Full text: Hessenland (25.1911)

Die Geister des hessischen Hauses. 
Eine mythologische Studie von Heinrich Franz. 
(Schluß.) 
Auch der Kobold zeigt mithin die allen Elben 
eignende Zwiefältigkeit oder Doppelnatur. Immer 
hin überwiegt aber bei ihm die gutartige, dem 
Menschen freundlich förderliche Seite. Daß sie durch 
Schuld des Menschen ins Gegenteil umschlagen kann, 
haben wir gesehen. Indes selbst wenn dies eintritt, 
oder wenn der Hausdämon von vornherein von 
unzntunlicher Arb ist, so entfaltet er doch meist 
nur bei schwerster Reizung die etwa den Wasser- 
und Waldelben eigene grausame Wildheit. Seine 
ins Bösartige verkehrte Natur äußert sich doch 
meist nur in allerhand boshaftem Schabernack - er 
entfacht z. B., nachdem er alle Stöcke weggetragen 
hat, unter den versammelten Männern Streit, er 
stößt der Magd den Melkeimer um, er verwirrt 
die Mähnen der Pferde, er wirft ganze Stöße 
Heu vom Heustock herunter, er lärmt und tobt, kurz, 
macht der Bezeichnung seiner Familie als Klopf-, 
Rumpel- oder Poltergeister alle Ehre. Schon diese 
Namen weisen darauf hin, daß einzelne Kobolde 
sich von vornherein höchst unerfreulich betragen. 
So bindet ein hessischer Hausgeist *) nachts die 
Gäule von der Krippe und plagt sie, daß sie 
springen und stampfen, ja er versucht endlich auch; 
den Dreschern, die in deni Stalle schlafen, die Decken 
vom Leibe zu reißen. Ein anderer^) geht am hellen 
Tage in einer Mühle herum, wirft alles drunter 
und drüber und treibt dieses Unwesen jahrelang 
fort. Wieder ein anderer^) verursacht bei nächt 
licher Weile auf dem Fruchtspeicher ein gewaltiges 
Getöse, gerade als wenn ein Wagen mit Korn 
darauf herumgefahren würde; dann wieder ver 
führt er im Keller einen großen Lärm, nicht anders 
als wenn ein Küfer an den Fässern klopfe. Selbst 
den in einem sehr alten Hause zu Erbach sich um 
treibenden und sonst harmlosen „Schlapper" hört 
man oft an den Türklinken klappern und zu wieder 
holten Malen nachts in der Küche alles durch 
einander werfen (obgleich man morgens nichts außer 
seinem Platze fand). Daß bei solchem Gebaren 
der Kobold zu einem wirklichen Plagegeist werden 
muß, liegt auf der Hand. Tatsächlich berichten 
denn auch nicht wenige Sagen von Versuchen, die 
darauf abzielen, den zum Plagegeist gewordenen 
Hausdämon zu vertreiben. Merkwürdig ist dabei, 
daß, so leicht die segenspendenden Geister verscheuscht 
werden können, der zum Quälgeist gewordene Kobold 
') Wolf Nr. 76. 
') Wolf Nr. 156. 
') Wolf Nr. 167. 
h Wolf Nr. 77. 
aufs hartnäckigste an der Stätte seines Treibens 
haftet und entweder überhaupt nicht oder doch 
erst nach jahrelangen Bemühungen und durch An 
wendung der verschiedensten Mittel zum Abzug 
vermocht werden kann. In einer der hessischen 
Sagend nimmt ein solcher Kamps gegen einen 
überlästigen Kobold — nebenbei die Seele eines 
schlimmer Untat schuldig gewordenen Müllers — 
einen entschieden interessanten Ausgang. Jahre 
lang hat das Unwesen, das der Geist in der ihm 
einst gehörenden Mühle verführt, bereits gedauert, 
da wird er von einem Geisterbauner gegen schwere 
Bezahlung gefangen und in den Wald getragen. 
Nach drei Tagen holt der Müllerknecht Reisig aus 
dem betreffenden Walde. Er findet dort auf dem 
Wege ein Bündelchen Heu, das er als willkonimene 
Zugabe auf den Holzwagen wirft. Als er es daheim 
aufbindet, huscht ein Eichhörnchen hervor und fährt 
hinauf auf den Heuboden. Das war der Geist, 
der von Stund ab sein Wesen schlimmer treibt 
denn je vorher. Indes über kurz oder lang erscheint 
ein noch mächtigerer Geisterbanner, als der erste 
gewesen, und schickt sich an, den Unhold für immer 
zu vertreiben. Da — auch ein Beispiel für die 
tiefe Anhänglichkeit des deutschen Menschen an die 
Scholle der Väter — bittet und fleht der Geist 
gar jämmerlich, man möge ihn doch auf seinem 
Grund und Boden lassen und ihn nicht hinaus 
jagen in die weite Welt. Er wolle sich ja auch 
fürder besser aufführen und niemand etwas zu 
leide tun. Sein Jammern erbarmt den Zauberer, 
und er weist ihm einen alten Nebenbau, wo aller 
hand Gerümpel liegt, zur Wohnung an. Darin 
haust dann der Kobold auch fortab friedlich und 
harmlos, wie er versprochen, und macht bloß manch 
mal des Nachts ein wenig Lärm. — 
Ähnlich wie die gemeinen Kobolde verhalten sich 
die Hausgeister, die sich nach der Überlieferung 
einem adligen Herrn als Helfer, Berater und Schützer 
zugesellen. Auch diese „Schloßgeister" sind nicht von 
vornherein bösartig. Sie widmen sich vielmehr 
dem Dienste ihres „Herrn" mit erstaunlicher Be 
hendigkeit und Beharrlichkeit. Indes gerade durch 
solch beeifertes Gebaren werden sie schließlich dem 
Menschen unheimlich, und er versucht, sie los zu 
werden. Auch sie heften sich dann mit größter 
Hartnäckigkeit an ihren „Herrn", verfolgen ihn in 
mancherlei Gestalt und lassen erst nach Jahren von 
ihm ab. Auch in Hessen kennt die Volkssage fast 
°) Wolf Nr. 156.
	        
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