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auf Krankheitserscheinungen am Leibe der Heimat,
die nach Abwehr schreien. Der Heimatszauber als
unbewußte Kunst müsse geschützt werden, wenn er
nicht verschwinden solle — verschwinden in vielleicht
unvermutet naher Zeit. — Wie der Vorsitzende
mitteilte, ist das Schicksal des bekannten Basaltselsens
bei Fürstenwald, des Han gar st eins, voraussichtlich
besiegelt. Der Fels, dessen Kuppe eine reizvolle
Aussicht bietet, ist auch ein hervorragendes Natur
denkmal wegen der fiederförmigen Stellung seiner
Säulen, die in dieser prächtigen Ausbildung an keiner
Stelle in ganz Deutschland noch vorkommt. Den Vor
stellungen des Vereins ist es nicht gelungen, die von
der Gemeinde Fürstenwald beschlossene Ausbeutung
des Hangarsteines durch einen Steinbruch zu der-
hindern, so daß er wohl bald das beklagenswerte
Schicksal des nahen Bühls teilen wird. Der Verein
will im Bunde mit dem Niederhessischen Touristen-
verein noch einmal vorstellig werden, man verspricht
sich aber wenig Erfolg von diesem Vorgehen. —
Wir möchten an dieser Stelle auch darauf hinweisen,
daß man neuerdings auch dem Hirzstein mit Pulver
und Dynamit energisch zu Leibe gehen will. An
gesichts der zunehmenden Bedrohung unserer hessischen
Basaltprofile sei daran erinnert, daß seinerzeit ge
legentlich der Hirzsteinbewegung, die leider im Sande
verlies, Bergingenieur Rosenthal nachwies, daß in
Hessen in der Nähe der Bahnstrecken so viel Basalt
gewonnen werden kann, daß eine Zerstörung des
Landschaftsbildes recht gut vermieden werden kann.
Hessische Bücherschau.
Ludwig Emil Grimm. Erinnerungen aus
meinem Leben. Herausgegeben und ergänzt von
Pros. Adolf Stoll. Mit zahlreichen Kunstbeilagen.
640 Seiten. Leipzig (Hesse & Becker) 1911.
Preis geb. M. 3.—
Der jüngste Bruder Jakob und Wilhelm Grimms, der
Maler und Radierer Ludwig Emil Grimm, wurde am
14. März 1790 zu Hanau geboren, kam aber schon ein
jährig mit seinem Vater, dem Justizamtmann Grimm,
nach Steinau, das er deshalb auch als seine zweite Heimat
betrachtete. Etwa vierzehnjährig siedelte er nach Kassel
über, wo er das Lyceum und später die Akademie besuchte.
Diese vertauschte er Frühjahr 1809 mit der Münchener
Akademie, der er bis 1814 in ernster Arbeit angehörte.
Im Januar dieses Jahres stellte er sich in Kassel zum
bevorstehenden Feldzug nach Frankreich, den er als Leutnant
beim 3. Landwehrregiment mitmachte, worauf er mit dem
Charakter als Premierleutnant den Abschied erhielt. Bis
Ende Juli 1815 malte und arbeitete er noch fleißig in
Kassel, den Winter 1815 auf 16 war er wieder in München
und reiste dann mit Georg Brentano in dessen bequemem
Rrisrwagen nach Italien, wo er in vollen Zügen die Schön
heit deS Südens genoß. Bis zum Herbst 1817 blieb er
dann noch in München, dann sehen wir ihn wieder in
stiller Arbeit mit den älteren Brüdern in Kassel zusammen
leben. Dieses ruhige Leben in der Heimat wurde nur
durch einige kleine Reisen unterbrochen. So verlebte er
z. B. den Winter 1819/20 bei Brentanos in Frankfurt.
1828 nahm er mit seinem treuesten Freund Werner Henschel
am Nürnberger Dürerfest (am 300. Todestag des Meisters)
teil. Im selben Jahr hielt er sich — er war mit Gerhard
von Reutern der erste — in der späteren Malerkolonie
Willingshausen auf, wo seine Schwälmer Trachtenbilder
noch jetzt im Hause der Familie von Schwertzell hängen.
Als seine Brüder 1830 nach Göttingen übersiedelten, bezog
er deren Wohnung auf der Bellevue im Hause seiner
Schwiegermutter, der Frau Professor Böttner. Während
feine Braut, Marie Böttner, mit ihrer Mutter in Schlangen
bad weilte, logierte er sich beim Oktogonkastellan Günther
ein und zeichnete tagelang im Habichtswald und besonders
im Ahnatal, um sich dann abends vom alten Günther
dessen Feldzugserlebnisse erzählen zu lassen. Unter dem
Mitregenten, dem Kurprinzen Friedrich Wilhelm, bekam
er 1831 endlich gleichzeitig mit Werner Henschel eine An
stellung als Professor der Akademie, vermählte sich noch
im selben Jahre und machte mit der liebreizenden jungen
Frau eine bescheidene kleine Reise in die Heimat Steinau.
1833 ward ihm seine Tochter Friederike geboren, 1836 ein
früh Dieder verstorbener Sohn, und schon nach zehnjähriger
Ehe starb ihm seine zarte junge Frau. Im folgenden
Jahr 1843 besuchte er mit dem Kinde die inzwischen nach
Berlin berufenen Brüder Jakob und Wilhelm, 1845 wurde
Friederike Ernst, die Tochter des bekannten Superinten
denten, seine zweite Frau, und nun ging sein Leben wieder
still fort. Er selbst starb 73jährig am Tage vor Ostern
1863, und im September desselben Jahres folgte ihm
Jakob, der älteste der Brüder, im Tode nach.
Als älterer Mann, etwa 44jährig, begann Ludwig
Grimm Mitteilungen aus seinem Leben niederzuschreiben,
nicht weil er sie als wertvoll für die Welt angesehen hätte,
sondern für sich, allenfalls für seine nächsten Verwandten.
Diese Aufzeichnungen, aus denen er später aus Vorsicht
und Zartgefühl manche Stellen wieder herausschnitt, reichen
bis zu dem 1848 erfolgten Tod der Mutter seiner ersten
Frau. Aus ihnen ersehen wir. daß bedeutende Menschen
in seinen Kreis eingetreten find, Dichter und Gelehrte,
namentlich der romantischen Schule, und daß er auch
Goethe wiederholt näher treten durfte. Und wenn auch
sein Leben selbst keine weiten Kreise zog, so spricht doch
aus jeder dieser schlichten Zeilen der Maler von seltener
Anschaulichkeit. Beobachtungsgabe und Gedächtniskraft, so
daß den Verlegern durchaus beizupflichten ist, wenn sie
dieser echt deutsche Werk, das hier zum ersten Mal der
Öffentlichkeit vorgelegt wird, als ein prächtiges Seitenstück
zu den Lebenserinnerungen zweier anderer Künstler, Ludwig
Richter und Wilhelm von Kügelgen. bezeichnen. Dieses
Buch wird zweifellos seinen Weg in die Häuser vieler
Deutschen machen und namentlich hier in Hessen zum Haus
buch werden, nicht nur, weil es sich eingehend mit dem
politischen und gesellschaftlichen Leben der damaligen Zeit
in Hessen und Kassel befaßt. Es ist eines jener Bücher,
das man von Seite zu Seite mit herzlicher Anteilnahme
liest und zu dem man immer wieder gern zurückkehrt.
Das große Verdienst, uns. diese köstliche Gabe vermittelt
zu haben, gebührt dem Kasseler Gymnasialprofessor Adolf
S t o l l, der mit der sorgfältigen Herausgabe dieser Grimm
schen Aufzeichnungen zugleich einen staunenswerten Ge
lehrtenfleiß bekundete. Unzählige Anmerkungen, von denen
jeder, der tiefer dringen möchte, keine einzige vermissen
möchte, erleichtern uns das Verständnis, fördern unser