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halten — doch wie lange noch? Dann finkt auch
dieser Zeuge von einstiger Herrlichkeit, von Helden
mut und Fürstentreue in den Abgrund der Ver
gessenheit, wie die Männer und Jünglinge, die
man vor kaum 100 Jahren unter Trommelwirbel
hinausführte zu der Blutstätte auf dem großen
Forste, wo eine vergessene Grabplatte und eine
vom Blitz zerschmetterte Eiche die Stelle ihres
Heldengrabes ziert, wie die beiden edlen Frauen
aus dem Geschlecht derer von Baumbach, deren
Grabstätte auf dem alten Kasseler Friedhof kaum
einer noch kennt. Zwei Menschenalter nur sind
darüber vergangen — fürwahr, wir leben in einer
vergeßlichen Zeit!
Wir wenden uns nunmehr den verschiedenen
Brückenbauten zu, die im Laufe der Jahr
hunderte die Altstadt und die Neustadt miteinander
verbanden. Hierbei lassen wir die zwischendurch
bestandenen Schiffbrücken und Provisorien anderer
Art außer acht. Die älteste feste Brücke stand
ungefähr an der Stelle, wo die zweite, in der
Richtlinie der jetzigen Eisbrecher erbaute gestanden
hat. Diese älteste Brücke ist urkundlich m. W.
nicht nachweisbar, ihre Existenz jedoch wahrschein
lich und auch überliefert. Die zweite feste Brücke,
deren Bauzeit man nicht kennt, mündete zwischen
den vorerwähnten Häusern meiner Großeltern
(9 und 11 der Fuldagasse) in die Altstadt ein,
sie wurde 1346 unter Landgraf Heinrich II. dem
Eisernen wegen Baufälligkeit abgebrochen. In
demselben Jahre wurde der Neubau der dritten
Brücke begonnen, die an derselben Stelle und wie
ihre Vorgängerinnen in Holzkonstruktion auf
massiven Pfeilern ruhend, errichtet ward. Auch
diese Brücke, nach „Piderit" wahrscheinlich die
älteste in Deutschland, auf der ein Brückengeld
erhoben wurde, wurde in den Jahren 1509 bis
1512 durch eine neue, vierte, ersetzt, ganz in
Holz konstruiert und mit Ziegeldach gedeckt; alle
Pfeiler, die Ein- und Ausfahrt waren mit Ge
bäuden be- bzw. überbaut. Es war ein ganz
eigenartiges Bauwerk, von dem noch berichtet wird,
daß sich über dem Torbau der Neustadt die Schul
lokalitäten befanden. 1636 wurden außer dem
Wildrosen auf der Heide,
Wildrosen um dein Haus! —
Dort zieht auf blauen Schwingen
Mein Sehnen ein und aus.
Schwebt dir so oft zur Seite,
Und küßt dich leis und lind; —
Du aber denkst wohl träumend:
Das war der Sommerwind. —
Fulda.
genannten Torbau der Neustadt und dem mittleren
Brückengeld - Erhebehäuschen alle Aufbauten und
das Brückendach abgerissen. (Auch hiermit stimmt
der vorerwähnte Plan von 1742 nicht überein,
denn er zeigt gerade das Torhaus der Altstadt
erhalten und dasjenige der Neustadt abgerissen;
auch sind noch die Häuser auf allen drei Pfeilern
gezeichnet.) — Mit der Zeit stellten sich Unzu-
träglichkeiten ein bezüglich der außerordentlich
engen Zufahrtsgasfen, zudem war in der Mitte
des 18. Jahrhunders die alte (vierte) Brücke
bereits wieder als baufällig zu bezeichnen. Man
beschloß daher die Errichtung einer neuen, massiven
Brücke etwas weiter stromabwärts. So entstand
als fünfte im Gliede die Wilhelmsbrücke, erbaut
1788—1794, abgebrochen 1909.*) Sie war uns
allen bekannt, und der Chronist erzählt von ihr:
„Ein stattliches Werk, der Stadt von unberechen
barem Nutzen, war innerhalb von 7 Jahren mit
einer Festigkeit ausgeführt, welche spätere Jahr
hunderte noch preisen werden." Das letztere hat
sich nunmehr nur insofern erfüllt, als das schöne
Bauwerk weder dem Zahn der Zeit erlag, noch
dem Verkehr nicht mehr genügte: der Brückenbau
mit seinen kolossalen Pfeilern und Bogen ließ sich
vielmehr nicht einfügen in den Nahmen des groß
zügigen Projektes der Fuldaregulierung, mit dessen
Ausführung man nunmehr durch Erbauung des
Walzenwehres beginnt, und das, was nicht ver
kannt werden darf, eine große und vorteilhafte
Umwälzung in den Verhältnissen der Alt- und
Unterneustadt herbeiführen wird. — Als sechste
und siebente feste Brücken will ich der Vollständig
keit halber die vor einigen Jahren am ehem.
Schützenhause in Eisenkonstruktion erbaute Hafen
brücke und die als Ersatz für die Wilhelmsbrücke
an derselben Stelle in größerer Breite errichtete,
mit Sandsteinverblendung und -Brüstung versehene
Brücke erwähnen, die zwar keinen offiziellen, dafür
aber desto mehr inoffizielle Namen führt.
(Fortsetzung folgt.)
*) Mit den Erdarbeiten zu dieser Brücke wurde am
5. Mai 1788 am Jägerhaus begonnen; am 12. Mai
wurde der erste Pfahl gerammt.
Die süßen, wilden Rosen,
Die mir dein Lieben gab;
Sie sanken, ach, so bald schon,
Entblättert in das Grab. —
Nun grüß' ich ihre Schwestern,
Grüß dich auch tausendmal
Und unser totes Lieben
Än stiller Sehnsuchtsqual. —
Sophie NebLl von Türkheim.
-—
Wildrosen.