Wilde Triebe am Stammbaume der hessischen Landgrafen.
Von Dr. Carl Knetsch.
I. Die neuere Familie von Hattenbach.
Eine alte adelige Familie, die ihren Namen
von dem Hause Hattenbach im Amte Niederaula
trug. starb im Jahre 1636 aus. Von einem ein
Menschenalter später auftauchenden Träger des
gleichen Familiennamens, Ernst von Hatten
bach, erzählt Rommel'), er sei der Sage nach ein
natürlicher Sohn Landgraf Ottos, des ältesten
Sohnes Moritz des Gelehrten, gewesen. Einen
Beweis dafür liefert er nicht.
Wenn sich nun auch keine Urkunde ausdrücklich
über die Vaterschaft Ottos zu ihm äußert, so kann
man doch auf indirektem Wege einen fast zwingen
den Beweis bringen.
Pfingsten 1629 wurde in der Freiheit zu Kassel
im Alter von 11 Jahren ein Lrn68tu8 li-sin-
baräuZ konfirmiert^); beim Eintrage dieser Tat
sache im Kirchenbuche findet sich hinter dem Namen
in Klammern der Zusatz: „L. Ottonis naturalis.“
Also ein Ernst Reinhard ist um 1618, oder da
Landgraf Otto bereits am 7. August 1617 durch
') Rommel, Hess. Geschichte V 405, VI 332, 1X 218.
s ) Kirchenbuch der Freiheiter Gemeinde.
einen,Unglücksfall ums Leben kam, vielleicht etwas
früher als nachgeborener natürlicher Sohn des
Landgrafen zur Welt gekommen. Wenige Jahre
später, am 2. April 1636, finden wir ihn als
Ernestus Reinhardus mit der Angabe seines Ge*
burtsortes „ab Hachborn Hassus“ an der Uni
versität zu Kassel immatrikuliert?) Aus vier
lateinischen Briefen vom 9. April und 11. August
1638*) an Landgraf Philipp, Moritzens Sohn, und
an den jungen Landgrafen Wilhelm VI., die sich
damals in Gröningen aufhielten, sehen wir, daß
der verstorbene Landgraf Wilhelm V ihm sehr
gewogen gewesen ist, auch daß ihm viel an der
guten Meinung von Landgraf Moritzens Witwe
Juliane gelegen war. Dem verwaisten, erst 9 Jahre
alten Wilhelm VI. wünscht er, daß ihn Gott
*) Kasseler Matrikel. — Der Familienname Reinhart
kommt nach dem Ebsdorfer Kirchenbuche im 17. Jahr
hundert oft in Hachborn und Heskem vor. Wenn v. Butt
lar den Ernst v. H. einen Sohn der Katharina v. Hatten
bach. Wilhelms Tochter, sein läßt, die Hoffräulein der
1615 gestorbenen Gemahlin Landgraf Ottos und später
Frau des Johann von Krenchel zu Kirchheim gewesen sein
soll, so ist das eine durchaus unrichtige, nur durch den
späteren Namen Ernsts veranlaßte Hypothese.