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erzählen wissen. Der vorerwähnte Preußische
Kammergerichtsrath Ernst Theodor Wilhelm Hoff-
mann aber, der sich zu Ehren des göttlichen Mozart
aus eigener Machtvollkommenheit Amadeus nannte,
rief die „Serapionsbrüder" um sich und legte in
ihren Unterredungen und Erzählungen sein großes
Vermächtniß über die Künste nieder. Aehnlich
wie E T. A. Hoffmann umgab zehn Jahre später
der junge Robert «Schumann in Leipzig sich mit
den mehr oder weniger fingirten „Davidsbündlern".
„Der Davidsbund", schreibt Schumann an den
Kapellmeister Dorn, „ist nur ein geistiger, roman-
tischer. Mozart war ein ebenso großer Bündler,
als es jetzt Berlioz ist, Sie sind es, ohne gerade
durch Diplom dazu ernannt zu sein. Florestan
und Euseb ist meine Doppelnatur, die ich wie
Raro gern zum Manne verschmelzen möchte Die
anderen Verschleierten sind zum Theil Personen."
Also haben die „Davidsbündler" doch nicht in
Schumann's Kops allein existirt, vielmehr ist
ihrem, d. h. dem Zusammenwirken einer Anzahl
gleichbeseelter junger Leute, die sich im „Kaffee
baum" in der Fleischergasse zu Leipzig mit Schu
mann allabendlich trafen, das Zustandekommen
der berühmten „Neuen Zeitschrift für Musik" zu
danken. Dieselbe erschien zuerst am 3. April 1834,
und an der Spitze Derjenigen, welche für die
Redaktion zeichneten, steht der Name „Schunke".
Ludwig Schunke*) war am 21. Dezember
1810 in Kassel geboren und stammte aus einer-
berühmten Virtuosenfamilie, welche auf dem Horn
Bewundernswerthes leistete. Zwei Brüder Schunke
gehörten zu den hervorragendsten Mitgliedern der
ausgezeichneten Hofkapelle des Königs Hieronymus
von Westfalen in Kassel. Der Vater Ludwig's,
Gottfried Schunke, ging nach der Auflösung der
königlichen Hofhaltung von Kassel nach Stuttgart,
von wo aus er mit dem künstlerisch hochbegabten,
körperlich aber schwachen Sohne schon in dessen
zartem Alter Kunstreisen machte, welche vielleicht
das schnelle Ableben desselben befördert haben, denn
nur ein kurzer Lebenslauf sollte dem vielversprechen
den Jüngling beschieden sein. Nachdem er von
1828 an in Paris bei Anton Reichn, Professor
*) Vgl. Neue Zeitschrift für Musik, 1835, Nr. 36 und
38, sowie 1836, Nr. 38 und 44. — Gesammelte Schriften
über Musik und Musiker von Robert Schumann. Bd. 1,
92, 325, Bd. II, 56, 277. Leipzig (Georg Wigaud's
Verlag) 1854. — Wasielewski: Robert Schumann.
Leipzig (Verlag von Breitkopf u. Härtel) 1880. — Jansen:
Die Davidsbündler. Leipzig (Verlag von Breitkopf u.
Härtel) 1883. (In diesem Werke befindet sich auch ein
Bildniß Schunke's, das nach dessen Tod von Emil Kirchner
gezeichnet wurde.)
Ueber die Musikerfamilie Schunke vergl. mau auch
„Allgemeine Deutsche Biographie", Bd. 33.
Anm. d. Red.
am dortigen Konservatorium, sich zwei Jahre
laug theoretisch ausgebildet hatte, giug er nach
Stuttgart zurück und von da 1832 nach Wien,
wo er bald als Klaviervirtuos bedeutendes Ansehn
genoß. Gegen Ende des folgenden Jahres kam
Schunke nach Leipzig, und von da an steht seine
Persönlichkeit voll und ganz vor uns. dank der
Feder Robert Schumann's, die rms ein Bild des
Verewigten gegeben hat, wie es selbst dem Pinsel
des genialsten Malers zu schaffen nicht möglich
gewesen wäre, denn Schumann's Federzeichnung
veranschaulicht uns den äußeren und inneren
Menschen mit gleicher Trefflichkeit.
Als Ludwig Schunke in den Schnmann'schen
Kreis trat, der damals im Kellerlokal von Krause
in der Katharinenstraße seine Anziehungskraft
auf künstlerische Gemüther ausübte, erschien er
allen wie eine Offenbarung. Seine edle Gestalt
und seine feinen Züge verglichen einige mit einem
Johannisbikdniß, andere meinten, grübe man in
Pompeji einen ähnlichen Studienkopf aus, man
würde ihn für den eines römischen Imperators
erklären. Der Davidsbündler Florestan aber
flüsterte: „Da geht ja der leibhaftige Schiller
nach Thorwaldsen herum, nur ist am lebendigen
vieles noch Schiller'scher." Sollte dem Leser das
Bild Schunke's nach diesen Andeutungen noch
nicht deutlich genug vor Augen stehen, so sei zur
Ergänzung hinzugefügt, was Schumann an dieser
Stelle begeistert ausruft: „Ihr habt ihn alle
gekannt, die schwärmerischen Augen, die Adler
nase, den fein ironischen Mund, das reiche herab
fallende Lockenhaar und darunter einen leichten,
schmächtigen Torso, der mehr getragen schien, als
zu tragen." Trotzdem Schumann, noch ehe jener
leise seinen Namen „Ludwig Schunke aus Stutt
gart" genannt hatte, eine innere Stimme zu
hören glaubte: „Das ist der, den wir suchen!"
kam die gegenseitige Annäherung doch nur langsam
zu Staude, um sodann aber zu einem um so
festeren Freundschaftsbunde zu führen.
Die erste.Veranlassung, daß Schumann und
Schunke sich näher traten, gab Otto Nicolai,
der nachmalige Komponist der „Lustigen Weiber
von Windsor". Dieser berührte, ans der Reise von
Berlin nach dem Süden begriffen, Leipzig und
wurde mit Schunke in eine Gesellschaft eingeladen.
Bei dieser Gelegenheit äußerte er sich, ohne zu
wissen, daß der Sprößling einer berühmten
Hornistensamilie sich ganz in seiner Nähe befand,
sehr abfällig über die Hörner. „Mau sollte ihnen
nichts zu blasen geben als 0, 0, E", sagte er,
und „ob denn das erste Hornthema in der C-moll-
Symphonie, welches doch sehr leicht, nicht greulich
genug allenthalben ausfiele?" Daraufhin forderte