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noch eine Anzahl von Bestimmungen über die
Stipendiaten, Viehweiden und solche über die Jagd,
auf die ich später zurückkomme. Dieser so wider
spruchsvolle Vertrag gab natürlich zu fortwährendem
Streit Anlaß. Der Streit um die von Moritz ge
forderte Erbhuldigung gegen die Komture Wilhelm
v. Oeynhausen und Friedrich v. Hörde dauerte
mehrere Jahre, bis der Landgraf endlich seinen
Willen durchsetzte, auch wurden trotz des Karl
städter Vertrages die Orden unter seiner Regierung
vor landgräfliche Gerichte zitiert und Rechte des
Ordens hier und da geschmälert.
Günstigere Verhältnisse traten für den Orden
mit der Besetzung Oberhessens durch die Darm-
städter 1624 ein; Landgraf Ludwig stellte sich gut
zu ihm (leicht erklärlich, da beide auf kaiserlicher
Seite waren), versprach, ihn in allen seinen Rechten
zu schützen, und verzichtete auf die Erbhuldigung.
Ebenso war das Verhältnis im Anfang der
Regierung von Landgraf Georg II., der, ebenfalls
auf kaiserlicher, katholischer Seite stehend, mit dem
Deutschmeister freundschaftliche Briefe tauschte. Das
hinderte aber nicht, daß 1629 und 1630 der Ballei
Hessen die Gefahr drohte, durch das Restitutions«
edikt betroffen und rekatholisiert zu werden. (Inter
essante und mannhafte Briefe des damaligen
Landkomturs Joh. Fuchs und des hessischen Adels
gegen diese Versuche sind uns erhalten.) Die
Gefahr wurde zwar durch Gustav Adolfs Sieges
zug gehoben, aber nun griff Georg II. selbst zu
und besetzte 1631 das Deutsche Haus mit allen
in sein Gebiet fallenden Gütern, während Hessen-
Kassel und Thüringen die anderen Teile der Ballei
in Besitz nahmen. Georg entschuldigte sich damit,
er tue es, damit ihm kein anderer zuvorkomme, und
mußte schon 1635 nach dem Prager Frieden dem
Orden seinen Besitz zurückgeben; die anderen Güter
erhielt die Ballei aber erst 1648 wieder, und zwar,
wie z. B. Fritzlar, Felsberg, Wetzlar, Flersheim,
in trostlosem Zustande, oft geplündert, die Häuser
teils unbewohnbar, die Untertanen meist gestorben
und verdorben. Die stark exponierte Stellung, die
Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich erst als
Koadjutor des Deutschmeisters, dann selber Deutsch
meister, als Führer kaiserlicher, katholischer Heere
einnahm, läßt es uns erklärlich erscheinen, daß von
der Gegenpartei allen Deutschordens-Besitzungen
immer besonders übel mitgespielt wurde, und so
sind uns auch die Klagen der Landkomture in
Marburg verständlich, daß ihre Einkünfte derart
geschmälert seien, daß sie kaum selbst leben, geschweige
denn, ihren Verpflichtungen gegen das Hospital
und die Marburger Armen nachkommen könnten.
Ein neuer Streit folgte gleich nach dem Ende des
Krieges, als Amelie Elisabeth von dem damaligen
Landkomtur Daniel v. Habel, dessen Grabdenkmal
in der Elisabethkirche steht, die Erbhuldigung
forderte; auch daß Hessen-Kassel im Deutschen
Hause zu Marburg keine katholischen Ritter mehr
dulden wollte, war Gegenstand eines Streites, den
das Ordenskapitel in den 70er Jahren vor dem
Reichsgericht gegen Hessen führte. Einige Jahre
später hören wir von riesiger Schuldenlast der Ballei
Hessen und ihrer Häuser, die sich auf 28 000 Tlr.
belief. Die beiden letzten Komture, v. Weitfel
und v. Nordeck, hatten sie z. T. ohne die dazu
nötige Zustimmung des Deutschmeisters und des
Kapitels ausgenommen; in einem Vergleich wurde
ein Teil bezahlt, aber die Zahlung aller anderen
Schulden, zu denen die Einwilligung von Deutsch
meister und Kapitel gefehlt hatte, verweigert.
Ein neuer Streit mit Hessen-Kassel über die
Zulassung von Katholiken brach 1678 aus. Er
wurde durch Vergleichsverhandlungen in Marburg
1680, die 1681 und 1682 in Kassel ergänzt wurden,
beigelegt. Danach gab der Orden wieder mancherlei
Rechte auf. der Landkomtur mußte sich verpflichten,
zu allen Landtagen persönlich zu erscheinen oder
sich vertreten zu lassen, auch sein Teil an den
Steuern zu tragen. Der Konfessionsstreit wurde
so geregelt, daß künftig immer ein Deutschordens
ritter in Marburg Katholik sein sollte, der gleich
den übrigen gehalten und zu allen Ämtern Zutritt
haben sollte, die andern sollten zur Hälfte lutherisch,
zur Hälfte reformiert sein.
Aus den obigen kurzen Mitteilungen geht wohl
zur Genüge hervor, wie die Ballei Hessen die früher
allen Besitzungen des Deutschordens zustehende
Reichsunmittelbarkeit schon fast verloren hat und,
zu einer Versorgungsanstalt der Söhne des hessischen
Adels geworden, sich nur mühsam dagegen wehrte,
ganz auf den Rechtsstand der übrigen Landstände
herabgedrückt zu werden. Dieselbe Beobachtung
werden wir noch oft im einzelnen an dem Jagd
recht der Deutschen Herren machen.
I.
Was das Jagdrecht zunächst betrifft, so ist
es, wie Landau im ersten Kapitel seiner „Beitrüge*
für das übrige Heffen nachweist, noch beim Deutsch
orden eng mit dem Besitz von Grund und Boden
verknüpft gewesen; die Deutschen Herren hatten
also, wie noch oft in Prozeßen behauptet und be
wiesen wird, auf ihren Besitzungen früher das un
eingeschränkte Jagdrecht gehabt. Der allgemeinen
Entwickelung folgend war das Jagdrecht dann,
als die Freien immer weniger wurden, einigen
Mächtigen, gewöhnlich den adligen Gerichtsherren
allein zugefallen, und so durfte der Deutschorden
in allen den Gemarkungen die Jagd ausüben, wo