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Die Stellung des Heeres auf dem linken Rhein-
ufer wurde im Rücken durch die von Weißenau
ringsum bis an den Strom gegenüber von Biebrich
errichtete Circumvallationslinie gedeckt, • an der
Tausende von Bauern arbeiten mußten. In einem
Kriegsrathe der beiden Kurfürsten, des Landgrafen
von Hessen, des Herzogs von Lothringen und einer
Anzahl hoher Generale wurde am 11./21. Juli
Beschluß über die Führung des Angriffes auf die
Festung gefaßt und am 12./22. Juli überall die
Laufgräben eröffnet.
Den Hessen war die Eroberung der großen
Schanze auf der Insel bei Kostheim zugewiesen
worden, und als ihr Landgraf wieder im Lager
am 18./28. Juli anlangte, bestimmte er mit dem
Grafen Lippe die gegen jene Schanze vorzutreibenden
Laufgraben. An der Westseite von Kostheim war
eine Batterie erbaut worden, auf dem Boden des
zerstörten Ortes Kastei eine andere; ihre Schuß
linien kreuzten sich in der großen Schanze, die
sie alsbald beschossen. Der Oberbefehlshaber ordnete
die allgemeine Beschießung von Mainz an, nach
dem die großen Batterieen des Angriffes der
Kaiserlichen wie der Baiern und Sachsen fertig
waren, am 29. Juli (8. August).
Durch die beiden aufwärts und abwärts der
Festung über den Rhein sowie die über den Main
bei Hochheim von den Hessen gelegte Schiffbrücke
stand das Belagernngsheer rings um Mainz und
die große Schanze auf dem rechten Rheinufer in
Verbindung; die Gustavsburg am linken Main
ufer zwischen Main und Rhein, eine verfallene
Verfchanzung aus der Zeit König Gustav Adolfs,
war von Knrbaiern besetzt, sodaß die französische
Besatzung der Festung eingeschlossen und von Unter
stützung von außen abgeschnitten war.
Der französische Generallieutenant Marquis
d'Uxelles, unterstützt von dem Gouverneur von
Mainz, dem bedeutenden Ingenieur General de
Choisy, führte die Vertheidigung der Festung mit
ausgezeichneter Umsicht und Tapferkeit. Jede Nacht
hielt er sich bis 2 Uhr auf den Wällen auf. dann
schlief er nicht in der Stadt, sondern in irgend
einer Kasematte. Tie Besatzung machte mehrfach
Ausfälle, die ihr selbst und dem Belagerungsheere
große Verluste verursachten. Die Laufgräben
näherten sich unter täglichem Abgänge an Todten
und Verwundeten den Wällen der Festung. Einen
besonders heftigen Ausfall machten die Franzosen
am 6./16. August gegen die Belagerungsarbeiten
mit 2000 Mann, denen 400 Arbeiter zum Zer
stören jener Arbeiten folgten. Ter Kamps währte
fast 1 Stunde unter den Augen Lothringens und
endigte mit sehr großem Verluste aus dem Glacis,
das mit Todten und Verwundeten besät war;
den Franzosen hatte er 500, den Deutschen 180
Mann gekostet. Choisy ließ an Uxelles darauf
bemerken, daß wenige Tage wie dieser dem Könige
bald Sold und Brot ersparen würden.
Der Herzog von Lothringen sprach öffentlich
seine Freude über die Haltung der Truppen aus,
dem Landgrafen Karl von Hessen ließ er seinen
Glückwunsch zu der Tapferkeit seiner Hessen aus
sprechen (Heimes, Die Belagerung von Mainz 1689) ;
es war ein hessischer Kapitän außer anderen
Todten und Verwundeten geblieben. Die Arbeiten
und die Kämpfe gingen weiter, bis der Herzog
von Lothringen am Abend des 25. August (4. Sep
tember) von Mar Emanuel von Baiern die
Meldung empfing, daß dieser so weit sei, den
Sturm auf die Contrescarpe zu wagen. Johann
Georg von Sachsen begleitete den Baiernfürsten
hierbei, uub Landgraf Karl, der zur Besichtigung
der Laufgräben gekommen war, nahm an der
Berathung Theil, welche die Fürsten hielten, man
einigte sich dahin, die Anordnungen zum Sturme
zu treffen. Dieser sollte mit 10 000 Mann
unternommen werden, doch das ganze Lager unter
Waffen stehen. Der Herzog und Landgraf Karl
hatten sich geeinigt, daß sämmtliche Generale und
Obersten der Armee mit in den Laufgräben an
wesend sein sollten, um den Muth der Truppen
anzufeuern und Verluste an Offizieren rasch zu
ersetzen.
Den 27. August (6. September) Nachmittags
4 Uhr donnerten die 4 Kanonenschüsse, das Zeichen
zum Sturme, aus der Seite der Kurfürsten —
gingen die Grenadiere aus den Laufgräben in
Kürassen vor, denen die übrigen zum Sturme
bestimmten Truppen folgten. 100 Geschütze,
48 Mörser, alle Musketiere auf den Brustwehren
der Laufgräben vereinigten ihr Feuer aus die zu
stürmenden Wälle. Das Ringen war schrecklich
und mörderisch, die Franzosen verloren 2000 Mann
an Todten und Verwundeten, auch der deutsche
Verlust betrug 1500 Mann. Die Hessen stockten
in ihrem Angriffe, da ihnen gleich Anfangs viele
Offiziere kampfunfähig geworden waren.
Uxelles, der sich zu einem Ausfalle nicht mehr-
stark genug fühlte, wartete fernere Angriffe nicht
ab, um den Rest der Besatzung zu retten; er ließ
am 29. August (8. September) 9 Uhr Morgens
Chamade schlagen und die weiße Fahne aufziehen.
Zwei Tage darauf zog die tapfere Besatzung aus
der so ruhmvoll vertheidigten, nun dem Reiche
wiedergewonnenen Festung ab.
Die Belagerung hatte vom 12./22. Juli bis
zum 29. August (8. September) gedauert und
der Stadt Mainz schwere Opfer an Leben und
Eigenthum der Bewohner gekostet, Folgen der