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zuschreiben und sie würden sofort beschafft
werden.
Ich erwiderte ihm, daß ich die Sache nur
scherzhaft gemeint habe, da in München, wohin
mein Weg mich führe, alles zu finden sei, was
ich brauche, und die Beschaffung werthvoller
orientalischer Werke, welche zumeist aus kostbaren
Manuskripten beständen, nicht so leicht zu er
möglichen sei wie der Ankauf von Büchern, die
man aus jeder Buchhandlung beziehen könne.
Allein er beruhigte sich dabei nicht; ich mußte
mit ihm an einem der nächsten Tage nach Kassel
fahren, um aus der Staatsbibliothek nachzuforschen,
ob dort nicht Förderliches für meine Studien
zu finden sei. Der Ausflug war nicht ganz
vergebens: ich fand mit Hilfe des liebenswürdigen
Oberbibliothekars Bernhardt die „Extras
des Manuscrits du Roi“ von Shlvestre de Sach
und wir nahmen gleich einen Band davon mit,
welcher wichtige Beiträge zur Geschichte des Sufis
mus enthielt. Dann benutzte der Baron die
Gelegenheit, mich seinen Verwandten in Kassel
bekannt zu machen, von welchen einer in der
westfälischen Zeit eine große Rolle gespielt und
vom König Jerome den Grafentitel erhalten
hatte, ohne jedoch nach dessen Abzug denselben
weiter zu führen.
(Fortsetzung folgt.)
Pfarrers Mlicken.
Hessische Dorfgeschichte von W. Holzamer.
(Schluß.)
Langsam fügte sich ein Jahr zum anderen, und
wenn man's übersah, war's doch schneller gegangen,
als man's gedacht hatte.
So hat ich meine dreiundzwanzig erreicht. Das
Käthchen war nun wohl an den zwanzig.
Ich kam zur Kirchweih heim. Recht lustig wollt'
ich sein und mein gut Theil tanzen.
Wie ich am Nachmittag in's Wirthshaus komme
und in den Tanzsaal trete, steh' ich den Mädchen
gegenüber, die an der Wand sitzen und auf die
Burschen warten. Auch 's Käthchen ist dabei. Aber
es steht da oben und plaudert mit einem Mädchen,
als ob's nicht dazu gehöre. Der Brauch, an der
Wand zu sitzen, behagte ihr offenbar nicht.
Ich laß die Blicke über die Mädchen gleiten.
Das Orchester spielt einen Walzer.
Heut — wähl' ich das Käthchen! —
Burschen kommen — Paare tanzen. Es geht
alles sehr rasch.
Und nun ist schon ein wenig Trubel im Saal.
Das Käthchen plaudert noch.
Ich gehe hin.
Formell zu sein, hätte ich nun nicht über's Herz
gebracht. Ein konventionelles Wort wäre mir nicht
aus der Kehle gegangen.
„Käthchen", sag ich, „wollen wir nicht den Walzer
zusammen tanzen?"
Sie sieht aus — sie sieht mich an — sie er
riethet —
Sie greift in ihre Stirnlöckchen mit verlegenem
Finger
Sie neigt den Kops — — „Danke!" — und
ganz leise: „Nein!" sagt sie und verbeugt sich.
Ich habe keinen Tanz getanzt.
Das Käthchen tanzte viel, meist mit Fremden.
Nun war's bald Zeit zum Abendessen.
Das Käthchen ging.
Und bald ging auch ich.
Wäre meine Mutter nicht gewesen, ich wäre nach
dem Abendessen zu Hause geblieben.
„Geh, Bub, schäm dich", sagte sie. „Gar nicht
getanzt. Und nun zu Hause bleiben. Jung sein
und in der Stube hocken, wenn's Kirchweih ist,
Bub, das paßt nicht. Tanzen und froh sein, wie
wir's auch waren, da wir jung sind gewesen. Werd
mir kein-Stubenhocker, Bub, und kein Duckmäuser!
Du hast jetzt das Alter, du gehst mir zum Tanz.
Jetzt sind die Jahre, hast noch lang genug vor zum
Daheimhocken —!"
Da ging ich denn wieder.
Bald kam auch das Käthchen mit ihren Nachbars
leuten.
Und ich tanzte noch nicht.,,
Da bestellten die Fremden eine Franyaise.
Unsere Dorfschönen mußten nun „schimmeln".
Auch das Käthchen. Halb gönnt' ich's ihr.
Doch nun fehlte noch ein Paar.
Ich konnte ja die Franyaise. Und nun saßt' ich
mir ein Herz.
„Käthchen, wollen wir die Fran^aise zusammen
mittanzen?"
Sie lächelte: „Ich kann sie ja nicht."
Aber sie sah doch ganz stolz aus — und sie
war recht wohl Willens.
„Wenn du mit mir tanzst, geht's schon — ich
sag' dir jedesmal, was du thun mußt."
Und rascher, als es zu erwarten war, hing sie
in meinem Arm.