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Ausspruch eines angesehenen Brunnenarztes aus
dem 16. Jahrhundert, also einer Zeit, in der
noch nicht viel gereist wurde, nämlich des
Dr. Jakob Theodor zu Bergzabern in der
baierischeu Rheinpfalz, der einst bei Gelegenheit
der Erwähnung von Kurorten in dortiger Gegend
erklärte, wenn solche in Italien oder Frankreich
gelegen seien, würden sie lieber ausgesucht als in
Deutschland.")
") Mittheilungen des fjiftor. Vereins der Pfalz. XX LI
(Speicr, 1898), S. 63, Anmerk.
Dir Begründung der maldensischen Kolonie Waldensberg.
Von A. Heilmann, Pastor in Göttingen.
(Fortsetzung.)
3. Ter Abzug.
Tjjltc Waldenser hatten zwar ein eigenes oder
Ws fremdes Obdach, unter dem sie den Winter
0p von 1699 auf 1700 zubrachten; aber ihre
Stimmung war trübe. Im Herbst war jeder
Familie '/2 Morgen Land, „an der Eisenkaute",
zugemessen worden, aber fast alles war wüst,
und vor den Augen der Leute standen alle die
Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, bis
dieses Land Ertrag gab. Sie hatten bis dahin
weder Vieh, noch Pflug, noch Egge, noch Saat
frucht; wie sollten sie nun alles fertig bringen?
So harte Feldarbeit waren sie bisher llicht ge
wohnt, lieber gingen sie mit der Hechel über Feld
oder schafften sonst am Handwerk. Der Schnee
blieb bis fast in die Mitte Mürz hinein liegen,
und es wurde ihnen angst, wie sie ihren Unter
halt gewinnen sollten.
Der Gemeindevorstand schrieb an den Graf
am 18. Mürz 1700: man möge doch nun jeder
Familie zumessen; es sei höchste Zeit, wenli mail
noch etwas aus das Land bringen wolle; sie
verlören sonst den Muth zur Arbeit. Ani
19. April reichten sie wieder eine Bittschrift ein,
in der sie Folgendes erbaten: 1. Befreiung von
den Frohnden, 2. freie Weide wie die andern
Einwohner, 3. besonders Beschaffung von Wasser,
4. das Land, das im 9. Artikel versprochen war,
5. Besreiung von Lasten, durch die 14 fl. des
Artikels 19, 6. Aenderung des letzten Artikels,
in dem sich der Graf die Auslegung der Artikel
vorbehalten hatte, 7. 36 Familien von Ville
cloze et Chambons bitten abziehen zu dürfen,
wohin die Vorsehung sie führen wird. Balken ier
konnte dem Grafen die Mittheilung machen, daß
der König von England als Statthalter der
vereinigten Niederlande den Sohn des Grasen
bei erster Vakanz mit einer Kompagnie zu Fuß
bedenken und ihn auch „mit dero Königlicher
Protection beehreil und ihm zufolge dessen später
höhere Chargen geben wolle". Der Graf er
klärte sich hiermit zufriedengestellt, wollte aber
Artikel 19 doch erst ändern, wenn er in den
Genuß des Versprochenen gekommen wäre. Daher
willfahrte er der fünften Bitte der Waldenser
llicht, ließ es in Bezug aus die erste lind sechste
bei den früheren Erklärungen, stellte Weide in
gewisse Aussicht, versprach einen Weiher bei dem
Dorf luachen zu lassen, daß sie Wasser für das
Vieh hätten, lind Land wolle er ihnen wohl zu-
lnessen lassen, aber sie lnüßten auch Wald uild
Wüstung aililehmeu und das zugemessene ansangen
zu bearbeiten. — Der Pfarrer Archer ging mit
einigen Familienvätern am 23. April zu Valkeuier
nach Frankfurt und stellte .ihm ihre Lage vor;
dieser schickte seinen Sekretär Runkel alu 25. April
nach Wächtersbach; aber die Unzufriedenheit war
schon so groß, daß man sich allgemein zum
Aufbruch rüstete.
Am 28. April wurden in einer Gemeinde
versammlung zu Spielberg 10 Beschwerdepunkte
aufgesetzt, die der gräflichen Regierung am fol
genden Tag überreicht wurden. An erster Stelle
stand, was 190 Jahre laug die Klage in
Waldensberg geblieben ist: Es stndet sich kein
Tropfen guten Trinkwassers in Waldens
berg, das vorhandene Wasser hat schon viele
Leute krank gemacht und kann den Tod bringen.
Ferner wird geklagt, daß der Graf die ver
sprochenen Ländereien nicht gäbe, weil die Schul
theißen der drei Dörfer den Bezirk als ihre
Viehweide in Anspruch nähmen. Die versprochenen
Waldungen, die sie sich roden sollten, hätten sie
noch nicht bekommen. Auch könne man selbst
mit 40 -50 Morgen hierzulande nicht einmal
auskommen, denn das Land sei zu kalt, und
„wenn man gutes Korn sät, verwandelt es sich
in ein Kraut, das schlechtes Korn trägt, und
dies hat unseren Leuten schon viel Krankheiten
verursacht"*). Auch der letzte Artikel (über das
*) Diese Meinung findet man noch jetzt bei den Land
lenten, daß aus gutem Korn durch die Schlechtigkeit des
Bodens Mutterkorn entstehe — statt daß sie ihr Saatgut
ordentlich reinigen!