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Hütte, eine wirkliche Kunststadt zu sein, ihre Kunst in
einem Loche wie das Meßhaus unterbringen muß —
denn ein Loch ist's, wie sehr mau auch mit Liebe
und Teppichen das zu verdecken versucht hat —
das ist bedauerlich und auch unverständlich. Man
braucht gar keine Paralelle mit den großen Aus
stellungen zu ziehen, kleinere Städte schaffen
der Kunst würdigere Ränme. Man sollte meinen,
auch in Kassel ließe sich ein Kreis von Leuten
finden, die etwas dasür übrig hätten, auch wenws
nicht direkt Prozent einbringt.
Aber vielleicht birgt ja die häßliche Schale einen
guten Kern, mit dem hat man es eigentlich
zu thun, den wollen wir uns ansehen.
Die fremden Sachen sind weder ganz neu noch
ganz bedeutend, so wollen wir uns nur mit der
Kunst der Kasselaner beschäftigen.
Louis Kolitz hat es nicht nöthig, im Meß
hause mit Bedeutendem auszutreten, sein Name
ist von gutem gefestigten Klange, das ausgestellte
Bild kann den nicht erhöhen. Von weiteren
akademischen Lehrern ist nur noch E. Neumann
vertreten; er nahm einen gnten Ansang und ist
zum flachen Gesellschäftsmaler geworden, der Wasser
und Land, Berg und Thal gleich süßlich, gleich
unwahr, gleich lecker, dem Unterdurchschnitts-Publi-
kum mundgerecht malt.
Aber dann kommt eine Reihe unbekannter
Namen auf guten Sachen: Fritz Rhein mit
einer tiesgestimmten weichen Portraitstudie und
einer Kohlezeichnung, hübsch bewegt und künst
lerisch empfunden; Ferd. Koch mit einem aus
gezeichneten weiblichen Portrait und guten Land
schaften, von denen der „Abend", ein Stück
herbstlicher Wald, in seiner präzisen feinen Stim
mung das Beste ist. Noch feiner in der Ge-
fammtleistung des landschaftlichen Theils ist
vielleicht R. Jeschke, sein „Blumenstein" ist samos
studirt und sehr fein im Ton, ebenso find ein
paar Aquarelle in ihrer sicheren Farbsröhlichkeit
sehr bemerkbar, während sein italisches Wasser
bild nicht den Werth hat.
Ganz vorzüglich ist das Portraitsach durch die
Damen Soest, Schick und May vertreten und
bemerkenswerth ist, daß deren männliche Bildnisse
weit besser sind als die weiblichen, — kraftvoller,
künstlerischer. Frl. Schick hat zwar auch eine ganz
gute alte Dame da, aber die junge Frau hat
hölzerne Arme, der Kops statt seiner sicheren Linien
verschwommene, und statt seiner klaren Farbe
trübe, unklare Töne.
Theo Matth ei gibt Verschiedenes seiner
fleißigen gesunden Kunst. Zwar ist das, was er
„Kleopatra" nennt, nur ein gut gemalter Akt,
aber die „Blumenbinderin" ist ein gutes Bild,
sein Kinderportrait ist fröhlich. Er stellt weiter
noch einige capresische Landschaften aus; am
frischesten ist er aber zweifellos in der Skizze
eines Straßenbildes, das ist sehr lebendig, gut
beobachtet und gut gemalt.
Auch Julius Jung gibt eine ganz feine
Portraitstudie; sie ist von vornehmer Wirkung,
wenn auch etwas ängstlich gemalt; sein gezeichnet
sind auch die Köpfchen von Ottomar Begas,
aber es sind nur kolorirte Zeichnungen aus einer
Zeit, die hinter uns liegt: Farbe statt Linie
heißes in unserer Kunst.
I. Kleinschmidt's alte Dame in Schwarz ist
ein sehr gutes Bild, bei seinem Doppelportrait
passirte ihm, was ihm oft passirt: die arme Dame
kann nicht sitzen! Sein kleines „Genre" ist gut,
so was liegt ihm wohl am besten, sein Studien
köpfchen im Rokokokostüm ist Fabrikwaare.
I. Hel ln er hat in seinen Landschaften ein
gutes Empfinden, seine „Kunst" einen eigenen
Farbenreiz, während Metz nicht vorwärts ge
kommen ist; er macht sich's bequem und es ist
schade um ihn.
Hans Kolitz stellt gut gezeichnete Sachen aus,
nur ist seine „Piazetta" von wenig sympathischem
Gesammtton, die „Markuskirche" ist viel besser
gemalt und viel besser in der Farbe, schade, daß
das Stückchen Luft trocken wirkt; vielleicht sind
auch die behandelten Gegenstände zu fern: ein
Stück deutscher Acker ist uns näher als alle
Architektur Italiens.
Potente hat ein Paar gut gezeichnete Jungen
köpfe da, aber er könnte wohl mehr in die Farbe
gehen. Frl. Kühnert bietet nichts Besonderes
in ihren Portraits, dagegen weiß Frl. von
Steinsdorff genau, was sie will — das pikante
Rüthköpfchen ist ganz pikant gemacht und die
paar schwarzen Striche bei dem Köpfchen auf
Grün sind bezeichnend für ein gewisses Empfinden.
Woite ist mit seinem größeren Spreewaldbilde,
obwohl das gut gezeichnet ist, nicht sonderlich
sympathisch, aber er hat daneben ein famoses
Hundeportrait ausgestellt. — Hassebrauck ist
etwas hart in einigen Sachen, ganz gut aber in
einem „Waldinnern" mit einer gut sitzenden
Staffage; Thiele man hat sehr subtile Zeich
nungen ausgestellt, worunter der Schwälmer
Weber am besten, in einem großen Portrait
reichen Stücke geht er wohl ein bischen die Bahnen
Alters' — davor muß er sich hüten wie vor dem
Schlimmsten!
Gerechter ist sarbflach in allen seinen Bildern
und Studien; Frl. von Hugo scheint Herrn
Professor Neumann nachzuwandeln, und Fritz
Barth? — ja, das ist toll und man ruft nach