300
Aus KermcrtH und Arreuröe.
Ludwig 23tdetl t- Wieder hat der Tod
uns einen der treuesten Söhne des Hessenlandes
entrissen. In den Frühstunden des 20. Oktobers
starb nach schwerem Leiden der Landeskonservator
Dr. phil. Ludwig 23t(fest in Marburg, all-
beliebt und allbekannt in Hessen als ,der Bickell'.
Geboren am 13. September 1839 in Marburg
als Sohn des Kreissekretärs, späteren Landraths
Bickell, besuchte er das Gymnasium zu Marburg,
widmete sich von 1860 — 1864 in Marburg und
in Leipzig juristischen und kameralistischen Studien,
bestand 1864 sein Referendarexamen und arbeitete
bis 1867 bei der Regierung zu Marburg. Dann
unternahm er Studienreisen nach England, Holland
und Frankreich und lernte dort die großen Samm
lungen kunst- und kulturgeschichtlicher Gegenstände,
wie sie das Museum Cluny in Paris und das
Kensington-Museum auszuweisen hatten, kennen.
Das germanische Museum in Nürnberg., das er
eingehend studierte und mit dessen Leiter August
Essenwein er zeitlebens in engster Beziehung blieb,
gab ihm die erste Anregung, eine ähnliche Sammlung
lokalen Charakters für Hessen zu sd)affen. Die
äußeren Umstände waren seinem Unternehmen an
fänglich wenig günstig, namentlich fehlte es ihm an
thatkräftiger Unterstützung von Seiten der Regierung.
Später wurden ihm in dem zum Archiv eingerichteten
Schlosse einige Zimmer zur Verfügung gestellt
und von hier aus entwickelte sich unter Bickellls
rastlosen Bestrebungen die junge Schöpfung lang
sam zu einem hessischen Alterthumsmuseum. Bald
fanden seine idealen Bestrebungen auch von fach-
wissenschaftlicher und staatlicher Seite die gebührende
Anerkennung. Am 30. Januar 1892 verlieh
ihm die philosophische Fakultät der Universität
Marburg die Doktorwürde hcmori8 causa und im
selben Jahre wurde er von der zur Denkmals
pflege neu gegründeten Kommission zum Landes
konservator für Hessen ernannt. Die Thätigkeit,
die er in dieser amtlichen'Stellung fast zehn Jahre
ausgeübt hat, ist eine äußerst segensreiche gewesen.
Aber leider war sein Gesundheitszustand von Kind
auf nicht immer der beste. Bei den Arbeiten
zum II. Band der hessischen Bau- und Kunst
denkmäler, denen er seit August in Fritzlar oblag,
hatte er seinen schwachen körperlichen Kräften zu
viel zugemuthet. Aber im Uebereifer beachtete er
zu wenig die drohenden Anzeichen tödtlicher Krank
heit, die ihn zur Rückkehr nach Marburg zwangen
und ihn nunmehr nach schweren Leiden mitten aus
seinem wissenschaftlichen Beruf herausgerissen haben.
Die Worte, die Professor Edward Schröder
am Grabe des Verstorbenen gesprochen und uns
gütigst znm Abdruck überlassen hat, geben wir mit
dem Bilde des Verewigten an der Spitze unserer
heutigen Nummer wieder und müssen uns vor
läufig mit der Aufzählung seiner Schriften
begnügen, indem, wir die eingehende Würdigung
derselben einer berufeneren Feder überlassen:
1. Das alte Marburg. 1878. 2. Zur Erinne
rung an die Elisabethkirche in Marburg. 1883.
3. Hessische Holzbauten. 1.1887. 11.1892. 4. Die
Eisenhütten des Klosters Haina. 1889. 5. Ueber
hessische Bucheinbände (ein Führer durch die Mar-
burger Druckausstellung). 1890. 6. Einbände aus
hessischen Bibliotheken. 4892 (großes, auch in
englischer Bearbeitung erschienenes Prachtwerk).
7. Die Bau- und Kunstdenkmäler in Hessen. Band I.
Kreis Gelnhausen 1901 (wozu Dr. W. Grotefend
den historischen Text verfaßt hat), endlich eine
sehr schöne, aber schwer zugängliche Schrift:
L’eglise et la ehässe de Ste. Elisabeth, in der
Revue de l’Art chretien 35, T. III, 1892 (mit
Abbildungen).
Geschichtsverein. Verschiedene Gründe haben
den Vorstand des Vereins für Hessische
Geschichte und Landeskunde in Kassel
veranlaßt, die Monatsversammlung nicht, wie bis
her üblich, am letzten Montag des Monats, sondern
erst am 4. November, dafür aber am 28. Oktober
den ersten wissenschaftlichen Unterhaltnngsabend
(sog. Herrenabend) im Cafe Merkur am Friedrich-
Wilhelmsplatz abzuhalten, über den wir noch be
richten. Die Monatsversammlungen finden, wie
seither, im kleinen Saale des evangelischen Vereins
hauses statt.
Universitätsnachrichten. Der Privatdozent
Dr. E. Lentert in Königsberg hat einen Ruf als
außerordentlicher Professor für Ohrenheilkunde und
Direktor der Ohrenklinik nach Gießen angenommen.
— Der Privatdozent Dr. G. Bohlinann in
Göttingen ist zum außerordentlichen Professor an
der philosophischen Fakultät der Universität Gießen
ernannt worden. — Der bisherige Marburger
Privatdozent Dr. Kampfsmeyer hat sich in Halle
habil itirt.
Otto Bähr. Ueber unsern dahingeschiedenen
Landsmann den Reichsgerichtsrath Dr. Otto Bähr,
dessen Nekrolog das „Hessenland" im Jahrgang 1895,
Seite 86 ff., brachte, findet sich eine sehr beachtens-
werthe Beurtheilung in einem demnächst erscheinenden
Werke von Professor Köhler in Berlin „Vom
Lebenspsad". Der hohe wissenschaftliche Stand-