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Kessrsche 'Jßücfyevfcfyau.
Schoos, Wilhelm. Die deutschen Ver-
wau dtschastsna m en. Ein Beitrag zur
vergleichenden Wortkunde. Inauguraldissertation
zur Erlangung der Doktorwürde. Marburg.
1900. (VII. 76 S. gr. 8).
Der Verfasser vorstehender Abhandlung, der ans
der trefflichen Schule Edward Schröders hervorge
gangen ist, untersucht in erster Linie, welcher Mittel
sich die Sprache bedient, um alte, ererbte Bezeich
nungen begrifflich und lautlich zu modifizieren und
neue eigene Begriffe zu schaffen. Erst in zweiter
Linie hat er das Gebiet der Etymologie und Kultur
geschichte berücksichtigt, obgleich er sich redlich bemüht
hat, bei der Untersuchung über Berwandtschaftsbe-
griffe stets zuerst von der etymologischen Beziehung
auszugehen. Hierbei muß man anerkennen, daß er
es im Gegensatze zu der Gepflogenheit mancher
Forscher glücklich vermieden hat, das gefährliche
Gebiet der Etymologie durch neue Hypothesen zu
bereichern. Dagegen finden wir eine weitgehende
Berücksichtigung der Kindersprache; es ist dies ein
wichtiger, von den Forschern bisher viel zu wenig
beachteter Punkt. Viele Rufnamen, Tiernamen,
Bezeichnungen von Speisen, Getränken, Kleidungs
stücken, Hausgeräten n. s. w. stammen ans der
Kindersprache, von wo sie in unbewußter Weise in
die Schriftsprache übergegangen sind. Diese Beob
achtung kann man aus dem gesamten indogerma
nischen Sprachgebiete machen. Den verschiedenen
Faktoren, dem chronologischen, geographischen, be
grifflichen und dem rein sprachlichen hat Schoos
eine möglichst einheitliche Behandlung gegeben,
indem er die drei letzteren dem ersteren subordi
nierte und jene wieder koordinierte. Ans diese
Weise stellte er folgendes Schema auf, das für die
einzelnen Kapitel durchgeführt ist: I. Indo
germanische Tradition, II. Germanische
Tradition, III. Neuhochdeutsche Zeug
nis s e, IV. Erscheinungen in d en Dialekten.
Die germanische Tradition ist geschieden in a) Ost
germanische chezw. da, wo das Gotische nicht in
Betracht kommt. Nordgermanische), t>) Westgerma
nische. Vom Westgermanischen trennte er das
Deutsche ab; hier hat er im Neuhochdeutschen und
in den lebenden Mundarten die Entwickelung der
Verwandtschastsnamen nachgewiesen; nur gelegentlich
finden wir eine Berücksichtigung der nenenglischen,
neuniederländischen und neunordischen Sprachen.
Der Untersuchung sind hauptsächlich die Principien
eines Werkes aus' dem Gebiete der romanischen
Philologie zu Grunde gelegt, worauf Edward
Schröder den Vers, hingewiesen hat: Ernst
Tappolet, Die Romanischen Verwandtschafts-
nnmen, Straßburg, 1895. Für das Gebiet des
Indogermanischen bot die Schrift von Bert hold
Delbrück, Die indogermanischen Berwandtschafts-
namen, Leipzig 1889, wertvolles Material. Schoos
beansprucht indessen nicht unbedingte Vollständig
keit der Materialsammlung, obgleich er auch in
dieser Hinsicht sich redlich bemüht hat, wie die Art
der Benutzung seiner mundartlichen und sonstigen
Quellen zeigt. Nicht nur sind die gedruckten
Quellen von ihm sorgfältig durchforscht; auch aus
uugedruckten Quellen hat er eifrig und mit Erfolg
geschöpft, indem er sich mit Fragebogen au eine
Anzahl von Dialektforschern wandte, zum teil auch
selbst aus dem Bolksmunde sammelte. Gute Dienste
leisteten Wenkers Sprachatlas und Mentz,
Bibliographie der deutschen Mundartenforschuug,
Leipzig 1892. Schoos hat die Kollektivbegriffe,
sowie die höheren und niederen Grade („Urgroß
vater" rc.), ebenso die Kapitel: „Bruder, Schwester,
Sohn, Tochter" ausgeschieden. Kapitel 1 behandelt
„Vater, Mutter", Kap. 2 „Großvater/Großmutter",
Kap. 3 „Onkel, Tante", Kap. 4 „Vetter, Base",
Kap. 5 „Enkel, Enkelin", Kap. 6 „Neffe, Nichte." —
Zu Kap. 5, S. 67, 70, sei bemerkt, daß „Geschwister-
Dichter" (äecbtar) sich noch heute in einem Teile
Oberhessens findet. — Aus die Fortsetzung der
Abhandlung, die in der „Zeitschrift für hochdeutsche
Mundarten" (I, 4 — 5) erscheint, muß man sehr
gespannt sein. In jeder Hinsicht zeigt sich die
Arbeit Schoosts als ein höchst wertvoller Beitrag
zur Lexikographie. Einen besonderen Wert müssen
wir darin erkennen, daß Verfasser sich vor unfrucht
baren Hypothesen gehütet hat. So zeigt die
Schrift durchgängig sichere Ergebnisse, die von
bleibendem Werte sind. Nicht nur der Fachmann,
sondern ein Jeder, der sich für mundartliche Forschung
und Volkskunde iuteressieri, wird durch die um
sichtig angelegte und klar ausgeführte Abhandlung
hochbefriedigt werden.
Lau back, Dez. 1900. Dr. A. Zt.
Horwitz, L. Die Israeliten unter dem
Königreich Westfalen. Ein akteumäßiger
Beitrag zur Geschichte der Regierung König
Järome's. Kommissionsverlag von S. Calvary
& Co., Berlin. 106 S. ,
Die Zeit der französischen Fremdherrschaft ist
gewiß für unsere hessische Heimath eine Zeit tiefer
Schmach gewesen. Allein wie es so oft geht im
Leben der Völker, selbst von den Feinden wird uns
manches Gute gebracht. So ist es ganz unbestritten,
daß die westfälische Zeit viele wohlthätige Spuren
in Verwaltung und Justiz, im Militärwesen und