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schöpft zu haben, und dabei nur bedauert, daß
die deutschen Michels vom deutschen Stand
punkt e aus schrieben ! Was Kapp und Elk in g,
was die, in dem Buche reich in Anspruch ge
nommene Baronin Riedesel, sowie Wieder
hold, Ewald, Sen me und Andere gesagt und
geschrieben haben: das wissen wir doch längst,
auch ohne Mr. Lvwell, und die hier und dort
auftretenden Zugaben namentlich an „Biographie
und Anekdote", können diesen Vorwurf iu der
Hauptsache uicht beseitigen. Überdies ist dabei
der Ailtor nicht einmal objektiv. Er giebt z. B.
auch die von Sybelsche „Historische Zeitschrift"
als Quelle au, berichtet seineil Lesern aber nicht,
daß gerade Kapp darin, ans Grund weiterer
Studien, die ihil ehrende Beichte ablegte: „daß
er in den Generalstabs-Akten in Berlin eine
Fülle von Thatsachen gefunden habe, welche
die Regenteneigenschäfte n des Land
grafen (Friedrich) viel h ö h e r ft e l l e n, als
er sie ihrer Zeit charakterisiert habe".
Endlich durste bei der Anführung Seumes der
Hinweis nicht fehlen, daß dessen Tiradeu an den
eigenen Schriften lind aufgefllndenen Briefen ver
flüchtigt sind. Ging aber eine „unbefangene Ge
schichtsschreibung" nicht so weit, dergleichen Be
richtigungen aufzunehmell, so hätte sich der Autor
wenigstens bemühen sollen, and) aus den Geschichts-
quelleu des Landes zu schöpfen, über dessen
Regenten er schrieb. Statt dessen stellt er dem
Landgrafen Friedrich prüfungslos das übelste
Zeugnis aus und redet sich dabei schon auf den
ersten beiden Seiten so in Eifer, daß er plötzlich
in den Plural verfällt und von „den Landgrafen"
spricht, bei denen weder „Patriotismus noch Politik
eine Rolle" spielte. Und dieser Plural nebst un
wahrem Anhängsel dient dann nur dazu, um aus
älterer Zeit das gar nicht mit der amerikanischen
Geschichte im Zusammenhang stehende Märchen
erzählen zu können, daß 1743 — also ein
Menschenalter vor dem geschitderten Kriege! —
„6000 Hessen gegenüber 6000 Hessen ge
standen" hätten. Das muß, obwohl es nicht
zur Sache gehört, hier besonders abgethan werden,
weil es Air. Lowell nun einmal austischt, und
daraus leicht gefolgert werden kann, daß Hessen
gegen Hessen gekämpft hätten, und zwar unter dem
Landgrafen Wilhelm, dem „würdigsten Fürsten
Deutschlands", wie ihn kein geringerer als Friedrich
der Große nannte. Jener Vorwurf ist indessen weder
in der einen noch in der andern Form wahr! Alan
lebte damals in einer Zeit, wo die „unsägliche
Schwäche und Zerfahrenheit, welche das heilige
Römische Reich deutscher Nation im polnischen
Thronsolgekriege mit Frankreich an den Tag ge-
j legt, noch gestiegen war. Eine wirkliche
Gewalt, ein lebendiges Recht, ein Reich bestanden
j längst nicht mehr. Von einem vaterländischem
Sinne bei Fürst oder Volk war keine Rede. Das
Einzelinteresse beherrschte alles." Daneben war
die Politik der Großen schwankend sowie voller
Mißtrauen, und mit Recht konnte Friedrich der
Große, nach Formulierung der mit Österreich ver
abredeten Konvention von Klein-Schnellenberg, am
9. Oktober 1741, dem Grafen Neipperg er
klären, „Jeder müsse für sich selber sorgen".
Die praktische Anwendung dieser Worte ergiebt
sich ans den Ereignissen von dem Tage des Ab
schlusses dieser Konvention bis zur verabredeten
i Übergabe der Festung Neiße und dem an diesem
! Tage, 2. November 1741, vom König an den
! Kurfürsten von Baiern gerichteten Briese. Ab-
: gesehen von allen sonstigen Vorgängen während
! dieses Krieges, bin ich der Meinung. daß allein
die Geschichte dieser kurzen Spanne Zeit uns jede
Berechtigung zu einem harten Urteil darüber
nimmt: daß, nachdem der genannte Kurfürst mit
Hilfe Frankreichs zur Kaiserkrone gelangte, nun
dem Ruse des neuen Reichsoberhauptes 3000
Hessen folgten, während sich schon 6000 Hessen
bei der englischen Armee befanden. Diese, 'die
sog. pragmatische Armee, stand indessen garnicht
aus deutschem Boden, sondern in den
Niederlanden. Und hier waren ganz andere
Interessen zu vertreten als dort, wo die 3000 Mann
zur Verwendung kamen. Dennoch wurde ver
tragsmäßig ausbedungen, daß Kaiser Karl VII.
diese Truppen nicht gegen die Hessen in der eng
lischen Armee führen durfte. 'Das war eine weise
Vorsorge seitens des Landgrafen, aber niemals trat
die Notwendigkeit ein, sie anwenden 51t müssen.
England fürchtete von Spanien und Frankreich
viel zu viel für sich, um die Armee iu den Nieder
landen aus ihrer beobachtenden Stellung, und da
mit aus ihrer Unthätigkeit. herauszunehmen lmb
nach Deutschland zu führen. Wie schwerwiegender
Natur die Interessen Englands aber hier waren,
das beweist uns Maria Theresia selbst, denn
als sie nach Jahr und Tag in ihrem Uumute
den englischen Gesandten am Wiener Hofe zu
endlichem energischen Handeln aufforderte, be
gründete sie diese Aufforderung damit, daß sie
doch „aus Rücksichten für die englischen
J'n t e r e s s e n die g ü n st i g e n F r i e d e n s v v r -
schlüge Frankreichs abgewiesen habe".
Hiermit ist die Vertretung verschiedener Interessen
klar erwiesen. Erst als im Jahre 1743 auch
Maillebois mit seinem Heer nach Deutschland
marschierte und über den Rhein setzte, erst da gab
die englische Armee ihre beobachtende Stellung in