„daß heutzutage, wo die Rittmeister alle schon graue
Köpfe haben, ein so jugendlicher Rittmeister von
21 Jahren nicht mehr vorkommt."
Als Georg in Marburg sein viertes Studien
jahr vollendet hatte, zog er nach Gilsa. Bald darauf
verlobte er sich mit Henriette, einer Tochter des
Generalleutnants v. d. Malsburg, eines Freundes
und Kriegskameraden seines Vaters. Die Hoch
zeit fand im Jahre 1766 im September statt.
Georg wurde zwei Monate später als Kriegsrat
beim Kriegskollegium in Kassel mit monatlich
16 1 /« Taler Gehalt angestellt und mußte seinen
Wohnsitz nach Kassel verlegen, er ließ aber seine
junge Frau bei seinen Schwestern in Gilsa wohnen.
Leider war diese glückliche Ehe nur von kurzer
Dauer; die junge Frau starb nach °/4 Jahren,
nachdem sie einem Töchterchen das Leben gegeben,
das aber auch nur fünf Jahre alt geworden ist.
Der Kriegsrat Georg v. Gilsa ist dann 1769
von der Hessischen Ritterschaft zum Obereinnehmer
in Treysa erwählt worden. Er erbat und erhiÄt
den Abschied aus landgräflichem Dienst mit jähr
lich 70u Taler Pension und zog wieder nach Gilsa,
von wo aus er nur dann nach Treysa zu gehen
brauchte, wenn ihn der ritterschaftliche Dienst dorthin
rief. Nach seinem Tagebuch war er vergnügt und
zufrieden, daß er nun wieder aus der großen Stadt
Kassel heraus war und nur eine Wirtschaft zu
führen brauchte. — Er ist 1794 Chef des damals
errichteten Land-Regiments Ziegenhain geworden
und vier Jahre später in Gilsa, 58 Jahre alt,
gestorben. Sein Nock, in dem er bei Vellinghausen
so schwer verwundet wurde, wird zukünftig eine
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Sehenswürdigkeit des Landesmuseums zu Kassel
bilden.
Wilhelm v. Gilsa verheiratete sich 24 jährig mit
einer Tochter des Generalleutnants v.Urff zu Mar
burg. Er ist im Jahre 1784 als Major im Leib-
Dragoner-Negiment zu Homberg a. d. Efze ge
storben und der Stammvater der jetzigen Besitzer
des Oberhofs zu Gilsa geworden. — Von den
Töchtern des Generals ist die jüngste zwei Jahre
nach dem Tode der Eltern, die andere aber erst
1804 gestorben, sie- hat also noch erlebt, wie
aus der Landgrafschaft Hessen ein Kurfürstentum
wurde. — —
Wir sind am Schluß unserer Erzählung, die
uns gezeigt hat, welche schweren Opfer die Familie
v. Gilsa im 7 jährigen Kriege auf dem Altar des
Vaterlandes hat darbringen müssen. Was sie
erlitt, ist bezeichnend für die ganze Zeit, und viele
tausende anderer Familien in Hessen, adelige und
bürgerliche, hatten damals ähnliche, vielleicht noch
größere Verluste auszuweisen. Der lange Krieg
hat überall tiefe Wunden gerissen, und es hat
viele Jahrzehnte gedauert, bis sie einigermaßen
vernarbt und geheilt waren.
Was wir von dem Leben und den Taten des
Generals v. Gilsa vernommen haben, rechtfertigt
gewiß den Ansspruch des Oberstleutnants O'Cahlll,
daß Gilsa zu den besten und merkwürdigsten Männern
gehört, die Hessen aufzuweisen hat. Möchte deshalb
das Andenken des tapfern Soldaten, des verdienten
Generals in seinem Vaterlande stets in Ehren ge
halten werden, möchte es Deutschland in ernster
Zeit niemals an solchen Männern fehlen!
Tunis.
In Tunis, im Araberviertöl war
Ich einst, mich windend durch das Volksgedränge,
Betäubt vom Lärm unlautrer Händlerschar
Und arg belästigt von der Bettler Menge.
Bald einen golddurchwirkten, bunten Schal,
Bald einen Fez, bald Fächer, Dolch und Degen
Und falsche Ambraketten ohne Zahl
Hielt man zudringlich immer mir entgegen.
Da dachte ich: Wie schmutzig und wie roh
Ist doch das Volk, von dem du hier umgeben,
Marktschreierisch und nur des Vorteils froh'
Und eoler Regung bar das ganze Leben. —
Da plötzlich teilte sich der Menschenschwarm
Und bildete voll Ehrfurcht eine Gasse,
Und sieh, durch diese, einen Korb am Arm,
Ein blindes Mädchen kommt herab die Straße.
Fortwährend rufend: „Achtung» ich bin blind;
Laßt ihren Weg der Blinden ohn' Geleite!"
Wie einem hohen Gaste gab geschwind
Em jeder Raum und sprang behend zur Seite.
Wenn auch so mancher einen Stoß erhielt.
Den Grund erkennend, blieb er . still und heiter.
Das Ungestüm zu dulden, gern gewillt,
Schritt nur in freier Bahn die Blinde weiter!
Ein Geldstück glitt in ihre braune Hand;
Sie nahm es an, das Haupt mir zugewendet,
Und lächelte vergnügt, und dies empfand
Als Schönstes ich, was mir der Tag gespendet.
Doch du, Arabervolk, verzeihe mir,
Daß ich für roh dich hielt und für verdorben;
Es ist doch Anstand, gute Sitte hier,
Wo Unglück so viel Achtung sich erworben.
Noch bess're Zeiten sehen wird dies Land,
Zur höchsten Bildung kann sein Volk erblühen;
Es pochen unter ärmlichem Gewand
Doch Herzen, die in Mitleid rasch erglühen.
Kassel.
Hermann Kuno.