Full text: Hessenland (26.1912)

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Arzt kam, er legte die kranke Hand des Patienten 
passend aus einem Tisch zurecht, und die Operation 
begann. Hassenpflug rauchte aus seiner weißen irdenen 
Pfeife. Der Chirurg schälte die Geschwulst sorgsam 
aus; der Patient ließ die Hand unbeweglich liegen. 
Nur gegen Ende des Hautschnittes hörte der Arzt, 
wie unter der krampfhaften Kontraktion die gesunde 
Hand die Pfeife in Stücke zerbrach. Als die Operation 
beendet und die Hautwunde genäht war, fragte 
Hassenpflug. „Habe ich still genug gehalten?" 
Als Wilhelm Grimm in Göttingen im Winter 
1 830/81 schwer krank war und man das Schlimmste 
befürchten mußte, war Jakob tief betrübt er saß 
an des Bruders Tisch, auf dessen Stuhl, betrachtete 
Wilhelms Schriften und Bücher; mit Rührung sah 
er die beiden ersten Bände seiner Grammatik aufs 
sauberste vom Bruder ausgezogen, und es war ihm. 
als ob er das Werk nur für Wilhelm geschrieben 
hätte und e8 nicht beendigen könnte, wenn der ihm 
genommen würde. In seiner Vorlesung stockte er 
mitten im Vortrag und entschuldigte sich „Mein 
Bruder ist so krank." 
In Gießen starb (in den vierziger Jahren des 
vorigen Jahrhunderts) eines Tages ein Professor der 
damals dort noch bestehenden katholisch-theologischen 
Fakultät. Zu seinem Begräbnis mußten natürlich 
alle „Kathologen", wie man die Studenten dieser 
Fakultät nannte — die der protestantisch-theologischen 
hießen „Protologen" —, mitgehen. Wie bei allen 
Universttätshandlungen, war auch hierfür der Frack 
das unentbehrlichste Ausrüstungsstück der Teilnehmer. 
Da aber nur wenige der in Betracht kommenden 
Studenten im glücklichen Besitz eines Fracks waren, 
so wurde ein gewaltiges Zusammenborgen dieses 
kostbaren Requisits in Gang gesetzt. Zu den Frack- 
lieferanten gehörte auch der stud. juris Ludwig 
Bamberger, der nachmals berühmte Politiker, 
dessen Frack ein ihm befreundeter Theologe, von 
ganz derselben Figur wie er, mit Beschlag belegt 
hatte. Da dieser nun auch keinen Schirm besaß, 
das Wetter aber recht trübe wurde, so folgte, mit 
einem Parapluie bewaffnet, der rechtmäßige Eigen- 
tümer des Fracks, um sein Eigentum nötigenfalls 
jederzeit beschirmen zu können, selbst dem Leichen 
kondukte in einiger Entfernung. — Doch etwas noch 
Hübscheres begab sich bei diesem selben Leichengefolge. 
Es hatten sich solcher geborgten Fräcke nach und 
nach die genügende Zahl zusammengefünden. Nur 
ein unglücklicher Unbesrackter stellte sich verzweifelt 
im letzten Augenblick vor dem Sterbehause ein. 
Was tun? Da kam über einen der Kommilitonen 
eine Erleuchtung: Der Verstorbene muß doch selbst 
einen Frack hinterlassen haben, und dieser Frack ist 
doch vakant! Gesagt, getan! Der Frack wurde 
herbeigeschafft und wandelte nun leidtragend hinter 
seinem einstigen Besitzer des Weges nach dem Gottes 
acker mit. 
Der Marburger Zivilprozeß- und Lehnrechtslehrer 
Robert (bis 1833 an der Universität) liebte gute 
Ordnung und Systematik; vor allem war „Sym 
metrie" seine Leidenschaft. Man erzählte, er habe 
einst einige Jungen in seinem Garten beim Stachel 
beerennaschen erwischt und ihnen wütend zugerufen 
„Ihr Schlingel, nun freßt mir wenigstens den 
anderen Busch auch kahl!" 
Eine von Robert B u n s e n s bedeutendsten chemi 
schen Leistungen ist die Auffindung des Kakodyls, 
durch die er den wichtigen Nachweis brachte, daß 
auch Arsen ein Bestandteil organischer Verbindungen 
sein könne. Daß er bei diesen Arbeiten infolge einer 
Explosion die Sehkraft des einen Auges so gut wie 
ganz einbüßte, sei nur beiläufig erwähnt. 
Diese Kakodyl-Untersuchung fällt schon in Bunsens 
früheste Zeit, als er noch Lehrer der „höheren 
Gewerbeschule" in Kassel war. Der Arbeitsraum, 
der ihm dort zur Verfügung stand, war ganz un 
zureichend und entbehrte u. a. jeder Ventilation. 
Bunsen war zwar verschiedentlich lfm zweckent 
sprechende Einrichtung des Raumes bei der zu 
ständigen Behörde eingekommen, aber wegen Geld 
mangels stets abschlägig beschieden worden. Nun 
besuchte der Minister des Innern, Freiherr von 
Hanstein, das Laboratorium bisweilen, und an einem 
Tage, als Bunsen wußte, daß der Minister kommen 
werde, legte er in den Arbeitsraum ein Rohr mit 
Kakodyl, das bekanntlich, wie auch der Name sagt, 
durch äußerst widerlichen, unerträglichen Geruch sich 
auszeichnet, darauf wurden Fenster und Türen fest 
geschlossen. Als nun Hanstein kam, brachte Bunsen 
das Gespräch auf den Mangel der Ventilation und 
forderte schließlich mit den Worten -. „Wollen sich 
Exzellenz selbst überzeugen!" den Gast auf, aus dem 
Apparatenzimmer in den angrenzenden Arbeitsraum 
zu gehen. Der Minister hatte kaum seine Nase 
hineingesteckt, als er auch schon eiligst wieder zurück 
kehrte. Am nächsten Tage kam ein Baumeister, 
und alles wurde nach Bunsens Wünschen geändert.
	        

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