Full text: Hessenland (24.1910)

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auf dem es errichtet wurde, ging 1803 an Hessen 
über, das Mühle und Wirtshaus an einen Hom- 
berger Müller verkaufte, der seinerseits beide wieder 
an die sie noch jetzt besitzende Familie Nau abtrat. 
Nach Ausweis des Grundbuches gehört also der 
Grund, aus dem das Denkmal errichtet wurde, dem 
jetzigen Brückenmüller, während der Staat schon 
wiederholt Aufwendungen für Wiederherstellung 
machte und gleichfalls Besitzansprüche erhebt. Vierzig, 
jährige Verhandlungen haben die Rechtslage bis 
heute noch nicht klären können. Das aus rotem 
Sandstein hergestellte Denkmal besteht aus einem 
aus einer Unterlage ruhenden vierkantigen Sockel, 
der selbst wieder eine vierkantige, von einer Granate 
gekrönte Pyramide trägt. Sockel wie Pyramide 
enthalten neben dem altsranzösischen und altenglischen 
Wappen lateinische Inschriften, die sich aus den 
Wiederaufbau des Wirtshauses beziehen, und außer- 
dem die Namen der drei Feldherren. Die noch 
wenig bekannte Ehrensäule — eine gute Wiedergabe 
findet man in der trefflichen Kartenserie von Heller- 
Lichtenau — wurde vom Redner, der für die Zu 
hörer auch eine von ihm selbst gezeichnete Situations- 
karte hatte vervielfältigen lassen, in einer plastischen 
Nachbildung vorgeführt. 
Die Darbietungen des Kasseler Herren 
abends am 21. November waren wieder recht 
reichhaltig. Rechnungsdirektor Woringer hatte 
schon am letzten Herrenabend im Anschluß an den 
Wolffschen Vortrag über die Gründung der Kolonie 
Friedrichsseld die Vermutung ausgesprochen, daß die 
Gründer wohl aus religiösen Gründen damals ihre 
Heimat verlaffen hatten, um von der Herrschaft des 
katholischen Kurfürsten von Trier wegzukommen. 
Diese Vermutung konnte er heute noch verstärken 
durch die nachträgliche Feststellung, daß zur Zeit 
der Auswanderung ein Sechstel der Bewohner nasiau- 
saarbrückisch und fünf Sechstel trierisch gewesen waren. 
Rechtsanwalt Dellevie sprach über die Rechts- 
verhältniffe der Marburger Studenten nach den 
Freiheitskriegen und ging dabei im wesentlichen aus 
von den Bestimmungen vom 16. Dezember 1819, 
die mit Rücksicht aus die damaligen politischen Zu 
stände von außerordentlich reaktionärem Geiste ge 
tragen waren. Der Bortrag veranlaßte eine an 
regende Diskussion. Verlesen wurde sodann ein Auf 
satz der Kreuzzeitung, der eine amüsante Schmuggel 
episode aus der Zeit des Zollvereins behandelte. 
General Eisen traut zeigte und kommentierte einen 
militärischen Erlaß aus 1760, in dem ein Verbot 
des Marschalls von Broglie bekannt gegeben wurde, 
sich für die alliierte Armee anwerben zu lassen. 
Rechnungsdirektor Wo ring er sprach über die pom- 
mersche Familie von Borcke, von der ein Zweig in 
Hessen ansässig wurde. Sekretär Sauer erzählte 
einige gut pointierte Anekdoten vom Förster Schäfer 
im Eichwäldchen. Zum Schluß machte General 
Eisentraut unter Vorlegung von Funden auf 
schlußreiche Mitteilungen über eine alte Töpferei 
des 8. und 9. Jahrhunderts, deren Reste bei Drai- 
nierung einer Wiese des Herrn von Stumm-Holz- 
hausen an der darmstädter Grenze gefunden wurden. 
Marburger Hochschulnachrichten. Der 
Regierungs-Assessor und Privatdozent vr. Bredt 
wurde zum außerordentlichen Professor für Staats 
und Verwaltungsrecht ernannt. 
Personalchronik. Regierungsbaumeistera.D. 
Philipp Pforr, ein geborener Hersselder, wurde 
Direktor der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft zu 
Berlin. 
Gedenktag. Am 10. Dezember d. I. ist der 
100. Geburtstag des verewigten Gymnasial-Ober- 
lehrers, Professors und Pfarrers TheodorDith- 
mar, der am 10. Dezember 1810 in Homberg 
das Licht der Welt erblickte und in Marburg, wo 
er Jahrzehnte lang in kurhessischer und darnach in 
preußischer Zeit am Gymnasium als Lehrer und 
zuletzt als Oberlehrer wirkte, am 16. Mai 1901 
im hohen Alter von über 90 Jahren verstarb. Seine 
Marburger Schüler hingen an ihm mit dankbarer 
Liebe und schätzten insbesondere seinen Unterricht, 
den er in Prima in deutscher Sprache und Literatur 
erteilte und seinerzeit von Vilmar als dessen Erb 
teil überkommen hatte. Als treuer Hesse war er 
allezeit ein warmer Freund und Mitarbeiter der 
Zeitschrift „Heffenland", die er mit mancher schönen 
dichterischen Gabe bedachte. Zwei seiner Gedichte, 
in der Nibelungen-Strophe versaßt, das eine ein 
Nachruf beim Tode Dilmars im Jahre 1868 und 
das andere ein solcher beim Ableben des letzten 
Kurfürsten von Hessen im Januar 1875, verdienen 
besonders hervorgehoben zu werden. Bis in sein 
hohes Alter war er als Gelegenheitsdichter eifrig 
tätig und wußte seine Freunde bei Geburtstagsfeiern 
und anderen Anlässen mit anmutigen dichterischen 
Gaben zu erfreuen. Er ruhe in Frieden, und sein 
Gedächtnis bleibe bei allen, die ihn kannten, noch 
lange im Segen. F. Riebeling. Metropolitan. 
AusMarburg. Die aus dem 13. Jahrhundert 
stammende Elisabethkirche befindet sich bekanntlich 
im Besitze der Evangelischen. Die Bemühungen der 
Katholiken, das Gotteshaus zu bekommen, hatten 
keinen Erfolg, und so kauften diese vor einigen 
Jahren in der Nähe einen großen Bauplatz, um 
dort eine neue katholische Elisabethkirche zu erbauen. 
In der „Fuldaer Ztg." veröffentlicht ein inter
	        

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