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Karl Echlermeier und seine Kasseler Schöpfungen
Am 30. Juli vorigen Jahres verstarb zu Braun
schweig einer der letzten bedeutenden Meister der
langen Epoche des von Schadow eingeleiteten reali
stischen Klassizismus, Karl Friedrich Echter
meier. Er war am 27. Oktober 1845 zu Kassel
geboren. Der Ehe der in engen Verhältnissen leben
den katholischen Eltern entstammte außer ihm noch
ein jüngerer Sohn Jean, der die Gipssormerei des
Vaters übernahm und unter dessen Namen — er
starb 1900 — das Geschäft noch jetzt in Kassel
besteht. In der Werkstatt seines Vaters entwickelte
sich Karl Echtermeiers plasti
scher Sinn aus solider, hand
werklicher Grundlage. Sein
Formgedächtnis und seine
Unternehmungslust waren be
reits 1859 so groß, daß er
nach dem Tode Ludwig Spohrs
dessen Büste nur aus Grund
eines Vorbildes in einem
Schausenster modellierte, um
einen bildhauernden Dilet
tanten zu überbieten, was ihm
auch gelungen sein soll.*) In
seinen Freistunden besuchte er
die Kasseler Kunstakademie,
schon 1858 erhielt er als
Eleve eine lobende Erwähnung
in der Klasse des freien Hand
zeichnens nach Gips und eben
so in der Klasse der Orna
mentik, seit 1859 in beiden
Klassen durchweg ein „aus
gezeichnetes Lob", 1862 in
der Klasse der Ornamentik
eine silberne Denkmünze, 1863
und 1864 ebendort als höchste Auszeichnung die
silberne Medaille. Damit war die in Kassel da
mals übliche Ausbildungsmöglichkeit für einen
talentvollen jungen Künstler wie Echtermeier er
schöpft. Daß sie nicht ausreichte, erkannten die
heimischen Behörden bereitwillig an, nachdem der
Bildhauer seine Tüchtigkeit 1864 auch öffentlich
sozusagen durch zwei Gesellenstücke bewiesen hatte.
Obwohl sie beide noch nichts eigentlich Selbständiges
bieten, so zeigen sie den Neunzehnjährigen doch
durchaus im Besitze einer sicheren Naturbeobachtung
und Formenbehandlung. Durch beide Vorzüge zeichnet
sich die Büste von Echtermeiers Akademieprosessor
aus, dem Maler Friedrich Wilhelm Müller, stili-
*) H. Clages im „Hann. Courier" 29. Oktober 1901.
stisch stark durch barocke Vorbilder beeinflußt, wie
sie dem Kasseler Kunstschüler das Marmorbad oder
auch Arbeiten des Bildhauers Samuel Naht, dar
unter dessen Selbstbildnis in der Akademie, boten.
Das andere „Gesellenstück", ein schlafender Faun,
ist ohne den Barberinischen Faun in München nicht
zu denken, obgleich diesen der Künstler noch nicht
aus eigener Anschauung kannte. Aber wie diesem
gegenüber Echtermeiers Arbeit alle Derbheit und
robuste Realistik vermeidet, läßt sie bereits den künf
tigen persönlichen Charakter der Echtermeierschen
Kunst ahnen. Das erste von
vornherein für die Öffent
lichkeit ausgeführte Werk
scheint ein im Mai 1865 für
ein Kasseler Grab entstandenes
Kinderpaar, Glaube und
Liebe, gewesen zu sein. Auf
Grund solcher verheißungs
vollen Leistungen erhieltEchter-
meier durch die Vermittelung
der Akademie 1865 ein Reise
stipendium von 500 Talern
mit der Weisung, fich zur
Fortsetzung seines Studiums
zunächst nach München zu
wenden. Ziemlich gleichzeitig
wurde ihm auf Grund seiner
künstlerischen Leistungen auch
die Vergünstigung der ein
jährigen Militärdienstzeit ge
währt j er wurde aber dann
ganz davon befreit.
Echtermeier war während
des Krieges 1866 wieder in
Kassel. 1867 ging er von da
nach Dresden, wo er bis zum Jahre 1870 als Schüler
und Gehilfe Ernst Hähnels die Akademie besuchte. Als
Hähnels Musterschüler schuf er in Dresden u. a. einen
tanzenden Satyr und eine Bakchantin, die beide im
Motiv ohne die gleichnamigen Figuren Pierre Monnots
im Kasseler Marmorbade nicht denkbar sind. Jener
trug ihm die große silberne, diese die kleinere goldene
Medaille der Dresdener Akademie ein, beide außer
dem noch die große silberne Medaille des preußischen
Staates sowie die Medaille der Wiener Weltaus
stellung 1873. Weitere Folgen waren ihr Ankauf
durch die Berliner Nationalgalerie und die An
fertigung vergrößerter Wiederholungen für den Neu
bau des Dresdener Hostheaters 1876. In Dresden
verheiratete sich Echtermeier mit Margarete Stuben
rauch, deren stattlicher Figur wir in den besten
Karl Echtermeier.