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Dödengeld und die Schenkung ins Kindbett, zuletzt
nur auf das erstere beschränkt. Tie Atzung der
geladenen Gäste darf unter Vornehmen höchstens
mit Konfekt, unter den Geringeren mit Käse und
Wecken erfolgen. Die Trauerordnungen kennen
anfangs auch die Unterscheidung von Rangklassen.
Für eine jede wird ein bestimmtes Zeremoniell und
eine genau geregelte Trauerkleidung festgesetzt. Es
offenbart sich zugleich die Tendenz, das Publikum
vor Übervorteilung zu schützen. Gegen Lustbarkeiten
ging die fürstlich suldische Regierung ziemlich scharf
vor. Verboten waren Tänze an Sonntagen, unter
sagt war auch die Verabreichnug von Getränken
oder Geld an Trinker. Die fürstliche Dienerschaft
war vom Wirtshausbesuch völlig ausgeschlossen. Die
Glücksspiele, auch die Klassenlotterie, untersagte man,
nur in dem Ort Brückenau war während der Bade
saison das Hazardspiel gestattet. Die übermäßig
vielen Feiertage wurden, da sie vielfach dem Müßig
gang usw. günstig waren, erheblich verringert. Das
Fuldaer Ehegesetz von 1789 machte die Genehmigung
einer Ehe von dem Nachweis eines Mindestvermögens
abhängig für die Fuldaer betrug es 350 Gulden,
für die Bewohner der übrigen suldischen Städte,
für die Bauern und die Hinterbürger 250 Gulden.
Auch das „moralische Betragen" und die übrige
persönliche Beschaffenheit der Brautleute hatten die
fürstlichen Beamten zu prüfen, bevor sie die Genehmi
gung erteilten. Der Vortragende, der die Aufmerk
samkeit und das Interesse der Anwesenden andauernd
zu fesseln verstand, erntete für seine eingehenden
Darlegungen dankbaren Beifall. Was er von den
in zahllosen Paragraphen niedergelegten, bis ins
kleinste gehenden Bestimmungen aus einer Zeit, wo
die Bureaukratie noch ganz anders in den Aktenstuben
schaltete, wie jetzt, mitteilte, mutet uns heute vielfach
sonderbar an und wird erst, wie der Vorsitzende
Pros. vr. Leimbach betonte, verständlich, wenn
man sich in den Geist der Zeit zu versetzen sucht, die
damals, vor dem durch die Revolution eingeleiteten
Umschwung, an die Bekämpfung des Luxus von
ganz anderen Grundsätzen ausging, als wir es heute
tun. Im weiteren Verlauf des Abends sprach Pros,
vr. Richter über ein päpstliches Schreiben vom
10. Januar 1780 an den Fürstabt Heinrich von
Bibra, das sich besorgt über einen von Mönchen des
Klosters Fulda aufgenommenen Plan der Wieder
vereinigung der getrennten christlichen Gemeinschaften
in Deutschland ausspricht. Prof. vr. Richter gab bei
dieser Gelegenheit einen Überblick über die Geschichte
der Unionsbestrebungen und zeichnete den Hinter
grund, von dem sich der Fuldaer Versuch abhebt.
Die Haltung Heinrichs XIII. aus die Mahnung
des Papstes Pius VI. ist durchaus anzuerkennen,
er schritt energisch gegen die Geheimgesellschast ein,
die sich zur Verfolgung der Wiedervereinigungs
bestrebungen gebildet hatte, und damit fand das
Unternehmen, aus falscher Grundlage ausgebaut,
ein Ende.
MarburgerHochschulnachrichten, vr.Ernst
Maaß, Professor der klassischen Philologie, blickt
in diesen Tagen aus eine 25 jährige Tätigkeit als
ordentlicher Universitätsproseffor zurück. Dasselbe
Jubiläum konnte der Historiker Pros. vr. Wilhelm
Busch, der Nachfolger Varrentrapps, begehen. Pros,
vr. Alfred Thiel in Münster übernimmt das neu
geschaffene Extraordinariat für physikalische Chemie.
Denkmalspflege. In dem Etat 1911 des
Bezirksverbandes Kassel ist für Weitersührung der
Inventarisierung der Baudenkmäler innerhalb des
Regierungsbezirks Kassel der Betrag von 12500 Mark
eingestellt worden und zwar 4800 Mark als Ver
gütungen für wissenschaftliche Arbeitskräfte usw.,
700 Mark für sachliche Ausgaben bei Bearbeitung
des Inventars und 7000 Mark für Herstellungs
arbeiten der Veröffentlichungen der Inventarisation
der Denkmäler des Stadt- und Landkreises Hanau.
— Der Bezirkskonservator Geh. Regierungs-Rat
Prof. vr. v. Drach hat seinen Wohnsitz von Marburg
nach Kassel verlegt. Das Bureau befindet sich im
Ständehaus.
Seit dem Einmarsch der Deutschen in
Paris, über den wir in unserm Jahrgang 1907,
Seite 66 f., die Schilderung eines Augenzeugen
brachten, waren am l. März 40 Jahre verflossen.
Bekanntlich waren die ersten Truppen, die in Paris
einrückten, die 1. Schwadron des 2. Hess. Husaren
regiments Nr. 14 und das 1. Bataillon des 2. Nassau
ischen Infanterie-Regiments Nr. 88. Den Truppen
weit voraus ritten Rittmeister v. Colomb und Trom
peter Jtal. Beide kletterten mit ihren Pferden über
die im Triumphbogen ausgeworfene Barrikade. In
einiger Entfernung folgte der 3. Zug des 2. Hess.
Husarenregiments Nr. 14 unter Leutnant v. Bernhardt.
Todesfall. Am 24. Februar entschlief infolge
eines Schlaganfalles im säst vollendeten 80. Lebens
jahre der am 14. März 1831 als Sohn des da
maligen Bürgermeisters zu Rinteln und späteren
Staatsrats Wilhelm Wippermann geborene Pros.
Vr.jvr.Karl Wippermann. Er war 1858—59
Prrvatdozent in Leipzig, stand im zweiten Versafsungs-
kampf auf Seiten Oetkers, war 1861—72 Mit
redakteur der „Hessischen Morgenzeitung", war 1862
und 1863 Mitglied der Stände und später Mitglied
des Kommunallandtages. Dann wirkte er u. a. als
Redakteur desBrockhausschen Konversations-Lexikons,
verfaßte auch eine ganze Anzahl hessischer Biographien