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Vor uns dehnte sich dns Wiesenthal aus,
durch das sich in vielfach gewundenen! Laufe die
Hanna hindurchschlüngelte. An einzelnen Stellen
war das Gras schon geschnitten, und der würzige
Duft des frischen Heues, der sich unter den all
mählich stärker wirkenden Strahlen der Sonne
entwickelte, stieg bis zu uns empor. Das Bild
wurde belebt durch Gruppen von Landleuten, die,
in Reihen geordnet, mähten. Dann und wann
drang das scharfe, zischende Geräusch zu uns
heraus, das durch das Streichen der Sense mit
dem Wetzstein entsteht, oder das herausfordernde
Krähen eines Hahnes im Dorfe oder die Melodie
eines von den Mähern meist dreistimmig in
hübscher Harmonie gesungenen Volksliedes.
Am jenseitigen Rande des Wiesengrundes zog
sich die Landstraße wie ein gelbes Band entlang,
worauf Fußgänger und Fuhrwerke aller Art sich
ungehindert nach beiden Richtungen bewegten.
Alles das würde den Eindruck des tiefsten Frie
dens gemacht haben, wenn nicht dann und wann
ans der Landstraße ein Adjutant oder General
stabsoffizier einhergesprengt oder am Fuße des
Berges eine Jägerpatrouille aus dem Walde ge
treten wäre, um das Thal zu durchschreiten und
die Verbindung mit der Infanterie aufzusuchen
— Vorkommnisse, die jedesmal die Mäher im
Thale veranlaßten, die Arbeit einzustellen und
den fremdartigen Erscheinungen nachzustarren, so
lange sie ihren Augen sichtbar blieben.
Wandte man den Blick rückwärts, so war es
vorwiegend ein militärisches Bild, das die Augen
fesselte. Auf dem früher erwähnten Plateau
diesseits Hünfeld sahen wir nämlich, von der
Sonne hell beschienen, das ganze Corps aus-
marschirt. Veit Hilfe meines guten und handlichen
Fernrohres, das ich trotz der Eile des Aufbruches
nicht vergessen hatte, konnten wir die einzelnen
Truppenteile unterscheiden. Wir entdeckten auch
auf diese Weise nach einiger Zeit, daß die Ka
vallerie eingetroffen war. Die Kürasse und Helme
der Garde du Corps blitzte::, und die rothen
Kolpacks aus den Pelzmützen der Husaren leuch
teten hell zu uns herüber.
Daß die Kavallerie an: Morgen des 18. bei
Hünfeld stand, und zwar in einem Zustand, der
es gestattete, sie zu Patrouillen zu verwenden
und ihr noch an demselben Tage den Weiter
marsch nach Fulda zuzumuthen, war eine an-
erkennenswerthe Leistung. Das 1. Husarenregiment
war an: Samstag, den 16., gegen 12 Uhr Mit
tags von Hofgeismar abgerückt und stand nicht
ganz 48 Stunden später in gefechtssähigem Zu
stande 15 Meilen von seinem Garnisonsorte ent
fernt, um an demselben Tage noch einen weiteren
Marsch von 2 Meilen zu machen. Aehnliches
hatten die beiden in Grebenstein, 2 */2 Meilen
von Kassel, garnisonirenden Schwadronen des 2.
Husarenregiments geleistet. Die Garde du Corps
war in der Nacht von: 16. zun: 17. von Kassel
bis in die Gegend von Alt- und Neunwrschen
marschirt (5 Meilen), wo sie am 17. früh
eingetroffen waren. Von hier war sie nach einigen
Stunden der Ruhe wieder aufgebrochen und bis
Hünfeld geritten (7 Meilen).
Wie lange wir in der oben beschriebenen
Stellung verblieben, ist mir nicht mehr erinnerlich,
allein es war eine ziemlich beträchtliche Zeit ver
flossen, als uns ein Generalftabsoffizier den
Befehl brachte, an unsern alten Platz an der
Straße zurückzukehren und dann mit den beiden
Kompagnien des 1. Infanterieregiments, die mit
uns in Rückers gelegen hatten, auf den: weiteren
Marsche nach Fulda die Nachhut zu bilden.
Die Batterie sollte in Kohlhas, einem kleinen,
etwa eine halbe Stunde jenseits Fulda gelegenen
Dorfe, Quartier beziehen. Das war freilich kein
besonders erfreulicher Befehl, denn er eröffnete uns
die Aussicht, vielleicht noch IT/2 bis 2 Stunden
auf der Landstraße stehen zu bleiben und um so
viel später in's Quartier zu kommen. Außerden:
bietet die Zutheilung zur Vor- oder Nachhut für
eine Batterie nmncherlei Vortheile. Man mar
schirt allein, hat vor sich in der Regel nur eine
kleine Abtheilung Infanterie, die wenigstens bei
der Vorhut immer flott ausschreiten kann, sodaß
man die in einer langen Kolonne unvermeidlichen
und so ermüdenden häufigen Stockungen ver
meidet.
Wie wir später hörten, hatte General von
Schenk gleich nach dem Eintreffen der Nachricht
vom Vorgehen der Preußen gegen Fulda einen
Generalstabsoffizier nebst einigen berittenen Unter
offizieren der Artillerie (Kavallerie war noch
nicht anwesend) vorausgeschickt, um festzustellen,
ob die Nachricht begründet sei. Gegen 11 Uhr
war von diesem eine Meldung eingegangen, daß
dies wahrscheinlich nicht der Fall sei, woraus
General von Schenk den Weitermarsch besohle::
hatte.
Mittag war schon vorüber, als die endlose
Kolonne an uns vorbei war und wir uns in
Bewegung setzten. Der Marsch bot nichts Be
merkenswerthes. Fulda ist von Hünfeld nur
2 Meilen entfernt, sodaß wir von Rückers aus
nur noch etwa 1*/a Meilen zurückzulegen hatten.
Am Leipziger Hof — etwa 3 A Stunden dies
seits Fulda — fanden wir ein Bataillon und
zwei Geschütze der 2. sechspfündigen Batterie ans
Vorposten.