Full text: Hessenland (26.1912)

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halten — doch wie lange noch? Dann finkt auch 
dieser Zeuge von einstiger Herrlichkeit, von Helden 
mut und Fürstentreue in den Abgrund der Ver 
gessenheit, wie die Männer und Jünglinge, die 
man vor kaum 100 Jahren unter Trommelwirbel 
hinausführte zu der Blutstätte auf dem großen 
Forste, wo eine vergessene Grabplatte und eine 
vom Blitz zerschmetterte Eiche die Stelle ihres 
Heldengrabes ziert, wie die beiden edlen Frauen 
aus dem Geschlecht derer von Baumbach, deren 
Grabstätte auf dem alten Kasseler Friedhof kaum 
einer noch kennt. Zwei Menschenalter nur sind 
darüber vergangen — fürwahr, wir leben in einer 
vergeßlichen Zeit! 
Wir wenden uns nunmehr den verschiedenen 
Brückenbauten zu, die im Laufe der Jahr 
hunderte die Altstadt und die Neustadt miteinander 
verbanden. Hierbei lassen wir die zwischendurch 
bestandenen Schiffbrücken und Provisorien anderer 
Art außer acht. Die älteste feste Brücke stand 
ungefähr an der Stelle, wo die zweite, in der 
Richtlinie der jetzigen Eisbrecher erbaute gestanden 
hat. Diese älteste Brücke ist urkundlich m. W. 
nicht nachweisbar, ihre Existenz jedoch wahrschein 
lich und auch überliefert. Die zweite feste Brücke, 
deren Bauzeit man nicht kennt, mündete zwischen 
den vorerwähnten Häusern meiner Großeltern 
(9 und 11 der Fuldagasse) in die Altstadt ein, 
sie wurde 1346 unter Landgraf Heinrich II. dem 
Eisernen wegen Baufälligkeit abgebrochen. In 
demselben Jahre wurde der Neubau der dritten 
Brücke begonnen, die an derselben Stelle und wie 
ihre Vorgängerinnen in Holzkonstruktion auf 
massiven Pfeilern ruhend, errichtet ward. Auch 
diese Brücke, nach „Piderit" wahrscheinlich die 
älteste in Deutschland, auf der ein Brückengeld 
erhoben wurde, wurde in den Jahren 1509 bis 
1512 durch eine neue, vierte, ersetzt, ganz in 
Holz konstruiert und mit Ziegeldach gedeckt; alle 
Pfeiler, die Ein- und Ausfahrt waren mit Ge 
bäuden be- bzw. überbaut. Es war ein ganz 
eigenartiges Bauwerk, von dem noch berichtet wird, 
daß sich über dem Torbau der Neustadt die Schul 
lokalitäten befanden. 1636 wurden außer dem 
Wildrosen auf der Heide, 
Wildrosen um dein Haus! — 
Dort zieht auf blauen Schwingen 
Mein Sehnen ein und aus. 
Schwebt dir so oft zur Seite, 
Und küßt dich leis und lind; — 
Du aber denkst wohl träumend: 
Das war der Sommerwind. — 
Fulda. 
genannten Torbau der Neustadt und dem mittleren 
Brückengeld - Erhebehäuschen alle Aufbauten und 
das Brückendach abgerissen. (Auch hiermit stimmt 
der vorerwähnte Plan von 1742 nicht überein, 
denn er zeigt gerade das Torhaus der Altstadt 
erhalten und dasjenige der Neustadt abgerissen; 
auch sind noch die Häuser auf allen drei Pfeilern 
gezeichnet.) — Mit der Zeit stellten sich Unzu- 
träglichkeiten ein bezüglich der außerordentlich 
engen Zufahrtsgasfen, zudem war in der Mitte 
des 18. Jahrhunders die alte (vierte) Brücke 
bereits wieder als baufällig zu bezeichnen. Man 
beschloß daher die Errichtung einer neuen, massiven 
Brücke etwas weiter stromabwärts. So entstand 
als fünfte im Gliede die Wilhelmsbrücke, erbaut 
1788—1794, abgebrochen 1909.*) Sie war uns 
allen bekannt, und der Chronist erzählt von ihr: 
„Ein stattliches Werk, der Stadt von unberechen 
barem Nutzen, war innerhalb von 7 Jahren mit 
einer Festigkeit ausgeführt, welche spätere Jahr 
hunderte noch preisen werden." Das letztere hat 
sich nunmehr nur insofern erfüllt, als das schöne 
Bauwerk weder dem Zahn der Zeit erlag, noch 
dem Verkehr nicht mehr genügte: der Brückenbau 
mit seinen kolossalen Pfeilern und Bogen ließ sich 
vielmehr nicht einfügen in den Nahmen des groß 
zügigen Projektes der Fuldaregulierung, mit dessen 
Ausführung man nunmehr durch Erbauung des 
Walzenwehres beginnt, und das, was nicht ver 
kannt werden darf, eine große und vorteilhafte 
Umwälzung in den Verhältnissen der Alt- und 
Unterneustadt herbeiführen wird. — Als sechste 
und siebente feste Brücken will ich der Vollständig 
keit halber die vor einigen Jahren am ehem. 
Schützenhause in Eisenkonstruktion erbaute Hafen 
brücke und die als Ersatz für die Wilhelmsbrücke 
an derselben Stelle in größerer Breite errichtete, 
mit Sandsteinverblendung und -Brüstung versehene 
Brücke erwähnen, die zwar keinen offiziellen, dafür 
aber desto mehr inoffizielle Namen führt. 
(Fortsetzung folgt.) 
*) Mit den Erdarbeiten zu dieser Brücke wurde am 
5. Mai 1788 am Jägerhaus begonnen; am 12. Mai 
wurde der erste Pfahl gerammt. 
Die süßen, wilden Rosen, 
Die mir dein Lieben gab; 
Sie sanken, ach, so bald schon, 
Entblättert in das Grab. — 
Nun grüß' ich ihre Schwestern, 
Grüß dich auch tausendmal 
Und unser totes Lieben 
Än stiller Sehnsuchtsqual. — 
Sophie NebLl von Türkheim. 
-— 
Wildrosen.
	        

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