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Mutsche Dichter in Küsset.
Eine lokal- und literarhistorische Skizze von Hans Alt müller.
(Schluß.) (Nachdruck verboten.)
C% ber nicht nur in einer Neiseschilderung ver-
/% herrlicht, auch im Roman poetisch verwerthet
^j ^ wird die hessische Residelizstadt nun, unb zwar
geschieht dies zuerst durch einen der bedeutendsten
Dichter der romantischen Schule, durch Clemens
Brentano, der uns somit in die Periode der
Romantiker geleitet. Brentano hat für einen Theil
seines Romans „ Godwi oder das st e i n e r n e
Bild der Mutter" unsere Residenz zum Schau
platz der Handlung gewählt. Die Vermuthung
des Verfassers dieser Zeilen, daß dem so sei, hat
sich,.durch, die Mittheilungen des vor wenigen
Jahren erschienenen Buches von Reinhard Steig
„Arnim und Brentano" als richtig erwiesen.
Der „große Christoffel" fehlt nicht. Auch
wird der Besuch Friedrich Wilhelm's III. bei
seinem landgräflichen Schwager angedeutet. (Godwi,
Bd. I, S. 188—204.) Wann Brentano zum
ersten Deal in Kassel war, ist schwer zu ermitteln;
wahrscheinlich geschah es, da er den Besuch des
preußischen Königs erwähnt, schon gegen Ende
des vorigen Jahrhunderts. Im Jahre 1808
schloß er hier seine abenteuerliche zweite Ehe mit
Auguste Busmann. Wie er damals aussah,
schildert uns Ludwig Rnhl in seinen „Er
innerungen an Jakob undWilhelmGrimm".
Als einen „wohlgewachsenen, mittelgroßen Mann"
bezeichnet er ihn, „bräunlichen Gesichts, mit be
weglichen schwarzen, geistsprühenden Angen". Zu
gleich mit Brentano waren seine Schwester Bettina
und sein Schwager Achim von Arnim damals
in Kassel anwesend. Brentano's Schwester Ln ln
war mit dem Bankier des Königs Järome,
Jvrdis, vermählt. Dieser bewohnte das Hans
am Rondel mit dem später fürstlich hanauischen
Park (das jetzige Stadtbnnamt). „Den parkartigen
(harten ans der Hohe des Weinberges", erzählt Rnhl,
„hatte Christian Brentano, den Geschwister
liebe auch nach Kassel zog, erwählt,' einen selbst
verfertigten Luftballon aufsteigen zu lassen. Uns
Kindern sollte es vergönnt sein, das Schauspiel
mit anzusehen, und so war es dann im Lichte
eines schönen SommeoNachmittags, wo ich den
Brüdern Grimm neben anderen zahlreich Ein
geladenen ein zweites Mal begegnete."
Noch ein dritter Romantiker, A. W. Schlegel,
besuchte in jenem Jahre (1808) Kassel (von Weimar
ans), und sein Freund Ti eck hat wiederum
mehrmals unserer Stadt die Ehre erwiesen. In
den neunziger Jahren kam er von Göttingen mit
Wackenroder hierher und 1825 amtlich als
Dramaturg von Dresden. (Köpke, Ludwig Tieck,
Bd. II, S. 42.)
Einer der weniger namhaften Jünger der
romantischen Schule stammt aus Hessen selbst.
Es ist Ernst von der Malsburg, kein großer,
aber ein echter Dichter. Am bekanntesten ist er
durch seine Uebersetzungen spanischer Dramen,
namentlich Calderon's geworden. Mehrmals
wohnte er in Kassel, in der westfälischen Zeit
von 1806—1808 und nachher von 1813—1817.
Sieben Jahre später starb er auf seinem Gut
E s ch e b e r g.
Was endlich die Periode des jungen Deutschlands
betrifft, mit der wir unsere Betrachtung billiger
weise schließen, um nicht zu weit in die Gegen
wart zu gerathen, so sind die Chorführer dieser
Dichtergrnppe, Börne und Heine, beide in
Kassel gewesen, Heine in den zwanziger Jahren
mehrmals (1824 und 1827) und Börne ebenfalls
in diesem Jahrzehnt, 1828. Gutzkow berichtet
in seiner Biographie Börne's: „Um Murhard
zu beweisen, wie groß die Einsamkeit Kassels
wäre, erzählte er (d. h. Börne) ihm, er hätte auf
einer Bank in der Karlsaue einen Sechsbätzner
zurückgelassen, um zu sehen, ob Jemand in drei
Tagen an den Ort mürbe gekommen sein. Er kam
nach drei Tagen und siehe! er fand das Geldstück
noch auf derselben Stelle, wo er es hingelegt hatte".
(Gubkow, Gesammelte Werke, Frankfurt 1845,
Bd. Y r I, S. 184.)
Zur Zeit des jungen Deutschlands, d. h. in
den dreißiger Jahren, finden wir in Kassel eine
Anzahl heimischer Schriftsteller thätig, die, wie
sie die ersten hessischen Dichter der neueren Zeit
sind, die diesen Namen wahrhaft verdienen, auch