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ein „Ja, diese Frauen, sie tragen alle Süße in
unser Leben, man muß nur mit ihnen umgehen
können.!"
Ob Kornette zu den Frauen gehören würde, die
das Süße in unser Leben bringen? Doktor Hart
mut schalt sich einen Narren, was ging ihn dies
sremde Mädchen an!
Fortsetzung folgt.)
September.
Kommt dir das auch, dies leise Trauern,
In all' der goldnen Tage Pracht,
Das wehe, kalte Todesschauern,
Dieweil um weinumrankte Mauern
Der Frohsinn lacht —?
Reich' mir die Hände, beide, beide!
Vergib, vergiß, was ich dir tat! —
Weißt du, wie bald im schwarzen Kleide,
Geschmückt mit Tränenperlgeschmeide,
Die Rome naht — ?
Kennst du es auch, das stille Klagen,
Das geisternd durch die Lande zieht,
Dieweil noch Gärten Rosen tragen,
Und süß und weich wie Frühlingssagen
Verhallt ein Lied -?
Schau, wie die letzten Tage locken!
Die letzten Rosen bring' ich dir. —
Die Fäden gleiten rasch vom Rocken,
Ls raunt der Wind von Totenglocken,
Komm', bleib' bei mir!
Fulda.
Sophie Nebel von Türkheim.
Vom Kasseler Hosthealer.
Fast zu gleicher Zeit mit der Wiedereröffnung des Hof-
theaterS hatte ein neu entstandenes großes Kino zur Ein
weihungsvorstellung geladen. Eine ganze Anzahl, wenn
auch nicht gleich großer und luxuriöser, gibt eS bereits
hier, und die Gründung weiterer Kinematographen wird
uns in Aussicht gestellt. Und alle find gefüllt. Nicht von
denen nur, die der Billigkeit wegen hingehen und denen
der Theaterbesuch mit zuviel Umständen verknüpft ist. Die
Kreise, die sonst im Schauspielhaus ihre Erhebung und
ihre Unterhaltung suchten, die künstlerischen Sinn zu haben
vorgaben und deshalb auch mit scharfer Kritik nicht zurück
hielten, bilden eine treue Gemeinde der verschiedenen Licht
spielhallen. Diese Bevorzugung des rein Stofflichen, der
Handlung allein ist ein Zeichen der Zeit. Man schätzt
angeblich die Poesie, begeistert sich für die Kunst, urteilt
über die Literatur und — bezieht seine künstlerische Nahrung
vom Film. Alle Mühe der Theaterleitung, die abwechfe-
lungsreiche Gestaltung des RepertoirS. das Entgegenkommen
gegen die Wünsche des Publikums ist umsonst. Da wäre
eS an der Zeit, endlich einmal zu den zahlreichen nutz- und
zwecklosen Vereinen einen wichtigen, dringend notwendigen
zu gründen: einen Theaterverein, der die Wiedererweckung
der Liebe zur Schaubühne auf seine Fahnen schriebe und
dafür sorgte, daß der Besuch de8 Hoftheaters wieder wachse,
— im Interesse dieses Instituts, Kassels und auch der
Kunst. Wir haben ein Städtisches Verkehrsamt, warum
nicht auch eine städtische Kunstkommisfion, die diese Ver
einsgründung in die Wege leiten könnte? Oder sollte sich
nicht einer der berufsmäßigen Vereins-, Anstalten- und
Ortsgruppengründer dazu bereit finden?
Auf Wunsch des Kaisers, der vermutlich Jugenderinne
rungen auffrischen wollte, hatte man Angelys „Fest der
Handwerker" gegeben. Das Stück bot dem Regisseur (Herrn
Hertzer) Gelegenheit, seine Kunst in bestem Lichte zu zeigen
und bewies wieder einmal, daß wir auch in dem leichteren
Genre der dramatischen Kunst von der unglaublichen Harm
losigkeit und Anspruchslosigkeit unserer Väter und Groß
väter doch meilenweit entfernt sind. So hatte da8 Stück
denn nur Kuriofitätswert .
An Goethes Geburtstag gab man „Die Geschwister" und
„Clavigo". Eine einfach, allzu einfach erfundene Fabel,
ein Spannung und Interesse nur in bescheidenem Maße
weckender Stoff zeigt in dem erstgenannten Stück die ganze
Sentimentalität der Wertherepoche. Am 26. Oktober 1776
schreibt Goethe in sein Tagebuch: „Jagd, ,Die Geschwister'
erfunden." Am 29. Oktober heißt eS: „Allein und geendigt
das Dram." Er hatte von dieser Arbeit eine gute — ge
stehen wir'S offen: allzu gute — Meinung. Einige Tage
darauf sendet er sie seiner Mutter: „Hier habt Ihr ein
klein Blümlein Vergißmeinnicht. Lest'S! laßt'S den Vater
lesen, schickt's der Schwester ., niemand soll'S abschreiben.
Und das soll heilig gehalten werden " Wir verkennen
nicht die Klarheit deS Stücks und sein poetisches Maß.
aber, wär's nicht von Goethe. . ! Herr B o h n é e spielte
den Wilhelm. Hätten wir einen jugendlichen Helden (Herr
Herzberg ist nicht wiedergekehrt), so würde wohl dieser die
Rolle bekommen haben. Aber die Figur liegt Herrn
Bahnte sehr günstig. Wilhelm muß gegen Ende der
Dreißig sein. Und so stellte ihn der Künstler glaubhaft,
liebenswert und herzlich dar. Fräulein Et o rm spielte die
Marianne und entwickelte reizende Natürlichkeit und frische
Anmut, sie fand aufrichtige HerzenStöne und zeigte unge
zwungenes, wirklichkeitsechtes Spiel. Herr Zschokke ver
körperte den Fabrice vortrefflich.
Auch E l a v i g o nimmt unser Interesse vorwiegend au8
literargeschichtlichen Gründen in Anspruch. In Dichtung
und Wahrheit erzählt Goethe wie er nach dem Bortraa
des Mémoires von Beaumarchais „seiner lieben Partnerin"
versprochen, nach acht Tagen „den Gegenstand des Heftes
als Theaterstück vorzulesen" und in rasender Schnelligkeit
das Stück gedichtet. Er mußte sich eben wieder einmal
etwas von der Seele schreiben. Denn, so sagt er selber,
„zu der Zeit, al« der Schmerz über FriederikenS Lage
mich beängstigte, suchte ich. nach meiner alten Art, Hülfe
bei der Dichtkunst. Ich sehte die hergebrachte poetische
Beichte wieder fort, um durch diese selbstquälerische Büßung
einer innern Absolution würdig zu werden. Die beiden
Marien in ,Götz von Berlichingen' und .Clavigo' und die
beiden schlechten Figuren, die ihre Liebhaber spielen, mögen
wohl Resultate solcher reuigen Betrachtungen gewesen sein."
Interessiert eS uns auch, den Dichter des Figaro, est
aventurisr français, wie ihn Goethe nennt, auf den