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Mir unsere Aue geworden ist.
Vortrag, gehalten im Vereine für hessische Geschichte und Landeskunde am >26. April 1897.
Von Carl von Stamford.
(Fortsetzung.)
s der schreckliche Krieg endlich erloschen war,
sah die Moritzaue wieder heitere Tage. Die
Vermählung Charlotte's, der Tochter Amelia
Elisabeth's, mit dem Kurfürsten von der Pfalz,
diejenige Aemilie's mit dem Prinzen von Tarent
veranlaßten fürstliche Besuche; die beiden jungen
Fürstinnen waren jagdlustig, es wurden in der
Aue Jagden auf Hasen und Füchse abgehalten.
Als die Kurfürstin von Brandenburg Ende des
Mürz 1650 in Kassel zu Besuch erschien, ereig
nete sich bei dem hohen Wasser ein Unglückssall,
einer rhrer Edelleute fand in der kleinen Fulda
den Tod.
Der Sohn Amelia's, Wilhelm VI., hatte am
26. September 1650 aus ihren Händen die Re
gierung übernommen, Hedwig Sophie von Branden
burg wurde seine Gemahlin. Lassen wir uns von
Merian berichten, wie er im Jahre 1655 die
Aue gesunden hat: „vom Schlosse kommt man
auf einer höltzernen gedeckten, doch gantz auf
keinem Joch oder Pfeiler stehende lange Brücke,
die Narren brücke genannt, in einen sehr
großen herrlichen Lustgarten, welcher voller schöner
Gewächse, Baumfrüchten, Hütten, Gängen und sehr
artigen Springbrunnen und Wasserkünsten ist,
darin auch ein gewißes Hauß, so man jährlich
zu gewißer Zeit ablegen und wieder aufbawen
kann, darinnen die menge stattlicher traghaffter
Feigen-, Pomeranzen-, Citronen- und Granat-
auch Lorbeerbäume gefunden werden. Vnd liegen
umb den Garten her sehr stattliche Fischteiche. . .
Oben am ende, da sich der Strohm theilt, liegt
ein sehr lustiger und nutzbarer Antenfang. Und
dieses Feld so die Awe genannt wird, ist an
beiden sehten gegen dem Wasser mit herrlichen
Obstbäumen umbpflanzt. . Die Narrenbrücke,
an der Stelle der heutigen Löwenbrücke, war von
Wilhelm dem Weisen nach eigenen Grundsätzen
errichtet und wegen der von dem Hergebrachten
abweichenden Bauart mit jenem Namen bedacht
worden.
Die Bewirthschaftung der Ländereien in der
Aue wurde unter Landgraf Wilhelm VI. wie
(Nachdruck verboten.)
unter Amelia Elisabeth fortgesetzt, wie aus der
Nachricht ersichtlich ist, daß am 23. April 1662
Hans Lütgendorff, Meyer in der Aue, ge
storben sei. Sein Amt ging aus seine Wittwe
über; Marie Christine Lütgendorffin, Vögtin in
der Aue, bittet unterem 13. April 1673 Bürger
meister und Rath von Kassel, ihr zu gestatten,
daß ihre Schafe in hiesiger Feldmark bis auf
Weiteres bleiben, da keine Schafe mehr in der
Aue bleiben dürfen.
Nach Wilhelms VI. frühem Tode, 16. Juli
1663, folgte Hedwig Sophie als Regentin und
„regierte löblich", wie der Chronist ihr nach
rühmt. Als sie am 8. August 1677 auf Drängen
ihres ältesten Sohnes, des bereits 23jährigen
Landgrafen Carl, die Regierung niederlegte, ge
langte der Fürst zur Herrschaft, dem es vorbe
halten war, unserer Aue die größte ihr bis dahin
widerfahrene Umgestaltung zu Theil werden zu
lassen. Doch begann er diese nicht im Anfange
seiner Regierung. Carl errichtete das hessische
Heer, welches auf vielen Kriegsschauplätzen Ruhm
erwarb, durch diesen Ruhm in fremden Diensten
aber auch Geldmittel, die seinen Kriegsherrn be
fähigten, herrliche Werke des Friedens zu schaffen,
zu denen das im 30jährigen Kriege grausam
verheerte, langsam sich erholende, von Natur
mäßig ausgestattete Hessenland ihm nicht die
Mittel bot. Landgraf Carl gab 1677 zwei
Regimenter in den Dienst des Königs von Däne
mark, seines Schwagers, in dessen Kriege gegen
Schweden. 1687 marschirte ein Regiment zu
Fuß im Dienste der Republik Venedig nach
Morea gegen die Türken. 1702 bis 1714 kämpfte
ein Corps von zuletzt 10600 Mann im spanischen
Erbfolgekriege im Dienste der Seemächte England
und Holland.
Die hessischen Männer, welche aus so vielen
Schlachtfeldern Europas Blut und Leben hin
gaben, den Namen ihres Fürsten und ihres
Vaterlandes zu hohen Ehren brachten, sind des
dankbaren Andenkens ihrer späten Nachkommen
würdig. Wer ihre Denkmale schauen will, suche