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Sobald er gegen seine Hauptfeinde, die Führer
des Schmalkaldischen Bundes, freie Hand ge
wonnen hatte, ließ er 200 Spanier gegen Schwein
furt anrücken. Der hessische Amtmann, Lorenz
von Romrod, mußte schleunigst entweichen, bald
darauf auch der evangelische Prediger Johann
Sutel. Die Stadt ergab sich dem Kaiser und
wurde wieder zu Gnaden angenommen. Aber
Gnade und Friede waren theuere Waaren im
kaiserlichen Lager, und Tausende von Gulden
rollten deshalb ans den Kasten der Reichsstadt.
Zum Glück aber gab es nicht, wie bei Göttingen,
auch einen Landesfürsten und dessen Vetter, die
die hohle Hand für die goldene Ernte bereit
hielten. Dafür sahen sich die Schweinfurter
jedoch genöthigt, die spanische Besatzung drei
Jahre lang in ihren Mauern zu dulden und zu
ernähren. Vielleicht hätten sie lieber ein paar
tausend Gulden gemißt, als so unliebsame Gäste
behalten.
Dem Landgrafen Philipp ward auf des Kaisers
strengen Befehl am 4. Januar 1547 Amtmann
schaft und Schutzherrlichkeit gekündigt. Allein
noch Monate lang konnten sich die Schweinfurter
nicht entschließen, einen anderen Reichsvogt zu
wählen, weil sie auf eine Versöhnung zwischen
dem Kaiser und dem Landgrafen hofften. Erst
am Johannistage übertrugen sie die Schirm
herrlichkeit und Amtmannschast dem Pfalzgrafen
Friedrich II.
Die Saat, die Landgraf Philipp in Gemein
schaft mit seinem Amtmanne und seinem. Geist
lichen ausgestreut hatte, ging nicht verloren.
Schweinsurt blieb bei der protestantischen Kirche.
1830 ließ die Stadt eine Denkmünze prägen auf
das Augsburgische Bekenntniß, nnb zwölf Jahre
später feierte sie das dreihnndertjährige Jubiläum
ihrer eigenen Kirchenrefvrmation. Dabei wurde
ihres ehemaligen Schutzherru, Philipp's des Groß
müthigen, und seiner Mithelfer baufbar gedacht.
L. <&.
Oberbürgermeister Hartwig.
e in Gang über den Friedhof eines Ortes führt
uns oft an Gräbern mit prächtiger Aus
stattung und langen Inschriften vorbei, dann
aber auch an solchen, bei denen die Worte
möglichst knapp gewählt sind, sogar so, daß die
Lebensstellung nicht zu erkennen ist. Hierzu ge
hört ein Grabhügel aus dem neuen Friedhose
vor dem Holländischen Thore zu Kassel, Abth. 10,
welcher ohne Schmuck zwei Tafeln trägt mit den
kurzen Inschriften
(rechts) Heinrich Will). Hartwig,
geb. 29. Dez. 1792, gest. 1. Mürz 1863,
(links) Elise Hartwig, geb. Großheim,
geb. 27. Nov. 1800, gest. 29. Okt. 1863
und die Ueberreste eines Ehepaares birgt, das
einst dahier eine angesehene Nolle gespielt hat.
Oberbürgermeister — wenn nur das
Beiwort da stände — Hartwig ist bekannt als
ein Mann, der sich um das Wohl der Stadt
Kassel hoch verdient gemacht hat, und die Kunde
von seinem raschen Hinscheiden erweckte allgemeine
und aufrichtige Theilnahme in der ganzen Bürger
schaft. Nach dem Extrablatt der Hessischen Morgen
zeitung vom 2. Mürz 1863 und Nr. 1172 der
selben vom 8. März 1863, sowie den kurzen
Mittheilungen der Kasseler Zeitung Nr. 51 vom
2. März und Nr. 55 vom 6. Mürz 1863 ist
über seine Lebensschicksale Folgendes zu berichten:
Heinrich Wilhelm Hartwig wurde am 20. De
zember 1792 zu Hofgeismar geboren, bezog mit
17 Jahren die Universität Marburg, stndirte
ein Jahr Theologie, dann die Rechtswissenschaften
drei Jahre lang, wurde 1816 oder 1817 Anwalt
zu Karlshasen und 1821 Obergerichts-Anwalt
zu Kassel, woselbst er sich am 27. Mai 1821
mit einer Tochter des trefflichen Musikers Großheim,
Namens Elise, verheirathete. Im Frühjahre 1838
wählte ihn die Stadt Kassel zu ihrem Vertreter-
auf dem Landtage, in gleicher Weise nahm er
an dem Landtage von 1839 Theil. Am 6. Mürz
1848 wurde er zum Oberbürgermetftcr der
Reside n z erwählt und alsbald unter dem Ein
flüsse der März-Bewegung von dem Kurfürsten
Friedrich Wilhelm bestätigt. In dieser Stellung
ist er bei allen Kämpfen und Verhängnissen des
Hessenlandes betheiligt gewesen und gehörte stets
zu den Männern des gemäßigten Fortschritts
und der Verfassung von 183!. In der bald
danach kommenden Reaktivnsperivde mit Bnndes-
exekntion und allen ihren Nachwehen hatte altes)
Hartwig zu leiden. Er hatte nicht nur in seiner
Wohnung im Rathhanse Strafbaieru in's Quartier
zu nehmen, sondern wurde sogar, weil er den
Regieruugsmaßregelu gegenüber an der von ihm ge
wonnenen Ueberzeugung treu festhielt, im Frühjahr
1851 vom Militärgerichte zu dreimonatlicher
Festungshaft verurtheilt und am 10. Sep-