Sî- 188
Arzt kam, er legte die kranke Hand des Patienten
passend aus einem Tisch zurecht, und die Operation
begann. Hassenpflug rauchte aus seiner weißen irdenen
Pfeife. Der Chirurg schälte die Geschwulst sorgsam
aus; der Patient ließ die Hand unbeweglich liegen.
Nur gegen Ende des Hautschnittes hörte der Arzt,
wie unter der krampfhaften Kontraktion die gesunde
Hand die Pfeife in Stücke zerbrach. Als die Operation
beendet und die Hautwunde genäht war, fragte
Hassenpflug. „Habe ich still genug gehalten?"
Als Wilhelm Grimm in Göttingen im Winter
1 830/81 schwer krank war und man das Schlimmste
befürchten mußte, war Jakob tief betrübt er saß
an des Bruders Tisch, auf dessen Stuhl, betrachtete
Wilhelms Schriften und Bücher; mit Rührung sah
er die beiden ersten Bände seiner Grammatik aufs
sauberste vom Bruder ausgezogen, und es war ihm.
als ob er das Werk nur für Wilhelm geschrieben
hätte und e8 nicht beendigen könnte, wenn der ihm
genommen würde. In seiner Vorlesung stockte er
mitten im Vortrag und entschuldigte sich „Mein
Bruder ist so krank."
In Gießen starb (in den vierziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts) eines Tages ein Professor der
damals dort noch bestehenden katholisch-theologischen
Fakultät. Zu seinem Begräbnis mußten natürlich
alle „Kathologen", wie man die Studenten dieser
Fakultät nannte — die der protestantisch-theologischen
hießen „Protologen" —, mitgehen. Wie bei allen
Universttätshandlungen, war auch hierfür der Frack
das unentbehrlichste Ausrüstungsstück der Teilnehmer.
Da aber nur wenige der in Betracht kommenden
Studenten im glücklichen Besitz eines Fracks waren,
so wurde ein gewaltiges Zusammenborgen dieses
kostbaren Requisits in Gang gesetzt. Zu den Frack-
lieferanten gehörte auch der stud. juris Ludwig
Bamberger, der nachmals berühmte Politiker,
dessen Frack ein ihm befreundeter Theologe, von
ganz derselben Figur wie er, mit Beschlag belegt
hatte. Da dieser nun auch keinen Schirm besaß,
das Wetter aber recht trübe wurde, so folgte, mit
einem Parapluie bewaffnet, der rechtmäßige Eigen-
tümer des Fracks, um sein Eigentum nötigenfalls
jederzeit beschirmen zu können, selbst dem Leichen
kondukte in einiger Entfernung. — Doch etwas noch
Hübscheres begab sich bei diesem selben Leichengefolge.
Es hatten sich solcher geborgten Fräcke nach und
nach die genügende Zahl zusammengefünden. Nur
ein unglücklicher Unbesrackter stellte sich verzweifelt
im letzten Augenblick vor dem Sterbehause ein.
Was tun? Da kam über einen der Kommilitonen
eine Erleuchtung: Der Verstorbene muß doch selbst
einen Frack hinterlassen haben, und dieser Frack ist
doch vakant! Gesagt, getan! Der Frack wurde
herbeigeschafft und wandelte nun leidtragend hinter
seinem einstigen Besitzer des Weges nach dem Gottes
acker mit.
Der Marburger Zivilprozeß- und Lehnrechtslehrer
Robert (bis 1833 an der Universität) liebte gute
Ordnung und Systematik; vor allem war „Sym
metrie" seine Leidenschaft. Man erzählte, er habe
einst einige Jungen in seinem Garten beim Stachel
beerennaschen erwischt und ihnen wütend zugerufen
„Ihr Schlingel, nun freßt mir wenigstens den
anderen Busch auch kahl!"
Eine von Robert B u n s e n s bedeutendsten chemi
schen Leistungen ist die Auffindung des Kakodyls,
durch die er den wichtigen Nachweis brachte, daß
auch Arsen ein Bestandteil organischer Verbindungen
sein könne. Daß er bei diesen Arbeiten infolge einer
Explosion die Sehkraft des einen Auges so gut wie
ganz einbüßte, sei nur beiläufig erwähnt.
Diese Kakodyl-Untersuchung fällt schon in Bunsens
früheste Zeit, als er noch Lehrer der „höheren
Gewerbeschule" in Kassel war. Der Arbeitsraum,
der ihm dort zur Verfügung stand, war ganz un
zureichend und entbehrte u. a. jeder Ventilation.
Bunsen war zwar verschiedentlich lfm zweckent
sprechende Einrichtung des Raumes bei der zu
ständigen Behörde eingekommen, aber wegen Geld
mangels stets abschlägig beschieden worden. Nun
besuchte der Minister des Innern, Freiherr von
Hanstein, das Laboratorium bisweilen, und an einem
Tage, als Bunsen wußte, daß der Minister kommen
werde, legte er in den Arbeitsraum ein Rohr mit
Kakodyl, das bekanntlich, wie auch der Name sagt,
durch äußerst widerlichen, unerträglichen Geruch sich
auszeichnet, darauf wurden Fenster und Türen fest
geschlossen. Als nun Hanstein kam, brachte Bunsen
das Gespräch auf den Mangel der Ventilation und
forderte schließlich mit den Worten -. „Wollen sich
Exzellenz selbst überzeugen!" den Gast auf, aus dem
Apparatenzimmer in den angrenzenden Arbeitsraum
zu gehen. Der Minister hatte kaum seine Nase
hineingesteckt, als er auch schon eiligst wieder zurück
kehrte. Am nächsten Tage kam ein Baumeister,
und alles wurde nach Bunsens Wünschen geändert.