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Wenn du jetzt nun. rechts dich wendest.
Ganz des Flusses Laufe folgend.
So gelangst du, eh' dü's ahnest
Durch die blühenden Gehege
Und die fruchtbedeckten Fluren
An das heit're Dörfchen Keschstadt.
Keschstadt schlechtweg nur genannt,
Aber Kesselstadt zu schreiben.
Hirt nun liegt ein Schloßgebäude.
DaS der fürstliche Erbauer
Sich zum Ruhesitz erkoren
Und drum PhilippSruh genannt.
Schön und herrlich, groß. erhaben
Ist die Aussicht aus den Fenstern
Dieses Schlosses nach dem Main hin.
'£), der Mensch, er fühlt, versunken
In den wonniglichen Anblick
Bei dem Untergehn der Sonne,
Wenn fié ihre mag'schen Strahlen
Über die Gefilde breitet.
Seines ew'gen Schöpfers Güte.
An das Schloß dann stößt ein großer
Hübscher Garten, der vor Zeiten
t vch berühmt war durch die schönen
ppig blühenden Orangen.
Ich geleite Dich nun weiter
Durch die gut in Stand gehalt'ne
Pappelschnur nach Wilhelmsbad.
Wilhelm! Wilhelm! O, der Name
Dringt mit mächtiger Begeistrung
In der Heffen treue Herzen
Und erfüllet sie mit Ehrfurcht
Und mit grenzenloser Liebe.
Wilhelm nun. der Weise. Gute,
Den mit Recht man den Beglücker
Und den Vater seines Volkes
Nennt, ist der Erbauer
Und Begründer Wilhelmbads.
Schön ist die Idee des Ganzen.
Schön find auch des Ganzen Teile,
Wirksam ist die Turmruine
Und das Grabmal und der Tempel,
Rings umher vom Park umgeben.
Ferner ift : ein Bau vorhanden.
Wo famosen Pharo-Spielen
Und dem kouxe et noir man huldigt.
In demselben Bau befindet
Sich ein schöner, großer Tanzsaal,
Wo die reizenden Gestalten,
Deren Hanau viele fastet.
Rasch im Wirbeltanz sich drehen.
Sonntags und auch Mittwochs siehet
Man die schönsten Mädchen, Frauen
Zwa.r im besten Schmuck, doch sittsam
Nach der alten Mütter Weise
Züchtig auf- und niederwallen.
Hast du sattsam nun beäugelt
Diese bunten Herrlichkeiten.
Steht auch schon ein and'rer Garten,
Die „Fasanerie", dir offen.
Nirgends ungestümes Leben
Unterbricht die schöne Ruhe,
Weil der beff're Teil der Menschen
Diesen trauten Ort besuchet.
Jungfrau'n siehst du hier, die fröhlich
Spielen, scherzen, tanzen, fingen.
Aber alles mit dem Schleier
Zarter Weiblichkeit umgeben.
Reizend find sie, schön gebildet.
Doch die Perle ihrer Krone
Ist ihr fittig, zartes Wesen.
Willst du wieder in das bunte
Flimmernd« Gewühl der Menschen.
O. so richte deine Schritte
Nur dem nahen Teich entgegen.
So benennt man hier ein Wirtshaus,
Wo man Fisch gewöhnlich speiset.
Hanaus Bürger gehen fleißig
In dies sogenannte Teichhaus.
Fisch zu esten. Wein zu trinken
Oder auch ein Schälchen Kaffee. —
Jetzt umgeh'n wir. links uns haltend,
HanauS Schreckensort entgegen.
Wo am 30. Oktober
Bayerns Krieger kämpften, siegten.
Zwischen Stadt und Lamboywalde,
Auf dem großen, flachen Felde,
Kämpfte der Despot der Deutschen
Seinen letzten Kampf auf deutschem.
Heil'gem, nun ganz freiem Boden.
Frankreichs stolze Adler strengten
Ihre letzte Kraft umsonst an.
Und die blut'ge Schlacht von Leipzig
Sich im Kleinen hier erneute.
Doch die Adler wankten., flohen
Und der freie, deutsche Lorbeer
Sproßte hoch am heim'schen Boden;
Zwar mit edlem Blut getränket.
Und mit Millionen Tränen,
Die die Mütter und die Bräute.
Und die Väter und die Schwestern
Ihren Stützen, ihrem Liebling
In die dunkle Gruft nachweinten.
Schreitest längs dem Lamboywalde
Du stets vorwärts, immer vorwärts.
So gelangst du an den Nruhof
Und sodann auch an den Leerhof,
Beide von dem grimm'gen Feinde
Ausgeplündert, eingeäschert.
An dem Saum des Lambohwaldes
Stand auch jener Höllenrachen,
Der an jenem Schreckenstage
Hanau so in Flammen setzte.
Und so Manchen der Bewohner
In Minuten des beraubte.
Was seit Jahren er erworben.
Gehst du vorwärts, immer weiter.
Und durch wohlbestallte Felder,
Kommst du ohne Not und Mühe
Zum Steinheimer Tore wieder.
Hat der Weg.dir lang geschienen.
O, so gib nur nicht der Gegend.
Sondern mir nur. dem Befchreiber
Mir gib dreist nur alle Schuld.
HanauHkMärz 1815.