Stift und Stadt Hersfeld im 14. Jahrhundert.
Von Dr. Heinrich Butte.*)
Für keinen Stand des heiligen römischen Reichs
hat das Ende des staufischen universalen Kaiser
tums eine ähnliche Wandlung aller Existenz
bedingungen verursacht wie für die kleinen geist
lichen Fürstssntümer. Viel mehr als auf ihrer
realen Macht, beruhte die politische Autorität und
Bedeutung der kleineren Bischöfe und gefürsteten
Äbte auf ihrer geistlichen Würde und der glänzenden
Tradition ihrer Kirchen, mehr aber noch auf dem
bestimmenden Einfluß auf die Reichspolitik, den
die meisten von ihnen als persönliche Ratgeber
der Kaiser und wichtigste Organe der Reichs
gewalt auszuüben vermochten. Der Fall der alten
Kaisermacht beraubte sie ihrer wichtigsten Stütze.
Das Stift Hersfeld hat dies Schicksal in vollem
Maße getroffen. Die alte Reichsabtei hatte sich
stets, von den Tagen der Karolinger lbis zur
staufischen Zeit, besonderer kaiserlicher Gnade zu
erfreuen. Ihre Äbte begleiteten die Kaiser auf
ihren Zügen als einflußreiche und vertraute Rat
*) Mit freundlicher Erlaubnis des Verfassers führen
wir unfern Lesern hier die Einleitung seiner soeben unter
obigem Titel erschienenen Monographie über HerSfeld vor.
Die Redaktion.
geber, sie dienten ihnen in wichtigen Missionen.
Kaiserlicher Gunst vor allem verdankte das Kloster
geistliche und weltliche Exemtion, Hoheitsrechte und
Privilegien aller Art, die Gewinnung und Be
hauptung umfangreichen Güterbesitzes und ein die
reale Machtstellung weit überragendes politisches
Ansehen. — Das Ende der Universalgewalt und
das Emporkommen des territorialen Fürstentums
stellten die Bedeutung von Haupt und Gliedern
des Reichs auf eine neue Grundlage: auf den
tatsächlichen Machtbesitz, auf Hausmacht und Terri
torium. So bemessen, sah sich Hersfeld jäh von
seiner Höhe herabgezogen. Aus dem Reichsabte
und Reichsbeamten, der durch Rat und Tat die
Geschicke des Imperiums beeinflußt hatte, war ein
kleiner Territorialfürst geworden, dem nun die
schwere Aufgabe zufiel, aus eigener Kraft das Stift
mit seinen auseinanderstrebenden Bestandteilen und
weit verstreuten Besitzungen zusammenzuhalten und
vor den Übergriffen der meist viel mächtigeren
benachbarten Herren, Grafen und Fürsten zu
schützen. Wirkungs- und Jnteressenkreis der Äbte
schränken sich daher ein auf das Hersfeldische Terri
torium und seine nächste Nachbarschaft.