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verkennen, der sich auf dem sreudeerhitzten An
gesichte breit machte, und daß sich die Beiden,
der junge Mann mit bcm Stucke und der Quar
tiermeister, wohl kannten. —
Die jungen Leute hatten nunmehr genug, und
eine Minute später saßen sie in einer der Hain
buchenlauben.
II.
„Wv ist der Quartiermeister hingegangen, ich
sehe ihn nicht mehr unter den Kegelnden?" fragte
nach einer Weile der vorhümige Führer.
„Bor fünf Minuten stieg er jenen Fußsteig
hinauf und verschwand hinter den Buchen des
Waldes. Er schien es sehr eilig zu haben", ant
wortete einer der Zechenden.
„Das böse Gewissen!" entgegnete lachend der
Führer, ein junger Literat, dessen Schriftsteller-
namen „Hesse" wir für die Zukunft beibehalten
wollen, und stieß seinen wuchtigen Stock in den
weichen Boden, daß er von selbst aufrecht darin
stecken blieb. „Es geht doch im Leben nichts
darüber — selbst ein Scherz nicht, - wenn man
seinen Widersacher überzeugen kann, daß man
gewillt sei, ihm eine Hand voll ungebrannter
Kohlen, wie Figura zeigt, auf das Haupt zu
sammeln."
„Nicht durch die Blume, Hesse! deutlicher!
deutlicher!" unterbrach ihn ein Anderer.
„Da müßte ich eine ganze Geschichte erzählen,
und das wäre heute langweilig."
„Her damit!" meinte ein Dritter.
„Gut! Hort denn! Der Quartiermeister, mein
braver Freund hier — auf den Stock zeigend —
und meine Person sind seit dem Jahre Ein-
tansendachthundertneunundfünfzig alte Bekannte;
der Quartiermeister und ich freilich schon von
früher; aber seit jenem Jahre ist da der Stock
der Dritte im Bunde. Das ging folgender
maßen zu:
Es war zu der Zeit des österreichisch-franzö
sischen Krieges, also im Jahre Eintausendacht
hundertneunundfünfzig. Oesterreichs Doppeladler
schien sich unter den Fängen des jungen franzö
sischen Adlers verbluten zu wollen, da machte der
deutsche Bund etliche Armeecorps kriegsbereit,
darunter auch das elfte, zu dem wir Kurhessen
zählten. Wie Ihr wißt, habe ich dieselbe Uni
form getragen, wie der Gegangene. Zu jener
Zeit war ich bereits Landwehrmann und glaubte
nicht im Entferntesten mehr an eine Einberufung
zu meiner Truppe. Ich stand als Lehrer einer
Töchterschule in einem niederhessischen Land
städtchen vor und gedachte mich in Kürze zu ver-
heirathen, als eines Tages mir das Schicksal in
Gestalt einer Ordre einen Strich durch die Rech
nung machte und mich wieder zur Standarte
rief. Ich hatte mich sofort zu stellen, traf schon
am anderen Morgen bei meiner Schwadron ein,
faßte meine Equipirung und genoß die Gunst,
mir unter den neuen Remontepferden eines wählen
zu dürfen. Meine Wahl fiel auf eine schöne
kastanienbraune Stute. Bald waren die fast
verlernten Griffe und Uebungen wieder geläufig.
Der sogenannte Gamaschendienst schien gänzlich
in Ungnade gefallen zu sein; dagegen waren
rasches alarmmäßiges Satteln und größere Uebungs-
mürsche an der Tagesordnung.
(Fortsetzung folgt.)
Aus aCier und neuer Jeit.
Der Humanift S Mutiauits ans HomOerg.
Der Chronist Wiegand Lanze giebt in seiner
Chronik: „Leben und Thaten. PhiJippi Mugminimi“
(Zweites Supplement der Zeitschrift des Hess. Ge
schichtsvereins Theil I. S. 118 sf.) — ersichtlich
mit besonderem Interesse — eine kurze Lebensbe
schreibung seines Homberg er Landsmannes des
Humanisten Mntianus zu Gotha, zu deutsch
Konrad Muth (1471 — 1526). Mntianus, mit
seinem vollen Namen Konrad Mntianus Rnfus,
— letzteres wegen seines rothen Haares —. seit
1508 Stistsherr zu Gotha, hatte großen Einfluß
auf die humanistisch gesinnte Universität Erfurt.
Er wird als das Haupt des nach ihm benannten
Mutianischen Bundes bezeichnet, dem eine große An
zahl junger Leute beitrat, welche aus der Universität
Erfurt studirten, so Evbanus Hesse, Crotus
Rubiannsnnd Enricius Cord ns. Mntianus
war kein Schriftsteller und kein Lehrer und hat keine
zum Druck bestimmte Zeile geschrieben. Seine
Wirksamkeit bestand darin, daß er durch persön
liches Beispiel und mündliche Ermahnungen und
durch einen mit Fleiß und Liebe gepflegten Brief
wechsel die jungen Leute an sich fesselte und in
ihrer geistlichen und sittlichen Entwickelung förderte.
Er bekleidete in Deutschland ein unbestrittenes
literarisches Censoramt, selbst die geistig Höchst
gestellten wendeten sich an ihn, um sein Urtheil