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Für Laukhardt war diese Einladung eine große
Freude.
Am kommenden Sonntagnachmitkag sattelte er
seinen Braunen,- nahm Abschied von Frau und
Kindern und ritt wohlgemut nach Selters zu, ohne
zu ahnen, daß er seine liebe Frau auf Erden nie
mals mehr Wiedersehn sollte.
Er ritt über Lißberg und Ortenberg nach Selters,
fragte nach dem Haus des Amtmanns Radeseld
und ward von diesem auf das freundlichste bewill-
kommt.
Radefeld ließ einen kleinen Imbiß kommen, und
bald saßen die beiden alten Freunde in traulichem
Gespräch beim Mahle, wenn es auch Pfarrer Lauk
hardt auffiel, daß sein Freund so unruhig und
zerstreut war und alle Augenblicke aus dem Fenster
schaute, gleich als wenn er jemand erwartete.
Laukhardt, der seinen Blicken folgte, sah, wie
zwei Landjäger in der gräflich hanauischen Uniform,
in voller Rüstung mit Flinte und Säbel aus das
Haus zukamen.
„Nun, lieber Freund, habt Ihr denn auch am
Sonntag keine Ruhe vor Amtsgeschäften?" fragte
er den Amtmann.
„Es scheint so", entgegnete Radeseld kurz, seinen
Gast mit scheuem Blick streifend.
Unterdessen traten auch schon die Landjäger ins
Zimmer und Radefeld befahl ihnen in herrischem
Ton: „Bindet den Mann hier und liefert ihn
sicher nach Hanau ins Gefängnis!"
Pfarrer Laukhardt schaute seinen Freund mit
irrem Blick an, ungewiß, ob es Ernst oder Scherz
sei, — aber es war bitterer Ernst, denn schon
waren die Landjäger herzugetreten und hatten dem
bestürzten Pfarrer, der gar nicht daran dachte, sich
zu wehren, die Hände gefesselt. Da begriff Pfarrer
Laukhardt, daß er einem tückischen Judasstreich zum
Opfer gefallen war; Thränen stürzten ihm aus den
Augen, fassungslos sank er auf seinen Sessel nieder.
Tie beiden Landjäger wußten nicht, was sie aus
der Sache zu machen hatten, und erwarteten weitere
Befehle des Amtmannes; dieser kehrte ihnen in
dessen den Rücken zu und trommelte ungeduldig an
den Fensterscheiben.
Rach einigen Minuten hatte sich Pfarrer Lauk
hardt wieder soweit gefaßt, daß er reden konnte.
„Radefeld, lieber, lieber Freund," flehte er, „ist
das Euer Ernst, daß Ihr mich armen Mann ins
Unglück stürzen wollt? denkt Ihr denn nicht an
unsre alte, langjährige Freundschaft? Hab' ich Euch
je etwas zu Leids gethan? Wie wollt Ihr den
Kummer verantworten, den Ihr über meine liebe
Frau und meine lieben Kinderlein bringt? O, Ihr
kennt ja meine Kinder, erbarmt Euch meiner doch
um ihretwillen! Ach, lieber Freund, so redet doch
und erbarmt Euch meiner!"
Der Amtmann aber antwortete seinem Freunde
ltnb Gast kein Wort, sondern befahl nochmals mit
rauher Stimme: „Thut, was ich Euch befohlen
habe!" und verließ das Zimmer, um in sein neben
liegendes Schlasgemach zu treten.
Nun sah Laukhardt, daß alle Hoffnung verloren
sei, daß alles Bitten und Flehen vergeblich sein
würde; denn die beiden Landjäger rissen ihn empor
und führten ihn aus dem Hause, und trotzdem die
Nacht hereingebrochen war, geradewegs auf die Land
straße nach Hanau zu.
Die ganze Nacht hindurch dauerte der Marsch,
während dessen Pfarrer Laukhardt manch heißes
Gebet zu Gott emporsandte und viele bittere
Thränen vergoß.
In der Frühe des nächsten Morgens begegnete
ihnen eine Schar Landleute, die von Frankfurt
zurückkehrten, und dabei erkannte Laukhardt einen
Hirzenhainer, der ganz erschrocken stehen blieb, als
er seinen lieben Pfarrer, von zwei Landjägern
transportiert, des Weges kommen sah.
Pfarrer Laukhardt rief ihm schluchzend zu: „Ach.
Straub, sagt doch meiner Frau, daß der Amtmann
Radefeld an mir gehandelt hat wie ein rechter
Judas und mich gefangen nach Hanau einliefern
läßt." —
(Fortsetzung folgt.)
Aus alter urtò neuer Zeit.
Authentisches über die Vergiftung des
Hoslakaien Bechstädt. Über den Fall Bech-
städt sind in letzter Zeit wieder verschiedene
Meinungen laut geworden. Da es nun wohl von
allgemeinem Interesse sein dürfte, etwa bestehende
Zweifel aufzuklären, so möchte ich eine kurze Ab
fassung aus dein Tagebuch meines Großvaters, des
Leibarztes Sr. Königlichen Hoheit des Kurprinzen
und Mitregenten, Geheimen Hosrats und General
stabsarztes Dr. Bäu ml er, in wörtlicher Abschrift
zur Verfügung stellen.
„Mit dem neuangehenden Jahre 1822 trat
auch bald neuer Verdruß ein, besonders aber er
eignete sich ein Unglück an unserem Hose, das mir
trotz der größten Mühe und pflichtmäßigster Dienst-
erfüllung recht viel Verdruß machte. Es ging
nämlich Se. Hoheit der Kurprinz im Monat Januar
zwei verschiedenmal aus die Maskerade, in der