Briefe eines hessischen Offiziers aus Amerika.
Mitgeteilt von Karl Alexander Freiherrn Schenck zu Schweinsberg.
(Schluß.)
Philadelphia, den 22. Dezember 1777.
Förmlich habe ich mich nach dem Angenblick
gesehnt, mein geliebter Freund, wo ich Feit finden
würde, um mich mit ruhigem Blut mit Ihnen zu
unterhalten und Ihnen mit Überlegung meine
Erlebnisse mitzuteilen und meine Ansicht gerade
über diese Ereignisse, die Sie bereits gehört haben
werden. Zwar werden Sie mir kaum glauben,
wenn ich Sie versichere, daß ich während dieses
ganzen Feldzugs blos zweimal Zeit gehabt habe,
Ihnen zu schreiben, wenigstens mit etwas Vernunft
Einzelheiten oder Umstände zu erzählen. Deshalb
habe ich Frau von Bardeleben gebeten, mich zu
entschuldigen, denn wahrlich, es muß doch für einen
Mann von Ihrem Verstände langweilig sein, immer
zu lesen „bene valeo“, denn dieses erfahren Sie
von meiner Frau und Anderen.
Nun will ich mit unserm schönen Kreuzzug von
Redbank, wo (wie Sie sicher wissen werden) wir
23 Offiziere und 378 Mann an Toten, Verwundeten
und Gefangenen verloren*), beginnen. Der unglück
liche Ausgang dieses Gefechtes hat so viel Lärm
und Geschwätz sowohl bei den Engländern als auch
bei uns verursacht, sodaß ich bemerkt habe, daß
niemand den wirklichen Grund dieses Geheimnisses
gesunden hat. General Howe und seine Kreaturen
gaben Donop Schuld, indem sie behaupten, daß er
hätte äbwarten sollen, bis die englischen Schiffe
den Angriff ans die Galeeren der Rebellen begonnen
hätten. Andere sagen, daß er nur Befehl zum
Angriff gehabt hätte, falls er eine dazu passende
Gelegenheit finden würde. Kurzum, alle möglichen
*) „Die Amerikaner begruben 150 Tote und nahmen
über hundert Verwundete auf. Der Verlust der Hessen
war ein starker; die Grenadiere hatten die meisten Leute
verloren, nach diesen das Regiment v. Mirbach, zusammen
322 Mann. Die Jäger zählten 49 Tote und Blessierte.
Von 26 toten und verwundeten Offizieren gehörten 22 zu
den Grenadieren. — Lieutenant Rüster vom Regiment
v. Mirbach, der selbst mit verwundet wurde. gibt den
Verlust folgendermaßen an: 7 tote und 15 verwundete
Offiziere und 397 tote und verwundete Unteroffiziere und
Soldaten. — Von 63.verwundeten Gefangenen, die dem
Feinde in die Hände fielen, waren schon am 20. November
43 gestorben. Es fehlte bei den Amerikanern namentlich
an guten Wundärzten." Eelking, Die deutschen Hülfs-
truppen im nordamerikanischen Befreiungskriege. Band I,
S. 222 f.
verschiedenen Ansichten sind in der Armee darüber
verbreitet. Die Beurteilung m einer Ansicht über
dieses Unternehmen überlasse ich Ihnen. Sicherlich
werden Sie denken, daß man oft in den Zusammen
hang der Dinge und nicht in der Sache allein den
Erfolg von gewissen Mißerfolgen suchen muß. Es hat
lauge Zeit gedauert, bis das heftige und ungestüme
Wesen des armen Donop wieder in Einklang mit den
englischen Generalen, namentlich Howe und C o r n -
wa l l is, gebracht war,welche sehr viel Nachsicht überall
gegen ihn zeigten. Bei dem Gefecht von Brande-
wine stellte man unsere Grenadiere 200 Schritt
hinter die Englischen in zweite Linie. An diesem
Tag war ich zu Pferd, da ich schlinune Füße hatte,
und kam Donop, um mir ins Ohr zu flüstern,
daß, sobald wir losmarschierten, ich ihm eine große
Freude machen würde, wenn ich ein Mittel fände,
wie unser Bataillon links aufmarschieren könnte;
ich verstand ihn sogleich, und bat ihn, es mich nur
ausführen zu lassen. In der That hatte ich unter
dem einen oder anderen Borwand so gilt manövriert,
daß unser Bataillon, als das Feuergesecht anfing,
sich in gleicher Linie mit den Engländern, die im
ersten Treffen gestanden, befand. Es war dies ein
Geheimnis, wie Sie wohl sehen werden, denn
niemand wagte die vom kommandierenden General
ausgegebene ordre de bataille zu ändern; diese
Teufel von Engländer gaben aber ein solch tolles
Feuer aus den Feind und gingen so lebhaft mit
dem Bajonett vor, daß die Rebellen davon flohen,
ehe wir zum Schuß kommen konnten. Ich bemerkte,
daß Donop hoch entzückt war, als er sah, daß
unser Bataillon unmerklich auf dem linken Flügel
der Engländer marschierte. Ich ritt rasch dahin
und erregte den Glauben, daß unser rechter Flügel
so bedrängt sei, daß er in Unordnung zu kommen
drohe. Das war die Kriegslist, um Donops
Ehrgeiz zu dienen, und ich versichere, daß ich es
ebenfalls wünschte. ... Ein oder zwei Tage vor
dem Gefecht von Redbank erfuhr Donop, daß man
die Absicht hatte, Truppen nach Jersey marschieren
zu lassen, weshalb er einen Brief an den General
Howe schrieb, in welchem er dringend bat, ihm das
Kommando zu geben, mit seiner Brigade allein
diesen Marsch auszuführen. Es ist sicher, daß
bereits einige englische Truppen mit einer Abteilung