Die Geister des hessischen Hauses.
Eine mythologische Studie von Heinrich Franz.
(Schluß.)
Auch der Kobold zeigt mithin die allen Elben
eignende Zwiefältigkeit oder Doppelnatur. Immer
hin überwiegt aber bei ihm die gutartige, dem
Menschen freundlich förderliche Seite. Daß sie durch
Schuld des Menschen ins Gegenteil umschlagen kann,
haben wir gesehen. Indes selbst wenn dies eintritt,
oder wenn der Hausdämon von vornherein von
unzntunlicher Arb ist, so entfaltet er doch meist
nur bei schwerster Reizung die etwa den Wasser-
und Waldelben eigene grausame Wildheit. Seine
ins Bösartige verkehrte Natur äußert sich doch
meist nur in allerhand boshaftem Schabernack - er
entfacht z. B., nachdem er alle Stöcke weggetragen
hat, unter den versammelten Männern Streit, er
stößt der Magd den Melkeimer um, er verwirrt
die Mähnen der Pferde, er wirft ganze Stöße
Heu vom Heustock herunter, er lärmt und tobt, kurz,
macht der Bezeichnung seiner Familie als Klopf-,
Rumpel- oder Poltergeister alle Ehre. Schon diese
Namen weisen darauf hin, daß einzelne Kobolde
sich von vornherein höchst unerfreulich betragen.
So bindet ein hessischer Hausgeist *) nachts die
Gäule von der Krippe und plagt sie, daß sie
springen und stampfen, ja er versucht endlich auch;
den Dreschern, die in deni Stalle schlafen, die Decken
vom Leibe zu reißen. Ein anderer^) geht am hellen
Tage in einer Mühle herum, wirft alles drunter
und drüber und treibt dieses Unwesen jahrelang
fort. Wieder ein anderer^) verursacht bei nächt
licher Weile auf dem Fruchtspeicher ein gewaltiges
Getöse, gerade als wenn ein Wagen mit Korn
darauf herumgefahren würde; dann wieder ver
führt er im Keller einen großen Lärm, nicht anders
als wenn ein Küfer an den Fässern klopfe. Selbst
den in einem sehr alten Hause zu Erbach sich um
treibenden und sonst harmlosen „Schlapper" hört
man oft an den Türklinken klappern und zu wieder
holten Malen nachts in der Küche alles durch
einander werfen (obgleich man morgens nichts außer
seinem Platze fand). Daß bei solchem Gebaren
der Kobold zu einem wirklichen Plagegeist werden
muß, liegt auf der Hand. Tatsächlich berichten
denn auch nicht wenige Sagen von Versuchen, die
darauf abzielen, den zum Plagegeist gewordenen
Hausdämon zu vertreiben. Merkwürdig ist dabei,
daß, so leicht die segenspendenden Geister verscheuscht
werden können, der zum Quälgeist gewordene Kobold
') Wolf Nr. 76.
') Wolf Nr. 156.
') Wolf Nr. 167.
h Wolf Nr. 77.
aufs hartnäckigste an der Stätte seines Treibens
haftet und entweder überhaupt nicht oder doch
erst nach jahrelangen Bemühungen und durch An
wendung der verschiedensten Mittel zum Abzug
vermocht werden kann. In einer der hessischen
Sagend nimmt ein solcher Kamps gegen einen
überlästigen Kobold — nebenbei die Seele eines
schlimmer Untat schuldig gewordenen Müllers —
einen entschieden interessanten Ausgang. Jahre
lang hat das Unwesen, das der Geist in der ihm
einst gehörenden Mühle verführt, bereits gedauert,
da wird er von einem Geisterbauner gegen schwere
Bezahlung gefangen und in den Wald getragen.
Nach drei Tagen holt der Müllerknecht Reisig aus
dem betreffenden Walde. Er findet dort auf dem
Wege ein Bündelchen Heu, das er als willkonimene
Zugabe auf den Holzwagen wirft. Als er es daheim
aufbindet, huscht ein Eichhörnchen hervor und fährt
hinauf auf den Heuboden. Das war der Geist,
der von Stund ab sein Wesen schlimmer treibt
denn je vorher. Indes über kurz oder lang erscheint
ein noch mächtigerer Geisterbanner, als der erste
gewesen, und schickt sich an, den Unhold für immer
zu vertreiben. Da — auch ein Beispiel für die
tiefe Anhänglichkeit des deutschen Menschen an die
Scholle der Väter — bittet und fleht der Geist
gar jämmerlich, man möge ihn doch auf seinem
Grund und Boden lassen und ihn nicht hinaus
jagen in die weite Welt. Er wolle sich ja auch
fürder besser aufführen und niemand etwas zu
leide tun. Sein Jammern erbarmt den Zauberer,
und er weist ihm einen alten Nebenbau, wo aller
hand Gerümpel liegt, zur Wohnung an. Darin
haust dann der Kobold auch fortab friedlich und
harmlos, wie er versprochen, und macht bloß manch
mal des Nachts ein wenig Lärm. —
Ähnlich wie die gemeinen Kobolde verhalten sich
die Hausgeister, die sich nach der Überlieferung
einem adligen Herrn als Helfer, Berater und Schützer
zugesellen. Auch diese „Schloßgeister" sind nicht von
vornherein bösartig. Sie widmen sich vielmehr
dem Dienste ihres „Herrn" mit erstaunlicher Be
hendigkeit und Beharrlichkeit. Indes gerade durch
solch beeifertes Gebaren werden sie schließlich dem
Menschen unheimlich, und er versucht, sie los zu
werden. Auch sie heften sich dann mit größter
Hartnäckigkeit an ihren „Herrn", verfolgen ihn in
mancherlei Gestalt und lassen erst nach Jahren von
ihm ab. Auch in Hessen kennt die Volkssage fast
°) Wolf Nr. 156.