ende dieser 
Periode 1695 erwarb noch ein Landkomtur, Graf
	        

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