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hessischen Herrn am Salzthore und ritt mit ihnen
nach Sandershausen, wo sie von den beiden
kaiserlichen Offizieren Severin und Villehe am
Eingänge des Dorfes an der Niestebrücke in Em
pfang genommen wurden. Mit ihnen waren
50 Kürassiere aufgeritten, die ebenfalls Tilly zu
ehrendem Geleite gesendet hatte. Auf dem Ritte
nach Münden sah diese Reiterschaar jetzt Land
wehrhagen und Lutterberg iu rauchende und noch
brennende Trümmer gelegt, von Menschen ver
lassen, den Himmel weithin geröthet durch mächtige
Feuersäulen, die aus den entfernter liegenden
Höfen und Dörfern lodernd emporschlugen. In
den Chausseegräben und aus der Straße lagen
zahllose unbekleidete und unbegrabeue Leichname,
während Reiterpatrouillen und Reiterjungen quer
feldein jagten, um zu Plündern, und während
seitab der Straße kleinere Soldatentrupps an
mächtigen Feuern sich erbeutete Ochsen und
Schweine zum Mahle zubereiteten.
In Münden wurden die hessischen Herrn zu
nächst auf das Rathhaus geführt, wo die zu ihrer
Aufwartung bestimmten Tilly'schen Offiziere sie
freundlichst auf der Treppe des Rathhauses be
grüßten und, der Sitte der Zeit gemäß, die
Gesundheit des Landgrafen Moritz und seines
Sohnes Wilhelm in mächtigen, mit Wein ge
füllten Humpen ausbrachten. Nachdem die Ab
gesandten Bescheid gegeben und gedankt, wurden
sie zum Schlosse, dem Hauptquartier Tilly's, ge
führt, um hier mit diesem eine längere Unter
redung zu führen, welcher außer Tilly nur noch
der General Graf von Fürstenberg und der
Generalkommissar Ruppe beiwohnte.
Als die Gesandten der Bedräugniß Kassels,
in dessen Umgebung jetzt kein Mensch.mehr sicher
seines Lebens sei, gedachten, erwiderte Tilly, daß
der Landgraf Moritz selbst an dem Unglücke
schuld sei. Wenn derselbe nicht den Herzog
Christian von Braunschweig in sein Land gerufen
hätte, würde er selbst nicht in Münden stehen.
An dem, was seine Soldaten in der Umgebung
von Kassel verübt hätten, habe er selbst keinen
Gefallen. General von Fürstenberg, der mit
Tilly häufig in einer fremden Sprache, wahr
scheinlich italienisch, redete, glaubte die Tilly'sche
Soldateska iu Schutz nehmen zu müssen und
sagte: Man sei selbst in Kassel an allem schuld;
denn als er mit Tilly auf dem Marsche nach
Grebenstein still an Kassel vorbeigezogen sei,
habe man auf seine Soldaten von den Wällen
mit Kanonen geschossen, worauf Tilly selbst da
mals zu ihm gesagt habe: „Siehe da, unsere
Freunde!" Im Uebrigen besitze der Landgraf an
Dr. Günther einen trefflichen Büchsenmeister,
welcher Aeußerung Tilly lächelnd beistimmte.
Tilly fuhr dann in seiner Unterredung fort:
Die Hauptsache sei, daß der Landgraf seinen
Ständen und der Ritterschaft folge, nicht aber
dem übelgesinnten Dr. Günther. Bis jetzt habe
ihm der Landgraf noch nicht das Geringste
zu Gute gethan, bei welcher Aeußerung Tilly
mit dem Daumen an die Zähne fuhr. Den
Feinden des Kaisers dagegen habe er alles zu
Gefallen gethan, ja sogar dem Herzog Christian
erlaubt, Kasseler Bürgersöhne für fein Heer zu
werben. Zinn Glücke sei aber auf seiner Seite
die Uebermacht; so lange die Unruhen im Reiche
dauerten, müsse der Kaiser „Paß und Repaß"
im Reiche, somit auch in Hessen haben.
Von dieser Unterredung mit' dem feindlichen
General wenig befriedigt, kehrten die Gesandten,
von kaiserlichen Offizieren ebenfalls wieder ehren
voll geleitet, nach Kassel zurück, dem Landgrafen
Moritz Bericht zu erstatteu. Tilly aber beschloß
kurzer Haud, über den Kopf des Landgrafen
hinweg Ritterschaft und Stände nach Gudens-
berg zu berufen, und ließ hier durch seine Bevoll
mächtigten einfach den Antrag stellen, den Land
grafen Moritz abzusetzen und seinem Sohne, dem
Landgrafen Wilhelm, die Regierung Hessen-Kassels
zu übertragen.
Noch während diese Verhandlungen sich in dem
nahen Gudensberg abspielten, brach Tilly von
Münden aus und führte sein Heer über Lutter
berg iinb Landwehrhagen vor die Festung Kassel.
Dieses Heer bestand noch immer aus 15 000 Sol
daten, völlig ausreichend, die ohnedies nicht wohl
habende Gegend um Kassel völlig auszusaugen.
Zu diesem Heere aber gehörte leider, der Sitte
der Zeit gemäß, ein noch einmal so starker Troß
von fahrenden Weibern, Kindern, Troßbuben und
Reiterjungen, die zu ihrer Erhaltung ebenfalls
nur auf Requisitionen und Marodiren angewiesen
waren. Alle diese Menschenmassen, nur durch
den eisernen Befehl des strengen und gefürchteten
Tilly mühsam in Zucht und Ordnung gehalten,
zogen jetzt vor Kassel und drohten, wie eine
Rotte gieriger Wölfe aus friedliche Lämmer sich
stürzt, sich aus Kassel zu werfen und diesem das
traurige Geschick Mündens zu bereiten.
In dem stillen Wiesengrunde, den die klaren
Wellen der Nieste in springendem Laufe durch
eilen, zwischen den beiden Dörfern Heiligenrode
und Sandershaufen, hatte Tilly sein Lager auf
geschlagen. Einen besseren und günstigeren Lager
platz konnte Tilly allerdings in unserer nächsten
Nähe nicht finden. Die mitten durch das Lager
hiudurchfließenden, krystallhellen Fluthen unserer
Nieste boten gutes Trinkwasser, die grünen Wiesen