Full text: Hessenland (25.1911)

Ohne Reibungen ist es natürlich hierbei nicht 
hergegangen. Die Neutmeisterstelle in Borken 
erforderte wegen der Nachbarschaft des zu Mainz 
gehörenden Fritzlarer Gebietes, besonders aber wegen 
der zum Amt gehörenden zahlreichen Dörfer im 
Löwensteiner Grund der von Löwenstein, Gilsa. 
Urff, Dalwigk und Meisenbug viel Takt und Ver 
ständigkeit. 
Wohl hatten jene Dörfer sich „anno 1561—64 
in unseres gn. Fürsten und Herren Schutz begeben" 
aber die Abgrenzung der Kompetenzen mußte sich 
erst allmählich herausbilden. Noch im Jahre 1600 
machten die Herren v. Löwenstein, wie der Rent 
meister Geyse unter dem 24. Oktober an die Ne- 
giermlg berichtete, Schwierigkeiten und verlangten, 
„wenn er ihre Hintersassen vor sich fordere, daß er 
sie selbst erst darum begrüßen solle." Auch die 
Akten („Alle Räthe Ellnrode") über eine offenbare 
Vergewaltigung eines Hans Fleck in Ellnrode 
durch die Junker Leo und Christoffel v. Löwenstein 
zu Urff im Jahre 1605 lassen erkennen, daß nicht 
bestimmte Gesetze, sondern die Persönlichkeit des 
Rentmeisters diesen Fall zu einem einigermaßen 
befriedigenden Abschluß brachte. Schwierig muß 
auch seine Aufgabe gewesen sein, als er im Jahre 
1603 auf Befehl des Landgrafen Moritz gegen die 
Herren v. Löwenstein einschreiten sollte weil sie 
gestatteten, „daß die Weiber ihrer Hintersassen in 
Vollmond-Nächten zauberische Tanze aufführten." 
Leichter war es jedenfalls für den Rentmeister, 
auf die Verwaltung der kleinen Landstädte Ein 
fluß zu gewinnen. Bei der jährlichen, vom Landes 
herrn zu bestätigenden Wahl des Bürgermeisters 
und bei der Festsetzung der Bußen (die in die fürst 
liche Kasse flössen) durch die Natsschöffen scheint 
der Einfluß des Rentmeisters in Borken ausschlag 
gebend gewesen zu fein. Eine besondere Eigen 
tümlichkeit des Rentmeister-Amtes dieser Zeit war 
folgende Der Rentmeister hatte nicht nur alle 
Abgaben der Untertanen, die fast ausschließlich in 
Naturalien bestanden, „in Sr. F. Gn. Scheunen" 
einzusammeln, sondern er war auch verpflichtet, sie 
auf seine Rechnung zu den von der Rentkammer 
festgesetzten Preisen zu übernehmen 7 ), soweit sie 
nicht in die Hofküche nach Kassel abgeliefert oder 
zur Bezahlung der eingesessenen lind zur Zehrung 
der durchreisenden Beamten verwendet wurden. 
Auch die Aufsicht und Verwaltung des fürstlichen 
Grundbesitzes, der z. B. in Borken aus 185 V 
Morgen Wiesen und 509 V Morgen Ackerland 
(das Vorwerk Morgenrot, jetzt Domäne Marien- 
kursürstl. Hess. Renterei Hofgeismar" in Nr. 7—16 des 
„Hessenland" 1910. 
0 S. Rentkammer-Lrdnnng Landgraf Wilhelms IV 
vom 1. März 1568. 
rode) bestand, war Sache des Rentmeisters. Ja, 
er hatte ihn sogar mit Hülfe der hierzu verpflich 
teten Untertanen selbst zu bestellen und abzuernten, 
wenn er nicht, wie es in Borken der Fall war, 
vermeyert" war. Der Rentmeister mußte also 
nicht nur Jurist und Verwaltungsbeamter, son 
dern auch ein tüchtiger Kaufmann und Landwirt 
sein. Da seine Einkünfte recht geringe waren, mußte 
er in der Regel noch Landwirtschaft auf eigene 
Rechnung betreiben. So hatte Peter Geyse nicht 
nur die herrschaftlichen 5 Husen (— 150 Morgen) 
bei Borken den sog. Vlumeuhain in Pacht für 
jährlich.100 Gulden, sondern Landgraf Wilhelm 
verlieh ihnr noch 2 Hufen, die sog. Baudeutzschen 
Hufen, zu erblichem Eigentum gegen Zins, und er 
selbst vermehrte seinen Grundbesitz durch Ankauf 
noch weiter. 
Zweimal jährlich ritt der Rentmeister, begleitet 
von seinem gut bewehrten Knecht, nach Kassel 
und lieferte das überschießende Bargeld an den 
Kammermeister ab. Außer an diesen und an die 
fürstliche Kanzlei- („Statthalter und Räte") be 
richtete der Rentmeister vielfach auch direkt an den 
Landesherrn. Wenn dieser oder andere fürstliche 
Personen Borken passierten, hatte der Rentmeister 
sür ihre Zehrung zu sorgen. Fürstliche Damen 
mußte er zu Pferde begleiten, bis sie „am Spieß" 
der Oberst von Ziegenhain in Empfang nahm. 
In den ersten 10 Jahren seiner Amtstätigkeit 
bewohnte Peter Geyse „Ihrer Fürstl. Gn. Be 
hausung" Diese war aber, wie er am 6. März 
1592 an den Landgrafen Wilhelm berichtet, „bau 
fällig, eng und unbequem" für seinen Hausstand 
reiche sie nicht mehr aus er habe notgedrungen 
„einen alten Bau und eine Baustelle zunächst am 
Homberger Thor links an der Straße gelegen er 
kauft" Um Stall und Scheunen errichten zu 
können, bittet er einen Teil des alten Wallgrabens 
zuschütten und bebauen zu dürfen. Landgraf 
Wilhelm genehmigte unter dem 13. März 1592 
diese Bitte, nachdem bereits sein Baumeister an 
Ort und Stelle die Verhältnisse geprüft hatte, gab 
ihm aber auf. „eine starke Mauer gegen die Land 
straße nach der anderen Seite zu errichten, damit 
gemeiner Stadt Borken kein Schaden und Nach 
teil möge zugefügt werden" Nach diesen Angaben 
und nach der ältesten im Staatsarchiv vorhandenen 
Katasterkarte läßt sich die Lage des Geyseschen 
Hauses genau feststellen. An seiner Stelle be 
findet sich heute ein Gehöft, das einem Landwirt 
Herrn Müller gehört. Dieser erzählte mir im 
Jahre 1905, daß ein sehr altes, größeres Wohn 
gebäude von seinem Großvater vor 70—80 Jahren 
abgerissen und an dessen Stelle der jetzige Bau 
aufgeführt sei. Das Haus des Herrn Müller ist
	        

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