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ersichtlich ist, wie viele von ihnen auch etwa den
Abschied gefordert hätten, wenn sie sich hätten
entscheiden müssen.
Von welchen Gedanken insbesondere unsere
Ossiziere beseelt waren, geht am besten aus deu
Aeußerungen eines Betheiligten hervor, die hier
folgen mögen: „Es waren wahrlich schwere Tage,
und ich möchte sie nicht- nochmals durchleben,
aber trotz alledem möchte ich sie um keinen Preis
der Erde nicht erlebt haben, denn ich fand in
ihnen die schönsten Träume meiner Jugend ver
wirklicht. Ja eigentlich sind wir Hassenpflug
uitb Hayuau eine Dankadresse schuldig geworden,
denn es ist nicht möglich, daß jemals eine Armee
geistig mehr gehoben wurde als die unsrige durch
die Handlungen ihrer Männer. . . . Wir alle,
keiner, keiner ausgenommen, sind wesentlich sittlich
und vor allem als Soldaten veredelt
worden. Ja es ist jetzt ein Hochgenuß, Offizier
zu sein."
Wie gesagt, man denke wie man will, aber
achtungsvolle Erinnerung sind wir jedem schuldig,
der seiner Ueberzeugung sein und der Seinigen
Wohl zum Opfer bringt, und eine gleiche Opfer-
willigkeit und Gewissenhaftigkeit wollen wir unserm
Volk zu allen Zeiten wünschen. HUo chertand.
Kassel im 3(ssährigen Kriege.
Aach dem Vortrage des Dr. med. Karl Schwarzkopf.
(Fortsetzung.)
eber den Anmarsch Tilly's gegen die Stadt
Grebenstein am 13. und 14. Mai giebt
uns eine Relation des Schultheißen Heinrich
Mendel au deu Landgrafen Moritz ausführlichen
Bericht.
Die Stadt Grebenstein hatte allerdings allen
Grund, den Zorn des Generals Tilly zu fürchten.
Einige Monate vorher waren nämlich einige
Kürassiere von dem Schönberg'schen Kürassier
regiment beim Fouragiren von den Greben
steinern erschlagen, und gerade dieses Regiment
rückte auch jetzt wieder heran. Kaum daß die
ersten Tilly'schen Kürassiere einige auf dem Felde
arbeitende Grebensteiner bemerkten, begannen sie
dieselben jämmerlich und erbärmlich zu traktireu.
Einige wurden niedergestoßen, andere flüchteten
sich in die Stadt. Die Grebensteiner, das Ver
gebliche eines Widerstandes einsehend, flohen
mit Weib und Kind, theils in entfernte Ort
schaften, theils in die Wälder. Auch der Schult
heiß wollte nicht in der Stadt bleiben und
flüchtete sich nach der nahen Sababurg. Aber
auch dieser feste Platz wurde, als am anderen
Tage der General von Fürstenberg vor dem
Thore erschien, den Feinden ohne Widerstand
durch den Amtmann von Amelunxen über
geben.
Wie aber der Landgraf sich zu diesem Ver
halten der Grebensteiner stellte, erhellt aus seinem
eigenhändigen Randbescheid, deu ich als chara
kteristisch für der, Landgrafen Moritz hier wörtlich
folgen lassen will.
„Wir wissen zu dieser Relation nicht viel
zu sagen und erfährt man aus dem ganzen
Handel, daß bei diesen Leuten keine Mannhaftig
keit und keine Standhaftigkeit zu finden sind.
Es wäre sonst wohl Anders herge
gangen. Und wird die Frage sein, ob so
wohl dieser Schultheis als der Sababurg'sche
Amtmann noch länger in ihrem Ambte zu
dulden und zu belassen sind.
Moritz, Landgraf zu Hessen."
Das Urtheil des Landgrafen Moritz über diese
Beamten muß um so mehr befremden, als jeder
Widerstand gegen die 8 Regimenter Tilly's ein-
i fach zu den Unmöglichkeiten gehörte und nur
; mit dem Untergange der Plätze und einem furcht
baren Blutbade geendet haben würde. Landgraf
Moritz dagegen, der bei jedem hessischen Bürger
und Bauer den Muth und die Gesinnung eines
Spartaners voraussetzte, sah es allerdings lieber,
wenn auch die Eivilbevölkernng sich an dem
Kampfe gegen die feindlichen Soldaten betheiligte,
und gerade diese seine Auffassung hat viel Unheil
über das Hessenland gebracht. Die Theilnahme
der Bürger und Bauern am Kampfe erklärt
, manche begangene Greuel.
Wie aber kam es, daß die Kriegsfurie für
! dieses Mal noch so dicht an Kassels Mauern vor
überbrauste, um sich an anderer Stelle und um
so furchtbarer zu entladen ?
Versteckt zwischen dunklen Wäldern, wie in
einer grünen Wiege eingebettet, von den silbernen
I Wellen dreier Ströme umrahmt, liegt das allen
Bewohnern Kassels jo wohlbekannte Münden.
Roch giebt das stattliche Rathhaus mit seinen hoch-
| ragenden Giebeln und Erkern uns Kenntniß von der
einstigen Blüthe dieser reichen Handelsstadt. Roch
ragen trotzig einige Thürme, ephenumrankt, aus
der alten Stadtmauer empor, um uns von der