Nur Inbegriff unserer hessischen Verhältnisse würde
man vergebens nach einer anderen Auskunft als
einer offiziellen suchen, und diese flössen ihr in
kärglichstem Maße zu. Überhaupt sorgte schon die,
Zensur dafür, daß nur das bekannt und öffent
lich besprochen wurde, was nach oben keinen An
stoß erregte, — und was erregte nicht alles an
diesem Orte Anstoß!" Die „Casselsche Allge
meine Zeitung" erschien bis zur Mitte des 19. Jahr
hunderts, von 1848 an mit der „Neuen Hessischen
Zeitung" Die Auflage dieses Blattes ist nie
besonders groß gewesen, Friedrich Ötker be
ziffert sie in seinen „Lebenserinnerungen" auf
500 bis 600 Stück.
Mit der Zunahme des Interesses am politischen
Leben, besonders seit jener Zeit, als in Kurhessen
die Verfassungskämpfe begannen, stieg auch das
Bedürfnis nach Zeitungen. So entstanden denn
im Laufe der folgenden Jahrzehnte recht viele
Blätter, die aber teilweise nur ein ganz kurzes
Dasein hatten. Einige von ihnen erhielten eine
große Bedeutung, sie waren aber aus der Zeit
heraus geboren, für die Zeit geschrieben und ver
schwanden wieder, als sich die Verhältnisse zum
Besseren wandten.
So erschienen denn folgende Blätter: „Bote
(Schluß
aus Cassel" (eine Zeitung für den Bürger und
Landmann), 1814—1863; „Der Fürsten-
und Volksfreund", ein Wochenblatt für Kur
hessen, 1831, „Casselsche Blätter für Geist
und Herz", 1831—1835; „Der Beobachter"
oder „Casseler Blätter für Geist und
Herz", 1835—1839; „Hessische Blätter
für Stadt und Land" 1831, dann als
„Verfassungsfreund", eine Wochenschrift
für Staats- und Volksleben, 1831—1834; „Der
Rech tsfreund", eine Zeitschrift aus dem Ge
biete der Verfassung, Gesetzgebung und Rechts
wissenschaften, 1836—1839; „Hessischer Mer
kur", 1837, mit den Beilagen „Die Wage".
Beiblatt für Literatur und Kunst, und „ N e u e st e
Nachrichten" aus dem Gebiete des Handels,
der Gewerbe und der Landwirtschaft; „Der
Deutsche in Heimat und Fremde" 1841;
„Der Salon", 1841 —1842, „Hessisches
Volksblatt", 1843; „Blätter aus Cassel".
1847— 1848; „Kurhessische Volkszeitung",
1848— 1849; „Der neue Bote" 1848; „Die
freie Presse". 1848—1849; „Die Hornisse",
Zeitung für hessische Biedermänner, 1848—1850;
„Wochenblatt der Hornisse", 1850; „Neue
Hessische Zeitung", 1848—1850.
folgt.)
Totensonntag.
Skizze von Mary Holmquist.
Ein kleiner Herr mit feingebautem Gelehrtey-
kops und gütig blickenden Augen steht am Fenster
seines großen, bücher- und blumenersüllten Arbeits
zimmers. Er schaut nachdenklich hinab auf die
Scharen von Menschen, die aus der langen Straße
dahinziehen, alle einem Ziele entgegen. Unten am
Ende des weitgestreckten Weges dunkeln entlauste
Baummassen auf und Tannenkronen, ein strehg
gewölbtes Portal schimmert herüber und Mauern
ziehen sich hinaus um eine Zypressenwand bis wtzit
fort in die Ferne. Dorthin wollen sie alle, Ne
da gehen zu zweien und dreien, in Familiengrupptn
oder in schmerzlicher Einsamkeit. Und beladen Mt
Gaben der Liebe und Erinnerung, Kränzen, Blütm,
Sträußen oder einem bescheidenem Zwerglein siüd
sie alle. ?
Wieder Totensonntag! Denkt der Einsame oben
am Fenster. Die Menschen haben sich einen Täg
gesetzt, der den Toten gehören soll. Es scheint, sie
fürchten sich und ihre Vergeßlichkeit. So aber klopft
auch der Verblaßteste, Vergessenste einmal im Jahre
wenigstens an bei denen, die die Seinen war^r.
Aber nein, viel Weh und echter Schmerz durch
schreit doch die Welt, so viele Entrissene werden
nicht vergessen. Aber tot sind sie den Ihren, nur
Gräber blieben, nur Trauer und Gram. Und doch!
Der unser war, lebt. Lebt vielleicht mehr und
tiefer in uns, als zu der Zeit, da er die Mühen
und Enttäuschungen mit uns durchleiden mußte.
Der Mann tritt zu dem Bild eines schönen, jugend
lichen Frauenkopses, das aus rundem, dunklen Rahmen
blickt. Er bleibt davor stehen, seine Hand gleitet
leise über die braune Holzleiste.
Bist du nicht bei mir, lebst du nicht?! Siehst du,
ich lächle. Und doch haben sie mich damals halten
und bewachen müssen, damit ich dir nicht folgte,
meine süße Tochter, als du nicht mehr atmetest.
Gewiß, ich meinte, du seiest tot. Ich fühlte, begriff
nur, daß du nicht da warst, ich deine Stimme nicht
hörte, dich nicht sah, nicht mit dir reden konnte.
Ich dachte nur an mich und wollte nicht in der
Öde eines Lebens ohne dich bleiben. Dein Grab
sagte mir nichts, die grüne Epheuhülle barg nur
ein Symbol deines Wesens. Deine wahre Gestalt