Full text: Hessenland (24.1910)

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den Häusern, keine Tore, keine Zäune vorhanden 
waren. 
Nach diesen Bemerkungen über sich und seine 
Familie fährt der Verfasser wörtlich fort: „In 
der Zeit war gar ein Schlächte vnd viel betrübte 
Zeit von wegen des Krigs Im landt.... Ich 
wil Ein wenig bericht thun wegen des blutigen 
Krigs nach meinem bäuerischen verstaubt Vndt 
was ich Selbst mit meinen Augen habe gesehen 
Vnd an der that mit Schmertzen er fahren habe. 
Die Reichs fürsten Vnd dan auch die Reichs Städte 
die stellen in der Zeit ab von Ihrer Kayserlichen 
Maystätt und wider Sätzten Sich Ihm Vndt 
hotteten zu Ihrer Hulff vnd Ihrem bystandt 
wider den Kayser Vnd deren die Im an hingen 
Einen König aus Schweden mit Viellem Volk 
Vnd zog In die Länder die Es Mit Kayserlicher 
Maystätt halten die selbe Nahmen Sie ein be- 
raubeten vnd plunterten die selbig Nach ihrem 
Gefallen. Dan Es war von vnserm Herrgott gar 
Eine große Straff vbers Deuschlandt ge Schicket 
wegen vnserer Sünden Vnd es ging Ihnen glück 
lich von handt. Es liess dem Schweden Alle welt 
zu Vnd wollen den Kayßer ver jagen vnd alle 
die es mit Jme hileten so war Vnser G. Herr 
Der Churfürst vff des Kaysers Seytten vnd mußten 
wir Seine arme Unterthanen gar Schätlich her 
halten dan der Landgraf von Cassel der hielt es 
mit den Schweden vnd war vns arme leuten gar 
vill zu Nahe mit Seinem landt vnd der vestung 
Ziegenhain. Die thäten Vns das hertzen leydt 
an wie Du fromes christliches Hertz noch wohl 
vernehmen wirst . . Es war gar eine 
betrübte Zeit zu dem Mal. Es durfft Sich Kein 
Mensch blicken Noch Sehen lasen dan Es war 
Innen Ein Mensch zu achten gar gering. Wen 
Sie Antroffen bracht er sein leben daruon So 
war es ein wunder. Die leuth mußten sich in 
den Städtten vff halten wie Sie auch konnten 
oder mochten. Ach wie manche Ehfrauw Vnd 
Jungfrawen wurden geschendt wivil leuth vmbs 
leben gebracht." 
Preis stellte aus, erntete aber nichts, da die 
Niederhessen und Schweden auf dem Hinzuge zur 
Befreiung Hanaus und dem Rückwege von da 
alles abmähten. Vier Reiterregimenter lagen sechs 
Tage lang im Dorf; die meisten Einwohner, be 
sonders Frauen und Mädchen, hatten sich in die 
Nachbarstädte geflüchtet, aber alles Vieh wurde 
weggetrieben, auch die Glocken wurden aus der 
Kirche geraubt und die Kirche sehr verwüstet. 
1637 wurde das Dorf von der niederhessischen 
Besatzung von Ziegenhain siebenmal ausgeplündert; 
die Bauern besaßen insgesamt noch 5 Kühe und 
3 Schweine, die sie nach Kirchhain geflüchtet 
> hatten, im ganzen Dorf war nicht Hahn noch 
Huhn zu finden, die Einwohner selbst wurden 
öfters gefangen genommen, weggeschleppt und mußten 
sich loskaufen. Die Teuerung wurde so groß, daß 
ein Mött Korn (— 1 1 /a Ztr.) 6, Weizen 8 und 
Erbsen 8 Reichstaler und ein kleiner Laib Brot 
1 Kopfstück (= 18—20 Kreuzer, V« Taler) 
kosteten. Gegen Ende des Jahres wurde es besser, 
es gab Korn zu kaufen. Unser Chronist hatte 
2 Kühe gerettet, die standen in Kirchhain, be 
kamen das Futter von Stausebach aus hingetragen 
und gingen mit dem städtischen Vieh auf die Weide. 
1638 war Ruhe, ebenso 1639, so daß die Leute 
wieder anfingen auszustellen und die nötigste 
Nahrung zogen, auch die schwere, andauernde 
Kontribution bezahlen konnten?) 
1640 * *) kamen die Truppen, die der Herzog 
Bernhard v. Weimar geführt hatte, ins Land, 
24 Regimenter stark, zu Roß und zu Fuß, die 
nahmen alles Vieh in den Städten und Dörfern 
um Marburg weg. Marburg selbst nahmen sie 
nicht ein?) Als die Truppen wegzogen, blieb ein 
Oberstleutnant in Kirchhain, um ein Regiment 
zu werben. Die Angeworbenen bedrückten die 
Bürger so sehr, daß viele auswanderten. Damals 
lag ein niederhessischer Hauptmann auf der 1636 
eroberten Amöneburg, der sich der Dörfer der 
Umgegend freundlich annahm und vom Verfaffer 
der Chronik sehr gelobt wird. Stausebach bekam 
5 Soldaten zum Schutz und die 3 Nachbardörfer 
Anzefahr, Himmelsberg und Sindersfeld mußten 
ihr Vieh und ihre Habe auch dahin bringen, die 
Betziesdörfer retteten ihre Schafherde dahin. Stause 
bach selbst wurde dann mit Zäunen und tiefen 
Gräben verwehrt und die Gassen mit langen 
Bäumen, die von einem Haus zum andern reichten, 
gesperrt. Oft kamen kleinere Abteilungen von 
Kriegsvölkern, um zu fouragieren, die Soldaten 
und Bauern hielten aber gute Wacht, auch die 
letzteren waren mit Büchsen versehen. Gegen 
stärkere Abteilungen hatten sie einen Doppelhaten 
bekommen, der auf dem Kirchturm aufgestellt war; 
so wurde die Besatzung der Amöneburg durch 
einen Signalschuß benachrichtigt, wenn Hilfe not 
') Der Verfasser behauptet 1638 und 39 einen Waffen 
stillstand zwischen Schweden und dem Kaiser, die Geschichte 
kennt aber nur einen solchen zwischen Hessen-Kassel. Darm 
stadt und den» Kaiser; zu dem Irrtum mag die Tatsache 
Anlaß gegeben haben, daß in dem Jahre die Schweden 
meist im Norden Deutschlands standen und in der Gegend 
nicht erschienen. 
*) Die einzelnen Ereignisse der Jahre 1638 —40 sind 
offenbar in der Chronik nicht deutlich auseinandergehalten. 
*) Eine erhaltene Rechnung lStaatsarchiv Darmstadt, 
Konv. 100) berichtet uns aber, daß die Stadt damals 
2250 Rtlr. Kontribution zahlen mußte.
	        

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