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Buche „Hessische Volkssitten und Gebräuche" 2. Ausl.
S. 9 darüber schreibt: „Dieses Wort „Scherz" ist
aus der Wurzel scer, im ahd. scerön, fortgebildet
und bedeutet schnarchen. Rast-, Feierstunde halten.
Scherztage sind daher Ruhetage. Man sagt bei
uns, das Gesinde scherzt am dritten Weihnachtstage,
d. h. es arbeitet nicht, geht aus dem Dienst oder
bringt diese Tage bis zum 31. Dezember in seiner
Heimath zu. Zu diesem Zwecke erhalten die Knechte
und Mägde eine bestimmte Gabe von Viktnalien,
das sogenannte „Scherzwerk" seitens der Dienst-
herrschaft, um davon in dieser Zeit zu zehren.
Dies Wort „scherzen" hat sich bei unserm Volk
—
Airs KeimcrtH
Verein für hessische Geschichte und
Landeskunde. Für diese Nummer ist über
nicht weniger als vier Vorträge im Verein für
hessische Geschichte zu berichten, die sämmtlich viel
Belehrendes boten und erheblich dazu beigetragen
haben werden, die Bestrebungen des Vereins in
immer weitere Kreise zu trageu und demselben
neue Freunde und namentlich neue Mitglieder zu
gewinnen. Obgleich deren Anzahl bislang stark
angewachsen ist und immer weiter zunimmt, so ist
doch zu hoffen, daß dies in beschleunigtem Zeitmaß
geschehen und das zweite Tausend der Vereins
mitglieder schneller vollzählig werden möge als das
erste Tausend. Nur so wird der Verein für seine
Zwecke zu den für deren Förderung nicht zu ent
behrenden Mitteln kommen können. Drei dieser
Vorträge betrafen das Gebiet der jetzt endlich mehr
in den Vordergrund getretenen Bestrebungen aus
Erhaltung der alten Baudenkmäler, insbesondere
der Burgen. Am 19. Mürz redete zu Kassel
C. Krollm a nu, Herausgeber der Zeitschrift „Ter
Burgwart", Organ der Vereinigung zur Erhaltung
deutscher Burgen, über „deutsche Burgen init
besonderer Berücksichtigung der hessischen".
Zu wesentlicher Erhöhung der Wirkung der an
sich schon klaren und fesselnden Ausführungen des
Vortragenden dienten die in deren Begleitung ge
botenen Lichtbilder, die vortrefflich gelangen. Redner
zerlegte die Burgen in Wasser- und Höhenburgen,
welch' letztere sich in Mitteldeutschland gewöhnlich
finden, und unterschied nach der Verschiedenheit der
Angriffswaffen drei Perioden des Burgenbaues.
Die erste um das Jahr 950 beginnend und etwa
mit dem Jahre 1200 endigend ist die des Gebrauchs
des Bogens und der Steinschleudermaschinen. Die
zweite umfaßt die Jahre von 1200 bis 1400 und
ist die der Armbrust und die der ersten aus deren
auch in transitiver Bedeutung erhalten. Man sagt
vom Müller, er „scherzt" die Mühle, wenn er
dieselbe zum Stillstehen bringt."
Gerade dieser letztere Gebrauch des Wortes, den
ich selbst oft in unserem hessischen Volke vernommen
habe, verbürgt mir die Richtigkeit der Kolbe'schen
Ableitung. Bei dieser Gelegenheit möchte ich den
ganzen betr. Abschnitt des genannten Buches von
Kolbe zu genauerer Durchsicht angelegentlichst em
pfehlen und besonders das, was er daselbst und
auch noch an anderer Stelle über die schöne, still
selige Zeit „zwischen den Jahren" sagt.
I. Aieveking, Metr.
unö gfremöe.
Grundlage beruhenden Geschütze. Die letzte endlich
findet mit der Vervollkommnung der Feuerwaffen
um das Jahr 1550 ihren Abschluß, womit der
Bau der Burgen als unhaltbar überhaupt aufhört.
Die Hauptbestandtheile einer Burg bilden 1) der
Bergfried, 2) der Palas, 3) die Kemenate, 4) die
Ringmauer und 5) der Graben, doch können einzelne
oder mehrere dieser Stücke ganz fehlen oder mit
einander vereinigt sein. Die gegenseitige Ergänzung,
welche die vorgeführten Lichtbilder und die form
gewandte Darstellnngsweise des Redners einander
boten, sicherten dem Vortrag nachhaltigen Eindruck.
Am folgenden Abend (20. März) sprach in gemein
schaftlicher Sitzung des Niederhessischen Tonristen-
vereius und des Geschichtsvereins Postverwalter
Georg Siegel (Hess. Lichtenau), der Geschichts
schreiber seiner Vaterstadt und von deren Umgebung,
die ihm ein ausgezeichnetes Werk verdankt, und
der uneigennützige unermüdliche Vorkämpfer der
Bestrebungen auf Erhaltung der Ueberreste der
alten Burg Reichend ach, über die Geschichte der
selben. In warmen Worten wies zunächst der
Vorsitzende Bibliothekar Dr. B r u n n e r, der auch
am Abend zuvor den Vorsitz geführt hatte, auf
die Verdienste des Herrn Siegel aus beiden Ge
bieten hin, und erklärte es für den Zweck der
Veranstaltung des Vortrages, das Interesse, welches
an vielen Orten für die Bewahrung der noch
vorhandenen Bautheile des alten Schlosses Reichen
bach vor dem drohenden Einsturz bestehe, neu zu
beleben. Da, wo der fränkische Hessengau und
die thüringische Germarmark zusammenstoßen, er
hebt sich in beherrschender Lage der Reichenbacher
Schloßberg. Er gehörte in das Gebiet der Grasen
von Reichenbach und Ziegenhain, welche sich nach
Auslösung der alten Gauverfassung dort nieder
gelassen hatten. Urkundlich wird ein Gras Gozmar