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drücklichste Strafe zu gewärtigen, auch solches bei
jeder Gemeinde öffentlich bekannt zu machen und
dazu unter gleichmäßiger schwerer Strafe die
Unterthanen anzuweisen."
Diese Verordnung mag nun wohl von den
Unterthanen, den Feld- und Waldhütern miß
verstanden, oder auch in übertriebenem Pflichteifer
zur Ausführung gelangt sein, — einige Wochen
später erscheint ein abermaliges Dekret der fürst
lichen Regierung zu Hanau, in welchem angeordnet
wird: „Ist denen Wächtern, welche die Geländs-
wacht halten und die Gewehr, welche sie über
liefert erhalten, nicht mißbrauchen und sich mit
Schißen enthalten sollen und zwaren auf die von
Königlich französischen Truppen unumgänglich sich
das Schißen durchaus enthalten sollen bei Ver-
meidung Leib- und Lebensstraf, und soll eine jede
Wacht das Gewehr sovohl, als die Wacht hüten.
Soll sich ein Fehler darbei ergeben, werden jedes
Mahl die Wacht davor sämmtlich hassten."
Mit dem Beginn des siebenjährigen Krieges
stand das Fürstenthum Hanau mit Hessen auf
Seiten des Preußenkönigs, Frankreich hatte sich
mit Oesterreich gegen diesen verbündet. Die
Franzosen besetzten 1756 am 1. August Hanau und
Umgegend und trieben sofort ungeheuere Kon
tributionen an Geld,Lebensmitteln und Fourage ein.
Das ganze Hanauer Land blieb in den Händen
der Franzosen bis zu Ende des Krieges. Auch
der Herzog von Braunschweig an der Spitze der
tapfer kämpfenden Hessen vermochte sie nicht dar
aus zu vertreiben. Infolge des unglücklichen
Gefechtes bei Bergen (13. April 1759) mußte
er sich nach schweren Verlusten über Windecken
nach Hessen zurückziehen und das Hanauer Land
seinem Schicksal überlassen. Und dieses war
schlimm genug. Der Wohlstand der Stadt Hanau
und ihrer Bürger, der Dörfer und ihrer Bauern
wurde auf's Schwerste geschädigt oder vernichtet.
Ungeheuere Kontributionen wurden auferlegt und
die ausgeschriebenen Lieferungen unbarmherzig
eingetrieben. Die Okkupation des ganzen Hanauer
Landes durch die französischen Regimenter hatte
diesem blutige Wunden geschlagen, die nur langsam
und schwer heilten.
Die französischen Beamten versprachen zwar
Bezahlung für die befohlenen Lieferungen und
Erhebungen, aber ihre Versprechungen haben sie
nicht gehalten, selbst Empfangsquittungen aus
zustellen weigerten sie sich hartnäckig. Die Klagen
darüber treten in den vorliegenden Akten immer
von Neuem auf.
In Schloß Philippsruhe war seit 1757
ein französisches Lazareth und Hospital errichtet,
dem die Gemeinde Kesselstadt alle möglichen Be
dürfnisse zu liefern hatte; so u. a. 400 Ctr.
Stroh auf einmal. Der Direktor des Lazareths
Mr. Gagneranx versprach die Bezüge zu bezahlen,
die liefernde Gemeinde hat aber trotz wiederholter
Erinnerungen nie etwas erhalten. So heißt es
in unseren Akten: „Der Erinnerung so zu öfteren
Mahlen der Zahlung halber geschehen ist, wurde
durch den Schloßverwalter Schellhaß jedes Mahl
die Antwort, daß die Zahlung geleistet werden
solle, wohl aber bis àuto nicht geschehen sey."
So geht es fort und fort mit allen möglichen
Leistungen und Lieferungen, und dieselben Klagen
werden erhoben wie gegen den Kriegskommissair
de la Vallone so gegen den Kriegssekretair Erlau,
gegen den Direkteur Scharlot u. A.
Außer den ungeheueren Lasten und Lieferungen
an Fonrage, Lebensmitteln und Geld rc. mußten
die Bauern von den Dörfern der Umgegend auch
schwere Kriegsfnhren leisten, infolge deren sie selbst
oft Monate lang von der Heimath fern gehalten
wurden und ihr Vieh und Geschirr dem darnieder
liegenden Feldbau entzogen blieb. So erfahren
wir aus einem amtlichen Schreiben vom 30. Juni
1760: „Nachdem der geschehenen Anzeige zufolge
aus dem Bücherthal ahnnoch 12 Wagen und zwar
von Wachenbuchen bei der Königlich französischen
Armee zurückbehalten worden und die Unther-
thanen dabey Mangel leiden ohne Lebensmittel,
so bleibet dem fürftl. Amt Bücherthal ohn-
verhalten, daß wegen suchender Entlaßung der
Hanauischen Fuhren der hießige Spcachmeister
Perol zu besagter Armee abgefertiget und die
Untherthanen selber im Hauptquartier zu erfragen
habe, da inmittelst denen bei einem jeglichen Geschirr
befindlichen Leuten täglich 20 Kreuzer überhaupt aus
dem Amt bezahlt und im Uebrigen denen selbigen
von dem Zugvieh so znhauß verbliebener Mit
nachbarn Ihr Feldbau Hüls geleistet werden soll."
Bei diesen schlichten, einfachen Mittheilungen
mag es sein Bewenden haben. Trotz ihrer Ein
fachheit und Spärlichkeit geben sie uns doch ein
anschauliches Bild von den unsäglichen Kriegs-
nvthen und schier unerschwinglichen Lasten und
Beschwerden, welche die Bewohner unseres Hanauer
Landes auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahr
hunderts mehr als zwei Jahrzehnte hindurch in
folge der Zerrissenheit und Schwäche des deutschen
Reiches zu ertragen hatten. Mögen solche traurigen
Zeiten und Zustünde für alle Zukunft unserem
lieben Vaterlande erspart bleiben!